Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
In Italien machen sich Rassisten breit
Der italienische Krimiautor Andrea Camilleri ist sehr besorgt. Der Autor der auch in Deutschland beliebten Bücher um den sizilianischen Kommissar Montalbano sagt: „Die Italiener sind Rassisten, die aktuellen Fakten sprechen doch für sich.“Der Schriftsteller sagt weiter: „Ich will keine Vergleiche ziehen mit vergangenen Epochen, aber es existiert in Italien ein Konsens gewissen extremistischen Positionen gegenüber, der mich sehr an jenen Konsens erinnert, den ich als Kind 1937 im Faschismus empfand.“
Dass es sich bei Andrea Camilleri nicht um einen nostalgischen AltLinken handelt, der vergangenen Zeiten nachtrauert, beweist die Vielzahl kritischer, besorgter und auch entsetzter Stimmen von Italienern, die wie er denken. Und es beweisen die zahllosen Vorfälle offensichtlichen Rassismus.
In Rimini ziehen Neofaschisten durch die Straßen und über die Strände, um, wie sie auf ihrer Webseite erklären, „Neger, Schwule und andere Elemente zu vertreiben“. Auch an Roms Stadträndern patroullierten Mitglieder der römischen Neofaschistengruppe Forza Nuova. In öffentlichen Verkehrsmitteln kontrollieren sie dunkelhäutige Menschen, ob sie auch wirklich Fahrkarten haben.
Friseure, Kaffeebarbesitzer und sogar Ärzte hängen Schilder in ihren Geschäften und Arztpraxen auf, in denen Geschichten über Vergewaltigungen und andere Gewalt „durch Neger“und „Zigeuner“wiedergegeben werden. Nicht nur mit Luftgewehren, wie jüngst in Rom im Fall eines Roma-Babys, wird inzwischen auf Roma und dunkelhäutige Einwanderer geschossen. Im Kalabresischen Rossano starb bereits ein schwarzer Arbeiter, erschossen durch einen Neofaschisten.
Obwohl in Italien die Zahl der illegalen Einwanderer kontinuierlich sinkt, von rund 165 000 im vergangenen Jahr auf knapp 50 000 bis jetzt in 2018, dramatisieren Politiker der rechtspopulistischen Regierung die innenpolitischen Zustände. Allen voran Innenminister Matteo Salvini, Chef der ausländerfeindlichen Partei Lega.
Vor allem Salvini erreicht mit seinen Hasstiraden Umfragen zufolge immer mehr Bürger. Einer jüngsten Umfrage zufolge sind 60 Prozent aller Italiener davon überzeugt, dass illegale Ausländer und „Zigeuner“an den meisten Straftaten, Vergewaltigungen und Raubüberfällen schuld seien. Die Kriminalstatistiken widersprechen diesen Überzeugungen.
Überzeugungen, die auch von Falschmeldungen provoziert werden, die immer öfter auf Facebook und anderen sozialen Netzwerken verbreitet werden.
Italiens Opposition und die regierungskritischen gesellschaftlichen Kräfte sowie auch die katholische Kirche haben noch keine klare, einheitliche Linie als Reaktion auf die rechtsradikalen Trends in der italienischen Gesellschaft gefunden. Vielmehr scheinen sie in einer Schockstarre gefangen zu sein. Dass vor allem der scharfrechte Kurs von Innenminister Salvini Umfragen zufolge auf immer mehr Zustimmung stößt, schockiert Regierungskritiker. Angesprochen auf Salvinis Partei Lega schließt Andrea Camilleri seine inzwischen fast blinden Augen, schweigt einen Moment und sagt dann mit leiser Stimme: „Italien macht mir Angst.“