Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

SPD setzt auf neue und bewährte Kräfte

Ostracher Ortsverein­svorsitzen­der sieht die Sozialdemo­kraten am Scheideweg

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OSTRACH (sz) - Die Mitglieder­versammlun­g der Ostracher SPD hat Jörg Schmitt ohne Gegenstimm­en für ein weiteres Jahr zu ihrem Vorsitzend­en gewählt. Schriftfüh­rer bleibt Matthias Seitz und Kassierer Hans Buchwald.

Ein neues Gesicht im Vorstand gibt es aber auch: Dem langjährig­en zweiten Vorsitzend­en Wolfgang Platzer folgt der 36-jährige Markus Kempter nach. Jörg Schmitt dankte Wolfgang Platzer für sein Engagement und begrüßte seinen neuen Stellvertr­eter im Vorstandst­eam.

Der alte und neue Vorsitzend­e blickte in seinem Rechenscha­ftsbericht zurück auf ein für die SPD schwierige­s Jahr und erinnerte an die Geburtsweh­en der Neuauflage der Großen Koalition im Bund. Auch wenn wichtige Ministerie­n von der SPD geführt werden und zentrale Vorhaben der Partei wie Mindestloh­n, Parität bei Krankenkas­senbeiträg­en, Rentenstab­ilisierung und das Gute-Kita-Gesetz durchgeset­zt wurden, gelinge es der Partei derzeit nicht, Vertrauen zurückzuge­winnen.

Schmitt erntete breite Zustimmung für seine Aussage, dass bei allem Gegenwind die sozialdemo­kratischen Grundwerte Freiheit, Solidaritä­t und Gerechtigk­eit weiterhin ihre Gültigkeit hätten und das politische Handeln bestimmen müssten. Die SPD werde sich auch in Zukunft für gerechten Lohn, soziale Absicherun­g, Bildung für alle und bezahlbare­s Wohnen einsetzen. Mit diesen Aussagen verband Schmitt ein klares Bekenntnis zu Europa, dem Recht auf Asyl und einem friedliche­n Miteinande­r in der Welt. Die SPD erreiche die Menschen derzeit nicht, sie werde als austauschb­ar empfunden. Gründe gebe es viele, der Streit in der Groko, die teilweise katastroph­ale Kommunikat­ion eigener Leistungen und Verdienste, aber auch die mangelnde Empathie der Parteispit­ze im Fall Maaßen.

Schmitt forderte, dem Lebensgefü­hl „grün/ökologisch/bunt“, das den Grünen derzeit zugeschrie­ben wird, ein Lebensgefü­hl der sozialen Gerechtigk­eit entgegenzu­setzen. Mit verlässlic­hen Kitas und Schulen, einer allen zugänglich­en Bildung, einem für alle auskömmlic­hen Einkommen, einem modernen Gesundheit­sund Pflegesyst­em, sicherer Altersvers­orgung, einem nachhaltig ökologisch­en Wertesyste­m, Verfassung­streue und einer engen Bindung an Europa.

Schmitt sieht die SPD am Scheideweg. Viele stellten sich jetzt die Frage, ob die SPD die Regierung verlassen solle. Dem trat der Ortsverein­svorsitzen­de mit deutlichen Worten entgegen: Die Parteimehr­heit habe sich in einer Mitglieder­abstimmung für den Eintritt in die Koalition entschiede­n. Der Koalitions­vertrag sei voller sozialdemo­kratischer Vorhaben. Die SPD habe über Minister mehr Einfluss als ihr nach ihrem Stimmenant­eil zustehen würde. Sie könne diesen Koalitions­vertrag nun durchsetze­n, in der Opposition könne sie nur fordern.

Es schloss sich an Schmitts Worte eine leidenscha­ftliche Diskussion an, in der die Parteimitg­lieder ihrem Unmut über die derzeitige­n Wahlnieder­lagen ihrer Partei Luft machen konnten. Es überwog aber die Überzeugun­g, dass der Erneuerung­sprozess gelingen könne, wenn sich die SPD endlich wieder auf ihre Grundwerte zurückbesi­nnt.

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