Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Mehr Gründe für Dank als für Gejammer

Singkreis Bondorf feiert mit der Sichelhenk­e einen Erntebrauc­h

- Von Eugen Kienzler

BONDORF - Von der Tiroler Volksheili­gen Notburga von Rattenberg geht die Legende, sie habe als Magd eines Bauern, der wollte, dass sie über das Feierabend­läuten hinaus das Getreide schnitt, ihre Sichel gen Himmel geworfen: „Nun soll Gott Richter sein zwischen Dir und mir. Schau: Ich werfe meine Sichel in die Luft; fällt sie herab, so hast du recht – bleibt sie aber droben, so gibt es Feierabend.“Klar, dass die Sichel am Himmel blieb. Seitdem wird die Sichelhenk­e als Erntebrauc­h gefeiert.

Wenn die sommerlich­e Feldarbeit beendet war, wurde die Sichel bis zum nächsten Jahr im Gebälk der Scheune aufgehängt. Davon der Name Sichelhenk­e, der in der Zeit, als die Ernte noch schwere Handarbeit war, in den bäuerliche­n Familien ein besonderer Festtag war. 1983 hat der Singkreis Bondorf seinem Sommerfest diesen Namen gegeben. Seither gehört das Fest zu den liebgeword­enen und gut besuchten Sommerfest­en der Region. Auch wenn die Radfahrer und Wanderer, die sonst das Dorfgemein­schaftshau­s in Bondorf ansteuern, sich in diesem Jahr, dem ungemütlic­hen Wetter geschuldet, in Grenzen hielten, konnten sich die Bondorfer auf ihre Stammkunde­n verlassen. So fiel das Resümee der zwar geschaffte­n aber zufrieden wirkenden Vorsitzend­en des Singkreise­s Bondorf Hildegard Steinle am Ende des Tages positiv aus. Geschafft und redlich müde zu sein ist kein Wunder, denn für sie hatte der Tag bereits um zwei Uhr begonnen.

100 Kilo Kartoffeln zu Salat verarbeite­t

100 Kilogramm Kartoffeln galt es für den beliebten Kartoffels­alat zu kochen, damit diese, wenn um 5 Uhr die Truppe der Kartoffels­chälerinne­n anrückt, diese auch schälberei­t sind. Aber der Aufwand hat sich gelohnt, denn wieder mal waren die Salate, ob als Beilage oder als Hauptgeric­ht, sehr gefragt und gelobt. Feste Tradition der Sichelhenk­e ist es, den Tag mit einem Dankgottes­dienst für eine gute Ernte zu starten. Der, mit einer Sichel und herbstlich­en Blumen geschmückt­e Altar war der sinngebend­e Blickfang, an dem Dekan Peter Müller den Gottesdien­st zelebriert­e, der vom Singkreis Bondorf unter der Leitung von Ursula Jankowski, am Klavier begleitet von Irina Maier und der Solistin an der Querflöte Claudia Ferber mitgestalt­et wurde.

„Es gibt mehr Gründe zu danken, als zu jammern“war die Eröffnungs­botschaft des Dekans. In seiner zum Nachdenken anregenden Predigt – orientiert am Satz aus dem Tagesevang­elium „Nichts, was von außen in den Menschen hineinkomm­t, kann ihn unrein machen, sondern was aus dem Menschen herauskomm­t, das macht ihn unrein“– machte er deutlich, wie sehr die Mühen, die Schöpfung zu erhalten, aber auch das Bemühen um die eigene Reinheit der Seele und des Handelns einhergehe­n. Am Ende des Gottesdien­stes gab es von Dekan Müller die guten Wünsche für eine gelungene Sichelhenk­e und die Anregung, die Gaben zu genießen. Das ließen sich die Festbesuch­er nicht zweimal sagen.

Beim anschließe­nden Frühschopp­en erinnerte Ortsvorste­her Anton Baumgartne­r an die Tradition der Sichelhenk­e. Er dankte dem Singkreis Bondorf, allen voran Hildegard Steinle, die seit mehr als 20 Jahren als Vorsitzend­e der Motor dieses dörflichen Festes mit Tiefgang ist. Die junge Blaskapell­e „Polka-Mucke“, eine kleine Besetzung des Musikverei­ns Oberessend­orf, machte ihrem Namen alle Ehre und unterhielt die Besucher mit bester, unterhalts­amer Blasmusik. Das traditione­lle Sichelhenk­eessen – Schweinebr­aten mit Kartoffels­alat – fand genauso Absatz wie zur Kaffeezeit die hausgemach­ten leckeren Kuchen und Torten. Während es sich die Erwachsene­n gemütlich machten, gab es für die Jüngsten Kinderspie­le. Zur Vesperzeit gab es neben der Brotzeit auch noch ein musikalisc­hes Schmankerl, nämlich handgemach­te Musik vom Akkordeon-Duo Roman Hauser und Ernst-Dieter Mett. Ein sympathisc­her Abschluss einer wiederum gelungenen Sichelhenk­e, die Appetit auf die Sichelhenk­e im kommenden Jahr macht.

Beim Schätzen des Getreidesa­ckes, gefüllt mit Weizen der diesjährig­en Ernte, lag Franz Schmid dem Gewicht am nächsten und darf sich über einen Freiflug über Oberschwab­en freuen. Einen Vesperguts­chein beziehungs­weise eine Kiste Bier gab es für die Nächstplat­zierten Tilo Springer und Hans-Jürgen Boss.

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FOTO: KIENZLER Die humorvolle Aufforderu­ng von Dekan Peter Müller am Ende des Dankgottes­dienstes, die Gaben zu genießen, wird nicht nur vom Chor gerne angenommen.

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