Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Schäuble warnt vor Verharmlosung von Rechtsextremismus
Chemnitz und die Folgen beschäftigen den Bundestag – Verfassungsschutz-Präsident Maaßen muss sich erklären
BERLIN/KÖTHEN/HALLE (dpa) Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hat angesichts rechtsextremer Proteste in Chemnitz und anderswo vor Verharmlosung gewarnt. Nötig sei ein starker und handlungsfähiger Rechtsstaat, sagte er im Bundestag. Unterdessen wuchs der Druck auf den Chef des Inlandsgeheimdienstes, Hans-Georg Maaßen, wegen seiner umstrittenen Äußerungen zu den Ereignissen in Chemnitz. Am Mittwoch muss sich der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz im Bundestag verantworten.
Erwartet wird, dass die Entwicklungen auch in der Generaldebatte bei den Haushaltsberatungen im Plenum mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Rolle spielen. Schäuble sagte: „Wir müssen bei der Durchsetzung des Rechts besser werden – schnell, konsequent, sichtbar.“Das Demonstrationsrecht sei kein Freibrief für Gewalt, dies gelte für Rechts wie für Links. Gewaltfreiheit stehe über allen Meinungsverschiedenheiten. „Ausländerfeindlichkeit, Hitlergrüße, Nazisymbole, Angriffe auf jüdische Einrichtungen – für all das darf es weder Nachsicht noch verständnisvolle Verharmlosung geben.“
Verständnis für die Bürger
„Die Ereignisse in Chemnitz zwingen uns zu einer Unterscheidung zwischen den unentschuldbaren Gewaltexzessen und den Sorgen, die viele Bürger umtreiben“, sagte Schäuble weiter. Die Zuwanderung habe erhebliche Auswirkungen auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Menschen, die sich vor Veränderungen – und auch Zuwanderung – fürchteten, müssten genauso ernst genommen werden wie die, die sich für Offenheit und Solidarität einsetzten.
Im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages und im Innenausschuss muss sich Maaßen für seine Interview-Äußerung verantworten, es habe in Chemnitz bei Protesten als Reaktion auf eine tödliche Messerattacke keine „Hetzjagden“auf Ausländer gegeben. Zugleich hatte Maaßen gesagt, es gebe keine Belege dafür, dass ein entsprechendes Video authentisch sei. Nach Informationen der „Welt“hatte Maaßen die Echtheit des im Internet kursierenden Videos infrage gestellt, bevor Fachleute seiner Behörde die Authentizität geprüft hatten.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte von Maaßen nachträglich eine schriftliche Begründung für seine Interview-Äußerungen verlangt. Nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“soll Maaßen in dem Bericht äußern, das Video sei nicht gefälscht, er sei falsch verstanden worden.
Die FDP sieht die Causa Maaßen als weiteren Beleg für einen tiefen Graben zwischen Merkel und dem von Seehofer geleiteten Innenministerium. Dieser Konflikt gefährde die innere Sicherheit, sagte der Fraktionsinnenexperte Konstantin Kuhle. Merkel hatte die Vorfälle als „Hetzjagden“bezeichnet. Dem hatte Maaßen widersprochen. Sein Dienstherr ist Seehofer.
Die innenpolitische Sprecherin der Linke-Bundestagsfraktion, Ulla Jelpke, forderte Maaßens Rücktritt. Auf dem Video vom 26. August ist zu sehen, wie Männer hinter anderen Menschen herrennen. Dabei sind Rufe zu hören wie „Haut ab! Was ist denn, ihr Kanaken?“und „Ihr seid nicht willkommen!“. Anlass für die Demo war der Tod eines 35-jährigen Deutschen. Er war niedergestochen worden. Tatverdächtig sind drei Asylbewerber. Zwei von ihnen sitzen in Untersuchungshaft. Nach dem dritten wird gefahndet.