Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Rolf Waldvogel plaudert über den bedrohten „Gsälzbären“
Früherer Kulturchef der „Schwäbischen Zeitung“kommt im Rahmen der Mundartserie nach Bad Saulgau
BAD SAULGAU (sz) - Im Rahmen der Mundartserie der „Schwäbischen Zeitung“spricht Rolf Waldvogel am Donnerstag, 11. Oktober, um 19.30 Uhr im Café am Markt in Bad Saulgau. Der frühere Kulturchef der „Schwäbischen Zeitung“hat sich immer wieder einmal mit der hiesigen Mundart auseinandergesetzt. Sein Thema in Bad Saulgau: „Der Gsälzbär – eine bedrohte Art“.
Der Dialekt ist überall in der Defensive – umso mehr lohnt sich das Nachdenken über ihn, so Waldvogel. Aus seiner beliebten Serie „Sprachplaudereien“, die er auch im Ruhestand noch für sein altes Blatt schreibt, wird er an diesem Abend unter dem Motto „Der Gsälzbär – eine bedrohte Art“ein paar einschlägige Texte lesen und daraus allgemeine Fragen ableiten: Wie ist es um den Stellenwert des Dialekts in der Gesellschaft bestellt? Welche Gefahren drohen ihm? Und worin liegt sein ganz besonderer Charme? Im Mittelpunkt steht für den Referenten dabei das enorme Spannungsverhältnis, dem sich der Dialekt derzeit ausgesetzt sieht. Für die einen ist er ein zu belächelndes Überbleibsel regionaler Beschränktheit, für die anderen ein von der Ausrottung bedrohtes Markenzeichen kultureller Identität. Das kommt nicht von ungefähr.
Der Dialekt grenzt in der Tat aus, denn er gilt nur für ein bestimmtes Gebiet und wird außerhalb kaum mehr verstanden. Vor allem aber ist er durch verschiedene Prozesse in Misskredit geraten. Die Massenmedien haben im 20. Jahrhundert zu einem Rückzug der Dialekte aus der gesprochenen Sprache geführt. Prägend war plötzlich weniger die Mundart der Heimat, sondern die dialektfreie Stimme aus dem Radio und später dem Fernsehen.
Dazu kamen Bewegungen in der Population: Nichts hat die deutsche Dialektlandschaft so durcheinandergewirbelt wie der Zweite Weltkrieg mit seinen zehn Millionen Vertriebenen aus dem Osten, und der Fall der Mauer löste dann erneut Verschiebungen aus. Schließlich führten auch die wachsende Mobilität der Gesellschaft sowie die unterschiedliche Attraktion der Regionen in puncto Wirtschaftskraft und Freizeitwert zu Wanderbewegungen. Dabei war in den letzten Jahrzehnten der Zug in den Süden immer größer als in die umgekehrte Richtung, und damit geriet der Dialekt hierzulande ins Hintertreffen.
Dazu kam dann noch das leider völlig falsche und instinktlos-überhebliche Vorurteil der Zugezogenen, dass Dialekt eh nur von einer Unterschicht gesprochen wird. Da können Abwehrreflexe der Gegenseite nicht ausbleiben. Süddeutsche sehen sich aus gutem Grund immer mehr in der Defensive. Sie schätzen am Dialekt das große Identifikationspotenzial für den, der ihn per Geburt versteht, und sie verfolgen deswegen seinen Niedergang mit verständlichem Argwohn. Als Reservoir des regionalen Gedächtnisses zollen sie ihm allen Respekt. Aber die Klugen unter ihnen wissen auch genau, dass man keinen Sprachzoo für ihn einrichten kann. Wer den Dialekt bierernst und heimattümelnd als Banner vor sich herträgt, macht sich leicht lächerlich. Eine Lanze für seinen Charme zu brechen, bringt da viel mehr.
Aber Rolf Waldvogel will sich dem komplexen Thema im Café am Markt in eher lockerer Form nähern. Verbiesterte Sprachhüter gibt es seiner Meinung nach genug. Er zählt sich nicht dazu.