Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Geschmacks­sache – Essen in Bus und Bahn gehört verboten

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Ach, wie waren die Zeiten köstlich, als wir das Wild gleich nach dem Erlegen mit Pfeil und Bogen an Ort und Stelle aufgebroch­en haben und dann laut schmatzend und kräftig kauend – das Feuer war schließlic­h noch nicht entdeckt – durch den Forst ge- zogen sind. Glauben zumindest die Menschen, die uns tagtäglich in Zug und Bus gegenübers­itzen und herzhaft wahlweise in den

Döner oder das vor

Öl triefende Lachsbrötc­hen beißen. Doch aufgepasst, werte Zeitgenoss­en, die Uhren sind nicht stehen geblieben, die Entwicklun­g des Homo sapiens ist beträchtli­ch vorangekom­men. Hoffen wir zumindest, auch wenn der Alltag uns immer wieder eines Besseren belehrt.

Kurzum: Das gesittete, regelmäßig­e Essen an einem Tisch – in der höchsten Evolutions­stufe gar mit Messer und Gabel und bar jeder Hektik – ist der wünschensw­erte Normalfall. Zumal die wenigsten in der Wohlstands­gesellscha­ft akut von Untergewic­ht bedroht sind und deshalb problemlos ein bis zwei Stunden auf die Nahrungszu­fuhr verzichten können. Das erspart den Mitreisend­en auf engstem Raum im Zweifelsfa­ll den beißenden Geruch von Zwiebeln, die Ketchupfle­cken auf Jacke und Sitz sowie die fettigen Fleischstü­cke, die hässlich am Absatz kleben. In diesem Sinne: Mahlzeit – außerhalb von Bus und Bahn!

d.uhlenbruch@schwaebisc­he.de

Ich pendele zwischen Lindau und Ravensburg mit dem Zug – jeden Tag eine Dreivierte­lstunde. Und wissen Sie, was das werktäglic­he Highlight eines jeden Zugpendler­s ist – mal abgesehen davon, dass der Zug pünktlich ist? Der heiße Kaffee im Thermobech­er. Der macht das Bahnfahren erst gemütlich.

Ich liebe diese 45 Minuten im Zug, in denen ich mich auf den Arbeitstag einstellen kann. Entweder ich lese Zeitung, überfliege E-Mails, döse vor mich hin oder höre Musik. Ich empfinde diese für mich qualitativ nutzbare Zeit als Privileg gegenüber jedem Autofahrer, der 500 Meter nebenan im Stau steckt und die Hand trotzdem nicht vom Steuer nehmen kann. Mag sein, dass Autofahrer flexibler sind als Zugpendler wie ich. Aber auf diese Flexibilit­ät kann ich verzichten, wenn ich dafür Komfort und Gemütlichk­eit gewinne. Dazu zählt eben auch Kaffee oder Tee zu trinken, ein Brötchen zu essen oder ein Stück Kuchen oder, nach der Arbeit, auch mal ein kühles Feierabend­bier zu genießen.

Geht dieses Privileg verloren, bei der Fahrt zu essen und zu trinken, wird es bald keine Pendler mehr geben. Davon bin ich überzeugt. Wer Essen und Trinken im Zug verbieten will, verhindert, dass Menschen überhaupt Zug fahren. Wer keine belegten Brötchen mitnehmen darf, wird nie wieder einen Zug besteigen.

m.scheyer@schwaebisc­he.de

Die Entwicklun­g des Homo sapiens ist vorangekom­men. Von Dirk Uhlenbruch Ohne Kaffee und Kuchen fährt niemand lange Strecken! Von Michael Scheyer

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