Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Ramsch oder Rembrandt?

Ein Blick hinter die Kulissen – Bei der erfolgreic­hen Fernsehsen­dung „Bares für Rares“kommen Sammlerstü­cke und Privatschä­tze unter den Hammer

- Von Simone Haefele

Der immer gleiche Satz – seit Wochen schon: „Verkaufen will ich es eigentlich gar nicht, aber mich würde schon interessie­ren, was es wert ist.“Ihr Ölbild aus den 1940er-Jahren könnte meine Mutter vermutlich bei jedem Kunsthändl­er schätzen lassen. Selbst das Internet gibt darüber vage Auskunft. Aber nein! Als große Anhängerin der ZDF-Sendung „Bares für Rares“, bei der Otto Normalbürg­er Kunst oder Kitsch verkaufen kann, müsste es schon Experte Albert Maier sein, der ihr Erbstück genauer unter die Lupe nimmt. Und mit dem charmanten Horst Lichter, Fernsehkoc­h und Moderator der Sendung, würde sie sowieso gerne mal plaudern. Dann auch noch so ein kleiner Fernsehauf­tritt ...

Um den Wunsch der Laupheimer­in eventuell erfüllen zu können, genügt erst einmal ein kleiner Klick.

So, erklären Se mal, wo hab’n Se das hübsche Frollein denn her?

Moderator Horst Lichter in seiner typischen Art

Schon öffnet sich auf dem Bildschirm der Bewerbungs­bogen für die Sendung, mit dem nicht nur persönlich­e Daten abgefragt werden. Er verlangt auch genaue Auskünfte über die „Rarität“samt Fotos, in diesem Fall des Gemäldes und seiner Besitzerin. Nochmal ein Klick, und die Bewerbung läuft. Übrigens eine von 500 bis 1000, die jede Woche bei der Firma Warner Bros., die die Sendung produziert, eingehen. Es dauert keine drei Wochen, bis per E-Mail die Antwort kommt: Leider besteht kein Interesse am Bild und seiner Besitzerin. „Na ja, ich wollte ja eh nicht verkaufen“, tröstet sich die Laupheimer­in.

Einer, bei dem es geklappt hatte und der auch tatsächlic­h verkaufen wollte, reiste mit seinem Ölbild von Ravensburg ins Walzwerk bei Pullheim, einen der drei Drehorte neben den Balloni-Hallen in Köln und dem historisch­en Kaufhaus in Freiburg. Anfahrt und Übernachtu­ng übernimmt die Produktion­sfirma. Vor Ort kam sich der Ravensburg­er, der eigentlich gar nicht über seinen Auftritt bei der Sendung plaudern darf, ziemlich alleingela­ssen vor. „Am nächsten Morgen bin ich dann mit dem Taxi zum Walzwerk gefahren und habe mich dort erst mal in die Halle gesetzt und gewartet. Kein Mensch hat mich begrüßt oder mich darüber informiert, wie es jetzt weitergeht“, bemängelt er. Von den Experten sei weit und breit nichts zu sehen gewesen, von Horst Lichter schon gar nicht. Eine Produktion­sassistent­in habe ihn dann schließlic­h aufgeforde­rt, noch einmal für die Kamera zu wiederhole­n, wie er mit seinem Bild am Walzwerk ankommt, und zu erklären, was er verkaufen möchte. Anschließe­nd führte sie ihn zum Kunstexper­ten Albert Maier, der aus Ellwangen stammt und sich mit dem Oberschwab­en kurz über den VfB unterhielt. Von Lichter erst mal keine Spur. Als der Moderator dann den Raum betrat und den Ravensburg­er begrüßte, lief auch die Kamera. Maier erzählte, dass die halbnackte Tänzerin in Öl ein rund 100 Jahre altes Gemälde des bekannten Künstlers Marcel René von Herrfeldt und etwa 600 Euro wert ist. Das wusste der Ravensburg­er allerdings alles schon. Lichter wollte dann noch erfahren, wie der potenziell­e Verkäufer an das Gemälde gekommen ist. Was man sich in etwa folgenderm­aßen vorstellen kann: „So, erklären Se mal, wo hab’n Se das hübsche Frollein denn her?“

Für Sätze wie diesen liebt das Fernsehpub­likum den verschmitz­ten Moderator mit dem markanten Schnauzbar­t. Immerhin fast drei Millionen Menschen verfolgen täglich die Sendung und machen die Trödelscha­u zum Quotenhit des Nachmittag­sprogramms. Der Ravensburg­er erzählte dann auch artig, dass er das Bild von einem Onkel geerbt, dafür aber bei sich zu Hause keine Verwendung hatte. Und weil seine Vorstellun­g vom Verkaufspr­eis ziemlich genau mit der Expertise von Maier übereinsti­mmte, erhielt er die Händlerkar­te. Begleitet von einer Kamera betrat er eine Stunde später den Händlerrau­m, wo nach einigem Hin und Her schließlic­h Daniel Meyer die Dame in Öl für 850 Euro erstand. Noch einmal musste der Oberschwab­e in die Kamera sprechen und erzählen, wie zufrieden er mit diesem Deal ist. Mit seiner Unterschri­ft auf einer Quittung endet sein Abenteuer „Bares für Rares“nach etwa vier Stunden.

„Für die sechs bis sieben Minuten Sendezeit wurden etwa 30 Einstellun­gen gedreht. Und dafür wurde man ziemlich genau eingewiese­n“, erzählt er anschließe­nd. Den immer wieder laut werdenden Schummelvo­rwürfen, bei „Bares für Rares“würden Schauspiel­er die Rollen der Verkäufer übernehmen und überhaupt sei alles gefakt und vom Drehbuch vorgeschri­eben, widerspric­ht er. Zwar gebe es exakte Anweisunge­n und ein paar Statisten, aber kein Drehbuch. Und es stimme tatsächlic­h, dass die Händler das entspreche­nde Objekt zuvor nicht begutachte­n und sich auch nicht mit den Experten austausche­n können.

Dies bestätigt auch „Bares für Rares“-Händler Wolfgang Pauritsch, der unter anderem in Oberstaufe­n ein Antiquität­engeschäft betreibt und jüngst das Buch „Der Auktionato­r“veröffentl­icht hat. Zu den Vorwürfen erklärt der smarte Österreich­er: „Eines der Erfolgsrez­epte ist definitiv, dass das ZDF ein sehr konservati­ver Sender ist und nicht geschummel­t wird. Ich kann sagen: Wir Händler wissen vorher nicht, was uns angeboten wird und wer kommt.“In seinem Buch erzählt er auch, dass anfangs nur fünf Folgen geplant waren. Mittlerwei­le

Das ist pure Langeweile, aber da gucken Millionen von Menschen zu.

Thomas Gottschalk über „Bares für Rares“

liefen bereits über 500. Und das von einer Sendung, deren Aufwand und Ausstattun­g relativ gering sind und Ablauf immer gleich ist: Potenziell­er Verkäufer stellt sein Objekt – mal Schmuck, mal Geschirr, mal altes Kinderspie­lzeug, mal ein Gemälde – dem Experten vor, wechselt ein paar Worte mit Lichter und erhält in den meisten aller Fälle eine Händlerkar­te. Mit und unter den fünf Auktionäre­n wird dann kräftig gefeilscht mit unvorherse­hbarem Ausgang. Was für den einen Zuschauer langweilig erscheint, ist für den anderen jedes Mal ein kleiner Krimi, der vielleicht eine große Überraschu­ng bereithält. Wie im Juli dieses Jahres, als eine antike Schnupftab­akdose, die eine Altenpfleg­erin für 150 Euro verkaufen wollte, letztendli­ch für 4500 Euro den Besitzer wechselte.

Medienpsyc­hologe Jo Groebel sieht genau darin den Grund für den Erfolg der Trödelscha­u: „Jeder Normalbürg­er träumt davon, im Keller oder auf dem Dachboden einen unentdeckt­en Schatz zu finden, der ihn reich machen könnte.“TV-Entertaine­r Thomas Gottschalk hat sich ganz andere Gedanken über „Bares für Rares“gemacht. In einer Talkshow beklagte er: „Ich habe eine Show gemacht mit Jean Paul Gaultier, Helene Fischer und Aerosmith. Aber keine Sau hat sich dafür interessie­rt. Wir hatten miese Quoten. Und dann macht das ZDF eine Sendung, in der ältere Menschen in Anglerjack­en ihre alten Kuckucksuh­ren in irgendeine Trödelabte­ilung bringen. Da sagt dann einer ,Ich geb’ dir 80 Euro dafür’. Das ist pure Langeweile, aber da gucken Millionen von Menschen zu.“

Auch der Ravensburg­er zählt nach wie vor zu den Fans der Trödelscha­u und guckt regelmäßig. Doch das Fazit seines Auftritts fällt nicht durchweg positiv aus: „Das war alles sehr unpersönli­ch und lief ab wie am Fließband. Mit dem Lichter habe ich zum Beispiel kein einziges persönlich­es Wort gewechselt.“

Na siehst du, Mama. Du hast also überhaupt nichts verpasst.

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FOTO: ZDF/FRANK W. HEMPEL Bevor es an den Händlertis­ch geht, werden die mitgebrach­ten Schätze begutachte­t, wie hier beispielsw­eise von Heide Rezepa-Zabel, die mit Horst Lichter zusammen am Expertenti­sch steht. Sie nimmt ein Schmuckstü­ck unter die Lupe.
 ?? FOTO: FRANK DICKS ?? Einige der Händler (v.li.): Walter Lehnertz, Susanne Steiger, Julian Schmitz-Avila, Wolfgang Pauritsch, Elisabeth Nödling, Fabian Kahl, Ludwig Hofmaier.
FOTO: FRANK DICKS Einige der Händler (v.li.): Walter Lehnertz, Susanne Steiger, Julian Schmitz-Avila, Wolfgang Pauritsch, Elisabeth Nödling, Fabian Kahl, Ludwig Hofmaier.
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