Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
„Wer betet, rechnet mit Wundern“
Evangelische Gemeinde in Mengen begrüßt Pfarrerin Heidrun Stocker
MENGEN - Das Willkommen ist vom tiefsten Herzen gekommen: Das konnte die evangelische Pfarrerin Heidrun Stocker bei ihrer Einsetzung in der Pauluskirche in Mengen deutlich spüren. Evangelische Christen und viele Gäste aus dem Stadtgebiet waren anwesend. Der Posaunenchor, Organist Georg Ströbele und der Kirchenchor unter der Leitung von Adelinde Stemmler-Bredendiek begleiteten musikalisch die Feier.
Dekan Hellger Koepff zog feierlich mit Pfarrerin Heidrun Stocker und den Kirchengemeinderäten in die vollbesetzte Kirche ein. Er begrüßte die vielen Gäste und freute sich, die Investitur endlich feiern zu können: „Wir mussten ja lange auf auf Sie warten. Es ist schön, dass dieser Tag da ist“, sagte er und erinnerte damit an das Scheitern des ersten Besetzungsversuches, was die Vakanz verlängert hatte.
Die Investitur stand unter dem Wochenspruch „Christus hat dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht durch das Evangelium“. Die unfassbar große Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod sei den Christen und der Pfarrerin als Leiterin der Gemeinde anvertraut, so Dekan Koepff. „Wir sind Protestleute gegen den Tod“, sagte er. Dieses Jahr habe der Wochenspruch eine besondere Dimension, weil er sich gegen die drohenden Gefahren richte: Gegen die Missachtung der Menschenwürde, den Verfall der Demokratien. Die Priester hätten den Auftrag, zusammen mit der Gemeinde für die Vielfalt in der Gesellschaft und die Würde der Menschen einzutreten.
Farben fließen zum Bild zusammen
Heidrun Stocker stellte sich mit einer Ansprache über die Farben, die sie charakterisieren, vor. In Scharnhausen sei es die Farbe der Kindheit: Sie sei in einer Familie, die sich im Dorf aktiv einmischte, aufgewachsen. Tübingen sei die Farbe des Lernens: Nach einer Schneiderlehre spürte sie den Wunsch nach dem Studium der Theologie. Münster sei die Farbe des Neuanfangs: Hinaus in die Welt, alleine wohnen, niemanden kennen. Dieses Jahr habe viel Positives gebracht: Sie habe die Liebe zur Ökumene entdeckt und ihren Mann kennengelernt. Welzheim sei der Haftgrund: Dort habe sie im Vikariat erfahren, dass sich das viele Lernen gelohnt habe. Schönbronn sei die Farbe des Übergangs mit den ersten Schritten als Pfarrerin auf einem unebenen und schwierigen Weg. Nordhorn sei die Farbe des Erziehungsurlaubs mit Fingerfarben und Sandkasten. 15 Jahre Lauterbach ist die Farbe des Hinein- und Herauswachsens. „Für uns wünsche ich mir nun, dass sich diese Farben zu einem bunten und freundlichen Bild zusammenfügen“, sagte sie ihrer neuen Gemeinde. Dekan Koepff setzte die neue Pfarrerin in ihr Amt ein. Sie sei in ihrem Dienst Jesus Christus verpflichtet, das gebe Freiheit. Als Amtsträgerin herrsche sie nicht über die Gemeinde, sondern bringe ihre Gaben ein. Die Mengener Gemeinde und die Kollegen im Umland werden für die Pfarrerin eintreten, wenn sie angefochten werde, sagte Koepff. Er legte beide Hände auf das Haupt der neuen Pfarrerin und segnete sie. Erst ganz am Ende des Gottesdienstes überreichte er ihr die Urkunde der Investitur.
Die Zeugen traten auf. Erika Schelling blies in ihre Posaune. Bläser seien Gottes Herolde, sie solle nicht müde werden, von Gott zu verkünden, sagte sie zu Pfarrerin Stocker. Klaus Gerlinger hatte Kapitel 29 Vers 9 aus dem Buch Hiob gewählt: „Kein Boden war zu steinig für Oliven, ich hatte Öl in (…) Mengen“. Da mussten die Zuhörer herzlich lachen. Er wünschte Pfarrerin Stocker, dass sie jeden Tag in Mengen sagen könne, dass sie alles für ein gutes Leben hier habe.
Pfarrerin Stocker trug die Geschichte von Petrus vor, der im Gefängnis auf die Hinrichtung wartete. Die Gemeinde betete unaufhörlich. Mitten in der Nacht wurde Petrus von einem Engel im Auftrag Gottes lautlos befreit und bis zur nächsten Gasse begleitet. Wer bete, sei unvernünftig, er rechne mit Wundern. Diese geschehen auch und seien meist erst im Rückblick begreifbar. Es gefalle ihr, dass sie mit ihrer Gemeinde am Anfang stehe, dass ein Engel sie zur nächsten Gasse begleite.
An die Investitur schlossen sich Grußworte (siehe Kasten) und ein Stehempfang an.