Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Pro & Contra
Mit der Flirtshow „Die Bachelorette“kann der Fernsehsender RTL gute Geschäfte machen, weil ein Millionenpublikum jeden Mittwochabend vor dem Fernseher sitzt. Dabei hat das Leben und Werben in Villen, bei Candle-Light-Dinners oder bei Dreamdates so gar nichts mit unserem Leben zu tun, übt aber eine große Faszination aus. Okay, diesmal ist die Teilnahme des Lokalmatadors und Finalisten Daniel Lott ein weiterer Grund.
Aber warum machen sich viele über dieses Format lustig und bleiben trotzdem sitzen? Gibt es da etwas, das stärker ist als der Wille abzuschalten?
Liebe ist von der Illusion der Liebe umschattet, sagt Nietzsche. Mit dieser Illusion beginnen erotische Beziehungen. Viele scheitern später, wenn die Illusion mit dem Alltag konfrontiert wird. Wir wissen nicht, was aus Bachelorette Nadine und und ihrem erwählten Alex wird. Aber: Nicht nur RTL, auch wir bauen auf die Illusion der guten, ewig währenden Liebe. Die Bachelorette danach zu beurteilen, wie viele Einstellungen nötig waren, bis Szenen sendereif waren, wo und wie stark die Regie eingegriffen hat, kann das Geschäftsmodell nicht in Frage stellen. Es wäre interessant zu wissen, ob Nadines Tränen um Daniel Lott echt sind. Wir werden es nicht erfahren. Darum geht es nicht. Es geht um den Mut, vor einem Millionenpublikum im Werben um den Partner seines Herzens Gefühle auszudrücken. Die Botschaft lautet: Liebe ist möglich. Daran zu glauben, ist doch etwas Schönes.
„Liebe ist möglich. Daran zu glauben ist etwas Schönes.“
Rudi Multer
r.multer@schwaebische.de Die vierte Staffel der RTL-Flirtshow „Die Bachelorette“ist am Mittwochabend zu Ende gegangen. Endlich ist das Laientheater vorbei. Acht Wochen lang wurden erwachsene Männer in einer Luxusvilla zusammengepfercht, um sich vor laufenden Kameras zum Narren und zum Spielzeug des Senders zu machen.
Sie zogen in die Villa ein, um das Herz einer Junggesellin zu erobern, die im Fernseher ihre große Liebe finden wollte. Wer’s glaubt, wird selig. Das Drehbuch gibt den Männern exakt die
Rollen vor, die sie auf Kommando spielen müssen – der Draufgänger, der Introvertierte, der Kotzbrocken. Daniel Lott aus Bad Saulgau wurde anfangs in die Schublade des schüchternen Verehrers gesteckt, der mit seinem Charme bei Nadine immer mehr Punkte sammelte, es sogar bis ins Finale schaffte und beinahe heulen musste, als er die
„Das Drehbuch gibt den Männern exakt die Rollen vor“
letzte Rose nicht erhielt. Sein letzter Auftritt war kein gutes Bewerbungsvideo für eine Schauspielschule. Oder war es doch eine Liebesschnulze ohne Happy End? Nein, eher eine primitive Inszenierung, bei dem den Zuschauern Gefühle vorgegaukelt werden. Aber was reitet die gut aussehenden Männer zwischen 20 und Mitte 30, sich auf so erbärmliche Weise nach der Herzensfrau umzusehen? Die Sehnsucht danach, auf der Straße erkannt und berühmt zu werden? Die Motive der Männer können unterschiedlicher Natur sein. Aber keiner von ihnen hat im Grunde genommen diesen Seelenstriptease nötig. RTL wird es egal sein. Die nächste Staffel kommt bestimmt. Leider. Dirk Thannheimer
d.thannheimer@schwaebische.de