Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Auf das Feuer folgt die Wut
Nach dem Großbrand im Nationalmuseum gibt es Proteste gegen die brasilianische Regierung
RIO DE JANEIRO (dpa) - Zahlreiche Studenten und Wissenschaftler haben nach dem verheerenden Großbrand im Nationalmuseum von Brasilien gegen Sparzwang und Schlamperei bei der Erhaltung öffentlicher Einrichtungen protestiert. „Was wir heute verloren haben, steht symbolisch für die aufgelaufenen Verluste der Wissenschaft in Brasilien“, sagt Márcia Valeria Morosini, die Mitarbeiterin des biowissenschaftlichen Forschungsinstituts Fiocruz in Rio de Janeiro. „Was wir verloren haben, ist das Gedächtnis der Welt.“
Für viele der Demonstranten im Stadtpark Quinta da Boa Vista ist das Feuer in dem ältesten Museum Brasiliens nur ein Symptom eines größeren Übels: Die Politiker des größten südamerikanischen Landes sind seit Jahren mehr mit sich selbst beschäftigt als mit den drängenden Problemen des Landes. Steuergelder gelangen oft über dunkle Kanäle in die Taschen von Funktionären, anstatt in Universitäten, Krankenhäuser oder Schulen investiert zu werden. Der mangelhafte Brandschutz des Hauses stand schon seit Längerem in der Kritik. „Für die Instandhaltung von historischen Gebäuden sind finanzielle Mittel nötig, und in Brasilien werden diese nicht zur Verfügung gestellt“, kritisierte Museumsdirektor Alexander Kellner.
Die Demonstranten werfen der Regierung von Präsident Michel Temer vor, beim Brandschutz geschlampt und damit das historische Vermächtnis des Landes leichtfertig aufs Spiel gesetzt zu haben. „Weg mit Temer, weg mit Temer“, skandieren sie vor der Ruine des ausgebrannten Gebäudes. Die Polizei geht mit Pfefferspray gegen die protestierenden Menschen vor.
Deutschland sagt Hilfe zu
Das Feuer im Nationalmuseum war am Sonntagabend ausgebrochen und hatte große Teile des früheren Kaiserpalasts zerstört. Nach einem ersten Rundgang geht die Museumsverwaltung davon aus, dass etwa 90 Prozent der rund 20 Millionen Ausstellungsstücke vernichtet wurden.
Das wertvollste archäologische Ausstellungsstück war der Schädel von „Luzia“, eines der ältesten Fossile eines Homo sapiens in Amerika. „Luzia hat 13 000 Jahre in der Natur überlebt, aber kein halbes Jahrhundert in den Händen der Regierung“, war auf einem Plakat der Demonstranten zu lesen. Die Museumsverwaltung glaubt allerdings, dass es noch Hoffnung gibt. „Luzia“befinde sich in einer Stahlkiste und könnte den Brand überstanden haben, sagte die stellvertretende Museumsdirektorin Cristiana Serejo.
Deutschland sagte indes Hilfe zu. Michelle Müntefering, Staatsministerin für Kulturpolitik im Auswärtigen Amt, erklärte am Dienstag, ihr Haus sei in Kontakt mit dem Museumsdirektor und den Behörden. Man wolle Rio de Janeiro bei der Bergung, Sicherung und Restaurierung von Dokumenten und Kunstschätzen unterstützen, so die SPD-Politikerin.