Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
In einem Land vor unserer Zeit
Im bildgewaltigen Eiszeitabenteuer „Alpha“freundet sich ein alleingelassener Junge mit einem Wolf an
Ziemlich beste Freunde im Jungpaläolithikum: „Alpha“erzählt wie die besondere Beziehung zwischen Mensch und Hund begonnen haben könnte. Der Film ist in der letzten Eiszeit vor rund 20 000 Jahren angesiedelt, doch obwohl sie sich in einer mit Untertiteln verständlich gemachten Fantasiesprache unterhalten, wirken unsere Vorfahren hier für ein heutiges Publikum erstaunlich zugänglich. Filmemacher Albert Hughes („The Book of Eli“) ist aber auch nicht an einer möglichst akkuraten Annäherung an die ferne Zeit interessiert, sondern will vor allem eine klassische Abenteuergeschichte erzählen. Und das gelingt ihm ausgesprochen gut.
Parallelen zum Oscar-Erfolg „The Revenant – Der Rückkehrer“drängen sich auf, allerdings ist „Alpha“die klar familienfreundlichere Geschichte. Im Mittelpunkt steht Keda (Kodi Smit-McPhee) – und der steht vor einem einschneidenden Wendepunkt in seinem jungen Leben: Zum ersten Mal darf der Sohn von Tau (Jóhannes Haukur Jóhannesson) mit den Männern seines Stammes auf die Bisonjagd gehen. Sein Vater ist mächtig stolz, auch wenn der Sprössling beim Töten von Tieren noch Hemmungen zeigt. Als die Männer auf eine beachtliche Bisonherde stoßen, scheinen die Vorräte für den nächsten Winter gesichert. Bei der Jagd wird Keda von einem Tier attackiert und stürzt eine Klippe hinunter. Tau ist untröstlich, muss aber seinen vermeintlich toten Sohn zurücklassen. Als dieser erwacht, ist er allein auf sich gestellt – und hat einen langen Heimweg vor sich.
Soweit, so „Revenant“, allerdings bekommt Keda auf seiner Reise unerwartete Gesellschaft: Als er von Wölfen angegriffen wird, wehrt er sich und verletzt eines der Tiere, das von seinem Rudel zurückgelassen wird. Der junge Mann hat Mitleid mit dem Tier und bemerkt bald, dass dieses ihm bei der Jagd äußerst behilflich sein kann. Auch erinnert Keda sich an die Worte seines Vaters über die Rolle des Alphatiers im Wolfsrudel und macht dem Tier schnell klar wer das Sagen hat. Dennoch bauen die beiden eine enge Bindung auf.
Hundeliebhaber kommen bei dem Film vermutlich besonders auf ihre Kosten, aber kaum ein Besucher dürfte bestreiten, dass „Alpha“über weite Strecken phantastisch aussieht. Das ist vor allem den Naturaufnahmen in Kanada zu verdanken – bei den Computereffekten hat man dagegen gelegentlich etwas arg dick aufgetragen und lässt schonmal kitschig die Milchstraße funkeln. Bei der eigentlichen Handlung ist dagegen Reduktion angesagt und das bekommt dem Film ausgesprochen gut: Die Vorgeschichte der Jagd, der Unfall und Kedas langer Weg zurück werden in schlanken eineinhalb Stunden abgehandelt. Und auch wenn bisweilen Erinnerungen an liebgewonnene frühere Disney-Tierfilme wach werden, verzichtet Hughes weitgehend auf die süßliche Vermenschlichung seines tierischen Hauptdarstellers. All das macht „Alpha“zu einem vielleicht nicht immer herausragenden aber doch ziemlich einzigartigen Filmerlebnis – das man auf der größtmöglichsten Leinwand genießen sollte.
Alpha. Regie: Albert Hughes. Mit: Kodi Smit-McPhee, Jóhannes Haukur Jóhannesson, Marcin Kowalczyk. USA 2018. 96 Minuten. FSK ab 12.