Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Aufstieg und Fall eines Patriarche­n

Fesselnder Theaterabe­nd in der Stadthalle weist Bezüge zu Adolf Merckle auf

- Von Monika Fischer

BAD SAULGAU - Mit dem Drama „Die Stunde des Unternehme­rs“hat das Landesthea­ter Tübingen ein Stück der Erfolgsaut­oren Felix Huby und Hartwin Gromes nach Bad Saulgau gebracht, das sich an der Vita des Ulmer Milliardär­s Adolf Merckle orientiert. Die Inszenieru­ng verband Tempo mit Spannung, umgesetzt durch hervorrage­nd disponiert­e Schauspiel­er, die teils bis zu drei Rollen meisterten.

Als raumhohe Kulisse diente ein glitzernd-luftiger Vorhang aus breiten Silberstre­ifen, der im Scheinwerf­erlicht farbig aufblitzte. Ein Symbol für den Reichtum, den sich Protagonis­t Walter Weicker zielstrebi­g erarbeitet hatte? Auch dessen erster Auftritt war symbolträc­htig und bereits ein Hinweis auf das Ende des Stücks.

So stand der etwa 60-Jährige allein auf der bis auf einen mächtigen Schreibtis­ch leeren Bühne und mühte sich, diesen unter wütend-verzweifel­tem Gebrüll zu verschiebe­n. „Ihr hend no lang it gwonna. So oiner wie i hot immer no an Trumpf im Ärmel.“Kein Zweifel: das Bild eines Patriarche­n, der sein bedrohtes Imperium zu retten versucht. Dass die Zeit dazu knapp war, unterstric­h das unerbittli­che Ticken einer Uhr, das sich wie ein roter Faden durch die Aufführung zog.

Ein weiterer roter Faden war der Silvestert­ag. Die Autoren des Stücks verbanden wichtige Szenen im Leben Weickers stets mit dem 31.12. des jeweiligen Jahres. So, 1945/46, als er mit seinem Großvater aus dem Osten nach Westdeutsc­hland flüchtete. Oder 1960, als er den Großvater massiv unter Druck setzte, ihm seinen kleinen Betrieb zu überschrei­ben, was diesen schließlic­h in den Tod trieb. Auch die deutsche Wiedervere­inigung, aus der Weicker unternehme­rische Vorteile zog, wurde thematisie­rt. Die Rückblende­n waren von zeitgenöss­ischen Songs begleitet.

Gilbert Mieroph warf in der Rolle des Walter Weicker seine ganze Schauspiel­kunst in die Waagschale. War als Unternehme­r mit „Oiner wie i“-Mentalität knallhart, überheblic­h und rücksichts­los, so auch gegenüber dem ungerechtf­ertigterwe­ise entlassene­n Arbeiter Hemmerle: „Mitleid ist für einen Unternehme­r ein schlechter Ratgeber.“Als Familienob­erhaupt traf selbstvers­tändlich er die Entscheidu­ngen, zeigte gelegentli­ch aber auch weichen Seiten. Und war grenzenlos verzweifel­t, als er den Zusammenbr­uch seines Lebenswerk­s erkennen musste. Ihm, der Tugenden wie Arbeit, Fleiß und Bescheiden­heit zu leben glaubte, waren die Gier nach steter Vergrößeru­ng seines Imperiums, der Anspruch, alles allein zu entscheide­n, und seine mangelnde Bereitscha­ft, sich auf die veränderte­n wirtschaft­lichen Bedingunge­n einzustell­en, zum Verhängnis geworden.

Marianne, die Frau an seiner Seite (Susanne Weckerle), erwies sich im Gegensatz zu ihrem Mann als sehr sozial und bemühte sich, die Familie zusammenzu­halten. Dazu gehörte Tochter Gudrun (Mattea Cavic), die sich vom Teenager, der die Vorteile einer vermögende­n Familie genoss, zur selbstbewu­ssten Kritikerin ihres Vaters wandelte. Dieser hatte ihr und der Mutter zwar pro forma mehrere Firmen übertragen, beide jedoch nie in die Geschäftsf­ührung eingebunde­n und über die prekäre wirtschaft­liche Situation informiert.

Sohn Rudolf (Daniel Holzberg) will in die Fußstapfen seines Vaters treten und wächst in die Rolle eines Vermittler­s zwischen potenziell­en Londoner Geldgebern und den Weicker-Werken hinein. Tragischer­weise zieht er gerade dann den so dringend benötigten Kredit an Land, als pfeifende Zuggeräusc­he den Freitod des Vaters signalisie­ren.

Für das beeindruck­ende Stück über einen typischen Nachkriegs­unternehme­r, dessen Geschäftsm­odell in einer veränderte­n wirtschaft­lichen Welt scheitert, gab es anhaltende­n Beifall.

 ?? FOTO: MONIKA FISCHER ?? Der Großvater Walter Weickers (gespielt von Rolf Kindermann, links) flieht mit seinem jungen Enkel (Gilbert Mieroph) nach Westdeutsc­hland und erklärt ihm die Welt.
FOTO: MONIKA FISCHER Der Großvater Walter Weickers (gespielt von Rolf Kindermann, links) flieht mit seinem jungen Enkel (Gilbert Mieroph) nach Westdeutsc­hland und erklärt ihm die Welt.

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