Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Columbus und die neue Welt
Nach dem Einstieg des Stuttgarter Kosmos-Verlags laufen die Geschäfte in Krauchenwies gut
KRAUCHENWIES - Der Krauchenwieser Columbus-Verlag ist ein echtes Familienunternehmen, obwohl die Familie Oestergaard bei dem Hersteller von Globen seit rund einem Jahr nicht mehr allein das Sagen hat. Wie das geht? Alle vier Familienmitglieder sind Teil der Firma: Neben Geschäftsführer Torsten und seiner Frau Kerstin scheinen auch die Kinder Niklas und Marcia ihren Platz gefunden zu haben. Durch den Verkauf von 51 Prozent der Anteile an den Stuttgarter Kosmos-Verlag wächst die Globus-Manufaktur stärker: Für Kosmos spritzt Columbus Spielzeugfiguren und stellt Globen für Kinder her.
Torsten Oestergaard (53) fegt an einem Freitagnachmittag mit einem Staubsauger durch den Eingangsbereich. Der Geschäftsführer des Columbus-Verlags hat schon öfter in seinem Berufsleben bewiesen, dass er mit anpacken kann. Als es darum ging, die Fachhändler von den Globen „Made in Krauchenwies“zu überzeugen, schaffte sich Oestergaard ein Wohnmobil an und tourte wie ein Vertreter monatelang durch Deutschland, Österreich und die Schweiz.
Im Wohnmobil vor den Werkstoren
Als in den Werkshallen des Columbus-Verlags damit begonnen wurde, Figuren für das weltbekannte Spiel „Die Siedler von Catan“zu spritzen, kam das Wohnmobil erneut zum Einsatz. Oestergaard schlief für anderthalb Wochen vor den Werkstoren, um nachts nach dem Rechten sehen zu können. Das Risiko einer Produktionsstörung war ihm zu groß.
Die „Siedler von Catan“stehen wie ein Spiegelbild für eine neue Spielzeugwelt bei Columbus. Als Michael Fleissner, der Mehrheitsgesellschafter des Kosmos-Verlags, und Torsten Oestergaard in München an der Isar spazieren gingen, klagte Fleissner darüber, dass eine chinesische Reederei pleite gegangen war und Hundertausende Seecontainer nicht gelöscht wurden. Der Krauchenwieser bot seinem Geschäftsfreund an, die Siedlerfiguren zu produzieren. Fleissner nahm nicht nur dieses Angebot an, er wollte gleich den gesamten Columbus-Verlag kaufen, doch das kam für die Familie Oestergaard nicht infrage.
Trotzdem hatte Oestergaard wegen der internationalen Vertriebskraft des Kosmos-Verlags Interesse an einer Zusammenarbeit der Unternehmen. Ein gutes Jahr, nachdem er 51 Prozent der Anteile an die Stuttgarter verkaufte, hat dies Oestergaard keinen Augenblick bereut: „Ich sehe keinen Nachteil, außer es ist einem wichtig, Dinge zu besitzen.“Alle paar Wochen trifft sich der Krauchenwieser Unternehmer mit Managern von Kosmos. Das Unternehmen ist etwa 20-mal so groß wie Columbus. Wichtige Dinge bespricht er aber am Wochenende mit seinem Gesellschafterkollegen Michael Fleissner beim Wandern oder Radfahren. „Wenn ich unsicher bin, schätze ich seine Erfahrung“, sagt Oestergaard.
Eine Schlüsselrolle im Verlag ist auf Oestergaards Sohn Niklas zugeschnitten: Nach einem Informatikstudium kehrte er 2016 nach Krauchenwies zurück. Der 23-Jährige ist seither für digitale Neuerungen und Sonderanfertigungen verantwortlich. Niklas Oestergaard ist Mitglied der Geschäftsführung und soll das Unternehmen langfristig führen. „Bei jedem wichtigen Gespräch ist er dabei“, sagt sein Vater.
Kerstin Oestergaard betritt den Besprechungsraum und sagt, dass alle Familienmitglieder aufeinander achten müssten, wenn sie unter einem Dach arbeiteten. „Wir begegnen uns auf Augenhöhe.“Sie selbst ist in der wohl ältesten Globus-Manufaktur der Welt für die mit SwarovskiSteinen verzierten Weltkugeln zuständig. Durch den Einstieg von Kosmos gelang es dem Krauchenwieser Verlag, sein Sortiment zu erweitern. Unter dem Namen von Kosmos produziert Columbus Kindergloben, die weniger als 40 Euro kosten, und somit neue Märkte erschließen. Im vergangenen Jahr wurden rund 50 000 Stück verkauft. Auch deshalb wuchs der Umsatz des Verlags zweistellig. Vor dem Einstieg setzten die Krauchenwieser rund fünf Millionen Euro um, Ziel war eine Verdopplung des Umsatzes.
Die Herstellung von Kindergloben und der Figuren der „Siedler von Catan“erhöhen nicht nur die Auslastung der Maschinen – statt in einer Schicht wird nun im Zwei- bis Drei-Schicht-Betrieb gearbeitet. Auch die Zahl der Beschäftigten steigt wieder stetig an: Aktuell arbeiten im Unternehmen 70 Mitarbeiter, vor dem Einstieg von Kosmos waren es knapp 50.
Dass Columbus mehr und mehr ein junges Image bekommt, hängt auch mit Marcia Oestergaard (19) zusammen, die in der Firma eine Ausbildung zur Industriekauffrau mit Zusatzqualifikation internationales Wirtschaftsmanagement macht. Nach dem Abitur wollte das jüngste Familienmitglied woanders einen längeren Ferienjob machen. Als dies nicht klappte, bot ihr der Vater eine Ausbildung an. Marcia Oestergaard reißt sich seither um jeden Messebesuch während sich ihr Bruder eher hinter den PC zurückzieht. „Sie ist eine Vertrieblerin durch und durch“, schwärmt der Vater. Es scheint so, dass die Tochter in dieser Beziehung eher seine Talente mitbekommen hat.
Nicht nur die Eltern, auch die Kinder der Unternehmerfamilien verstehen sich untereinander. Trotzdem haben die Gesellschafter für den Fall der Fälle vorgesorgt. Aktuell halten die Familie Fleissner 51 und die Familie Oestergaard 49 Prozent am Columbus-Verlag. Michael Fleissner: „Für den Fall, dass es in zukünftigen Generationen keine Einstimmigkeit mehr gibt, haben wir Regelungen getroffen.“Die Familie Oestergaard habe ein Vorkaufsrecht für die Anteile. Die Kinder könnten also, wenn es ihnen wichtig wäre, Kosmos wieder aus dem Columbus-Kosmos verdrängen.