Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
EU-Hilfsgelder versanden in Libyen
Fast 400 Migranten sind am Wochenende von der libyschen Küstenwache zurück in das nordafrikanische Land gebracht worden, meldete das italienische Innenministerium. Dessen Minister Matteo Salvini von der rechtsradikalen Partei Lega begrüßte diese Rückführung. „Die Zusammenarbeit mit diesem Land funktioniert“, erklärte Salvini. „Schlepper und Menschenhändler, allesamt Mafiosi, müssen begreifen, dass ihre Geschäfte mit den Flüchtlingen vorbei sind.“
Doch NGOs wie zum Beispiel Amnesty International und die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) sind darüber weit weniger erfreut. Die EU-Politik trage zur Misshandlung von Migranten in Libyen bei, monierte die Organisation in einem Bericht. Die Unterstützung der libyschen Küstenwache durch die EU und vor allem Italien trage erheblich dazu bei, dass Migranten abgefangen und anschließend unrechtmäßig und misshandelt in Haft säßen.
Unmenschliche Zustände
„Migranten und Asylsuchende, die in Libyen festgehalten werden, sind in einem Albtraum gefangen“, sagte Judith Sunderland, stellvertretende HRW-Direktorin für Europa und Zentralasien. Versuche, die Zustände zu verbessern, seien Feigenblätter und würden die EU nicht von ihrer Verantwortung entbinden, das „barbarische System“möglich gemacht zu haben. Menschenrechtler und auch das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) hatten in der Vergangenheit immer wieder die schrecklichen und unmenschlichen Zustände in den libyschen Flüchtlingslagern kritisiert.
„Menschen nach Libyen zurückbringen zu lassen, ist inhuman“, sagt auch Florian Westphal, Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland. Die Bundesregierung ignoriere den jüngsten UN-Bericht über die furchtbaren Zustände. Statt für ausreichend Seenotrettung zu sorgen, ziehe sich die Bundesregierung sogar aus der EU-Operation „Sophia“zurück, die zuletzt ohnehin kaum noch Menschen gerettet habe. Westphal: „Europa lässt Schutzsuchende ertrinken und zwingt die Überlebenden in akute Gefahr.“In den Lagern um Misrata und Choms befänden sich 930 Menschen, darunter Schwangere, Kleinkinder und Babys, unter schlimmsten Bedingungen.
Auch am Engagement der Küstenwache gibt es erhebliche Zweifel. „Die haben stundenlang nicht am Telefon geantwortet“, zitierten Italiens Tageszeitungen Mitarbeiter von NGOs. Die Verantwortlichen in Libyen wehren sich gegen die Vorwürfe. „Wir sind der Rettungspflicht nachgekommen“, so Admiral Ayoub Qassem, Sprecher der libyschen Küstenwache. Doch Qassem weist auch darauf hin, dass „wir nicht über die notwendigen Mittel verfügen, um bei der jeder Rettungssituation helfen zu können“.
Diese Argumentation verwundert. Denn in den vergangenen vier Jahren überwies die Europäische Union rund 338 Millionen Euro nach Libyen. Mit der ausdrücklichen Auflage, dieses Geld zur Modernisierung und Ausstattung der Küstenwache einzusetzen.
Auch Roms Regierungen haben in den vergangenen Jahren hohe Finanzmittel aus EU-Töpfen sowie Fregatten und hochmoderne Schlauchboote nach Libyen geschickt. Anscheinend wurde nie kontrolliert, ob diese Fahrzeuge jemals zum Einsatz kamen. In diesem Zusammenhang spricht die Tageszeitung „la Repubblica“von einer „teuren und unsinnigen Farce“.