Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Wenn Fantasie auf Archäologie trifft
Pergamon im spektakulären Rundum-Panorama – Neuer Hotspot für die Museumsinsel
BERLIN - Erst kräht der Hahn, dann meckert eine Ziege – und langsam erwacht im dunklen Raum die graue Stadt Pergamon mit den Nebelschwaden am Himmel zum Leben. Das Licht wird wärmer, die Figuren lebendig – Pergamon in der 360Grad-Perspektive, 12 Meter hoch, ist ein Schauspiel für Kinder und Erwachsene, die sich ein kindliches Gemüt bewahrt haben.
Der Künstler Yadegar Asisi, der rund um die Welt von der Leipziger Völkerschlacht über Rom bis zum Great Barrier Reef schon viele dieser Panoramen geschaffen hat, ist zurück in Berlin. Und er rät seinen Besuchern, die Eindrücke auf sich wirken zu lassen: „Man muss schon 20 Minuten bleiben. Wer wie eine Fliege hin- und herschwirrt, dem bringt das nichts.“Asisi hofft, dass die Berliner mit der neuen Ausstellung „Pergamon“ihr Pergamon-Museum wieder entdecken. Die Chancen dafür stehen gut.
Der richtige Altar ist eingepackt
Während der richtige Pergamon-Altar sicher eingepackt derzeit eine Teilschließung des Museums bis 2024 überstehen muss, ist gegenüber ein Neubau entstanden. „Nicht für die Ewigkeit“, wie Kulturstaatsministerin Monika Grütters sagt, aber doch für einige Jahre. Eine öffentlichprivate Partnerschaft und die großzügige Unterstützung aus dem Schraubenimperium Würth machen es möglich, dass der Besucher Einblicke in das alte Pergamon bekommt.
Die 32 Meter hohe Textilfläche, bedruckt mit dem Burgberg, der Unterstadt und der Umgebung von Pergamon erlauben eine lebendige Darstellung des Stadtgeschehens, und vor allem die überraschende Erkenntnis: „Pergamon war bunt.“Wer heute nur noch den riesigen weißen Altar vor Augen hat, wird eines Besseren belehrt.
Doch zunächst wird der Besucher von den Bewohnern Pergamons empfangen: Statuen der Frauengestalten, die auf der Terrasse des Altars stehen, werden von Scheinwerfern in rote Farbe getaucht. Ein doppelt lebensgroßer Kopf des Herakles beeindruckt auf Augenhöhe stehend den Betrachter.
Im Innern des Neubaus dann die riesige Installation des Künstlers Asisi, bei der man auf drei Plattformen von sechs, zwölf und 15 Metern Höhe in das Geschehen eintauchen kann, in das 360-Grad-Panorama von Pergamon: Prächtige Tempel, Platzanlagen und ein Theater in der Oberstadt, im Tal ein Stadion und das Amphittheater. Im Zentrum aber natürlich der Pergamonaltar. Jener Altar, der 1901 im eigens dafür errichteten Museum in Berlin erstmals ausgestellt wurde. Viele Menschen bringen auf den Bildern ihre Opfertiere, die zeremoniell getötet werden. Die Treppenstufen sind blutrot eingefärbt, denn nur die Organe der Tiere werden als Brandopfer dargebracht. Mitten in der Menge Kaiser Hadrian. Auf der Akropolis befinden sich Priesterinnen und Gelehrte, weiter unten gibt sich das einfache Volk seinen Vergnügungen hin. Dazwischen ein Sklavenmarkt und eine Steinmetzwerkstatt. All das ist so bunt und mit rund 2000 Figuren versehen, dass es ein Erlebnis ist.
Rund um das Zentrum der Ausstellung wird der kleine Fries des Pergamonaltars gezeigt, welcher das Leben des Helden Telephos schildert. Von ursprünglich 74 Reliefplatten sind 47 erhalten. Der große Fries des Altars ist nur als Projektion ausgestellt, denn das 120 Meter lange und tonnenschwere Objekt muss im Pergamon-Museum bleiben. Mit den 80 antiken Skulpturen und neuen Visualisierungen entsteht ein Gesamteindruck von Pergamon in der Regierungszeit Kaiser Hadrians (117 bis 138 n. Christus).
Schon einmal war Asisi mit dieser Show in Berlin zu sehen, doch das erste Panorama wurde überarbeitet mit dem Ziel, das Leben in der antiken Stadt noch eindrücklicher zu gestalten. 40 neue Szenen entstanden. Im letzten Jahr fand dazu ein Fotoshooting mit den Komparsen in einem Berliner Filmstudio statt.
Vor Jahren sahen 1,5 Millionen Menschen die Ausstellung in Berlin und auch diesmal setzt die Stiftung preußischer Kulturbesitz auf reges Interesse. Für Hermann Parzinger, den Präsidenten der Stiftung, ist es eine neue Art der Begegnung mit der Antike. Er ist sich bereits sicher: „Das wird ein neuer Hotspot an der Museumsinsel.“
Pergamon: Täglich geöffnet von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr. Kombiticket Pergamonmuseum 19 Euro, ermäßigt 9,50 Euro, Kinder bis 18 Jahren frei.