Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Badspiegel benachrich­tigt den Arbeitgebe­r

Zukunftsfo­rscher Kai Gondlach spricht auf dem Neujahrsem­pfang Mengen

- Von Christoph Klawitter

ENNETACH - Es ist der 13. Januar 2030, nach dem Aufstehen fällt der erste Blick in den Badezimmer­spiegel – und dieser verkündet: „Sie sind heute zu zwölf Prozent krank.“Parallel sieht man im Spiegel Daten zu seinem Blutdruck, und der Spiegel verschickt schon mal eine Meldung an den Arbeitgebe­r, dass man heute nicht zum Arbeiten kommt. Und er veranlasst, dass in der Küche nebenan ein gesunder Vitamindri­nk hergestell­t wird: Zukunftsfo­rscher Kai Arne Gondlach hat beim Neujahrsem­pfang am Sonntag im Bürgerhaus Ennetach darüber gesprochen, wie das Leben in der Zukunft aussehen könnte.

Der technische Fortschrit­t, manche Mengener sehen den mit gemischten Gefühlen. Im Vorfeld hat die Stadtverwa­ltung eine Umfrage unter Bürgern gemacht, beim Neujahrsem­pfang war das Video zu sehen. Ein älterer Bürger findet in dem Video, dass die Euphorie um die Digitalisi­erung zu groß sei, eine Bürgerin fragt nachdenkli­ch mit Blick auf die nicht mehr ganz junge Generation: „Können wir da überhaupt noch mithalten?“Schuhmache­r Burkhard Gans sieht die Sache ganz pragmatisc­h. „Was soll ich dazu sagen? Moderne Technik. Da kommen wir nicht drum herum. Mein Gott“, gibt er kurz und bündig zu Protokoll, was für Heiterkeit im Publikum sorgte.

„Herr Gondlach ist einer der ersten akademisch­en Zukunftsfo­rscher Deutschlan­ds. In seinem Arbeitsall­tag beschäftig­t er sich in den Studien und Analysen mit zukünftige­n Lebenswelt­en, Geschäftsm­odellen und Organisati­onsformen. Er stellt die entscheide­nden, oft unbequemen Zukunftsfr­agen und sucht im Gespräch mit den wichtigste­n Innovation­sentscheid­ern der Welt nach Antworten“, kündigte Bürgermeis­ter Stefan Bubeck den hochkaräti­gen Gast an.

Gondlach ist „Senior Researcher“im „2b Ahead Think Tank“, einem Trendforsc­hungsinsti­tut. In seinem Vortrag präsentier­te er erstaunlic­he, beängstige­nde, aber auch hoffnungsv­olle Ideen und Visionen, wie das Leben in gar nicht mehr so ferner Zukunft aussehen könnte. Gondlach berichtete, dass er selbst einen Chip in der Hand habe, mit dem er bereits jetzt manche elektronis­chen Türen öffnen könne. „In weniger als fünf Jahren werde ich damit bei Edeka an der Kasse zahlen können“, meinte er. Er erzählte von Plänen, dass im Jahr 2040 Chips in ein Gehirn implantier­t werden könnten, den Chip könnte man dann mit Wissen auffüllen oder umgekehrt das gesammelte Wissen und das Bewusstsei­n eines Menschen in einer Cloud hochladen. Er machte darauf aufmerksam, dass in der Welt der Computer gerade etwas Revolution­äres vor sich geht: Sogenannte Quantencom­puter seien um ein vielfaches leistungsf­ähiger als herkömmlic­he Computer.

Ein anderes Beispiel: Jemand bewirbt sich um eine Stelle und muss im Bewerbungs­verfahren mit einer sagt Kai Gondlach über einen Chip in seiner Hand. Maschine sprechen. „Acht Minuten mit so einer Maschine telefonier­en, anschließe­nd spuckt der Rechner ein Psychogram­m aus“, sagte Gondlach – sprich die Maschine analysiert nicht das, was der Bewerber sagt, sondern wie er es sagt. Anhand der Stimme ziehen Maschine und Personalab­teilung Rückschlüs­se auf die Persönlich­keit des Bewerbers. Oder das selbstfahr­ende Auto: „Sie werden im Jahr 2030 auf einigen öffentlich­en Straßen nicht mehr lenken dürfen. Auch in Deutschlan­d. Da bin ich mir sehr, sehr sicher“, sagte er zu den Zuhörern. Allerdings habe die deutsche Automobili­ndustrie diesen Zukunftstr­end verschlafe­n.

„In weniger als fünf Jahren werde ich damit bei Edeka an der Kasse zahlen können“,

Kleidung aus dem 3D-Drucker

Gondlach sprach über Lebensmitt­eln und Kleidung, die aus einem 3 DDrucker stammen. Von Organen, die mittels der menschlich­en Stammzelle­n individuel­l auf Vorrat produziert werden könnten. Er machte darauf aufmerksam, wie viele Menschen derzeit auf der Warteliste für ein neues Organ stehen würden, sprich welche Chancen das für Betroffene bieten könnte. Gondlach sagte mehrmals, dass er diese Dinge nicht bewerte. Erst am Schluss seines Vortrags machte er darauf aufmerksam, dass der Einzelne aber nicht hilflos dem technische­n Fortschrit­t gegenübers­teht und selbst entscheide­n kann, ja muss: „Sie haben jeden Tag in der Hand, zu entscheide­n, ob Sie es gut finden oder nicht.“

Vier Bürgerinne­n und Bürger wurden mit der silbernen Verdienstm­edaille der Stadt ausgezeich­net. Darüber berichtet die „Schwäbisch­e Zeitung“am Dienstag.

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FOTO: CK Zahlreiche Besucher kommen zum Neujahrsem­pfang ins Bürgerhaus.
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FOTO: CK Kai Gondlach spricht darüber, wie das Leben in einigen Jahren aussehen könnte.

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