Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Badspiegel benachrichtigt den Arbeitgeber
Zukunftsforscher Kai Gondlach spricht auf dem Neujahrsempfang Mengen
ENNETACH - Es ist der 13. Januar 2030, nach dem Aufstehen fällt der erste Blick in den Badezimmerspiegel – und dieser verkündet: „Sie sind heute zu zwölf Prozent krank.“Parallel sieht man im Spiegel Daten zu seinem Blutdruck, und der Spiegel verschickt schon mal eine Meldung an den Arbeitgeber, dass man heute nicht zum Arbeiten kommt. Und er veranlasst, dass in der Küche nebenan ein gesunder Vitamindrink hergestellt wird: Zukunftsforscher Kai Arne Gondlach hat beim Neujahrsempfang am Sonntag im Bürgerhaus Ennetach darüber gesprochen, wie das Leben in der Zukunft aussehen könnte.
Der technische Fortschritt, manche Mengener sehen den mit gemischten Gefühlen. Im Vorfeld hat die Stadtverwaltung eine Umfrage unter Bürgern gemacht, beim Neujahrsempfang war das Video zu sehen. Ein älterer Bürger findet in dem Video, dass die Euphorie um die Digitalisierung zu groß sei, eine Bürgerin fragt nachdenklich mit Blick auf die nicht mehr ganz junge Generation: „Können wir da überhaupt noch mithalten?“Schuhmacher Burkhard Gans sieht die Sache ganz pragmatisch. „Was soll ich dazu sagen? Moderne Technik. Da kommen wir nicht drum herum. Mein Gott“, gibt er kurz und bündig zu Protokoll, was für Heiterkeit im Publikum sorgte.
„Herr Gondlach ist einer der ersten akademischen Zukunftsforscher Deutschlands. In seinem Arbeitsalltag beschäftigt er sich in den Studien und Analysen mit zukünftigen Lebenswelten, Geschäftsmodellen und Organisationsformen. Er stellt die entscheidenden, oft unbequemen Zukunftsfragen und sucht im Gespräch mit den wichtigsten Innovationsentscheidern der Welt nach Antworten“, kündigte Bürgermeister Stefan Bubeck den hochkarätigen Gast an.
Gondlach ist „Senior Researcher“im „2b Ahead Think Tank“, einem Trendforschungsinstitut. In seinem Vortrag präsentierte er erstaunliche, beängstigende, aber auch hoffnungsvolle Ideen und Visionen, wie das Leben in gar nicht mehr so ferner Zukunft aussehen könnte. Gondlach berichtete, dass er selbst einen Chip in der Hand habe, mit dem er bereits jetzt manche elektronischen Türen öffnen könne. „In weniger als fünf Jahren werde ich damit bei Edeka an der Kasse zahlen können“, meinte er. Er erzählte von Plänen, dass im Jahr 2040 Chips in ein Gehirn implantiert werden könnten, den Chip könnte man dann mit Wissen auffüllen oder umgekehrt das gesammelte Wissen und das Bewusstsein eines Menschen in einer Cloud hochladen. Er machte darauf aufmerksam, dass in der Welt der Computer gerade etwas Revolutionäres vor sich geht: Sogenannte Quantencomputer seien um ein vielfaches leistungsfähiger als herkömmliche Computer.
Ein anderes Beispiel: Jemand bewirbt sich um eine Stelle und muss im Bewerbungsverfahren mit einer sagt Kai Gondlach über einen Chip in seiner Hand. Maschine sprechen. „Acht Minuten mit so einer Maschine telefonieren, anschließend spuckt der Rechner ein Psychogramm aus“, sagte Gondlach – sprich die Maschine analysiert nicht das, was der Bewerber sagt, sondern wie er es sagt. Anhand der Stimme ziehen Maschine und Personalabteilung Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Bewerbers. Oder das selbstfahrende Auto: „Sie werden im Jahr 2030 auf einigen öffentlichen Straßen nicht mehr lenken dürfen. Auch in Deutschland. Da bin ich mir sehr, sehr sicher“, sagte er zu den Zuhörern. Allerdings habe die deutsche Automobilindustrie diesen Zukunftstrend verschlafen.
„In weniger als fünf Jahren werde ich damit bei Edeka an der Kasse zahlen können“,
Kleidung aus dem 3D-Drucker
Gondlach sprach über Lebensmitteln und Kleidung, die aus einem 3 DDrucker stammen. Von Organen, die mittels der menschlichen Stammzellen individuell auf Vorrat produziert werden könnten. Er machte darauf aufmerksam, wie viele Menschen derzeit auf der Warteliste für ein neues Organ stehen würden, sprich welche Chancen das für Betroffene bieten könnte. Gondlach sagte mehrmals, dass er diese Dinge nicht bewerte. Erst am Schluss seines Vortrags machte er darauf aufmerksam, dass der Einzelne aber nicht hilflos dem technischen Fortschritt gegenübersteht und selbst entscheiden kann, ja muss: „Sie haben jeden Tag in der Hand, zu entscheiden, ob Sie es gut finden oder nicht.“
Vier Bürgerinnen und Bürger wurden mit der silbernen Verdienstmedaille der Stadt ausgezeichnet. Darüber berichtet die „Schwäbische Zeitung“am Dienstag.