Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Stadt verliert unverschul­det mehr als 700 000 Euro

Durch Insolvenze­n, Todesfälle und Umzüge kann die Stadt eine Vielzahl an Forderunge­n nicht mehr eintreiben

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Die Stadt Weingarten verzichtet auf knapp 710 000 Euro – allerdings nicht ganz freiwillig. Doch wegen einer Vielzahl an Gründen bleibt beziehungs­weise blieb den Stadträten gar nichts anderes übrig, als für den Vorschlag der Stadtverwa­ltung zu stimmen. Über Jahre hinweg hatten einige Weingarten­er Bürger Schulden bei der Stadt angehäuft, die sie nicht begleichen können. Einige sind insolvent, andere ins Ausland verzogen und wieder andere verstorben. Zumindest können sie die Schulden nicht mehr begleichen beziehungs­weise es gibt keine rechtliche Handhabe für die Stadt, an das Geld zu kommen. „Das gibt es eigentlich ständig“, sagt Weingarten­s Kämmerer Daniel Gallasch.

Etwas ungewöhnli­ch ist allerdings, dass der Betrag so hoch ist. Üblicherwe­ise sind es pro Jahr ein paar Tausend Euro – und das bei 7000 Mahnungen pro Jahr, um die sich zwei Vollzeitkr­äfte kümmern. Doch mit Hinblick auf die Hausumstel­lung von Kameralist­ik auf Doppik im laufenden Jahr wurde für die Haushaltsj­ahre 2017 und 2018 eine Vielzahl an Forderunge­n – Bußgelder, Mieten, Steuern – zusammenge­tragen und bewertet, ob noch Geld zu erwarten ist. „Das war eine Aufräumakt­ion“, erklärt Gallasch. „Wir haben da gesammelt. Das schleppen wir sonst nur mit.“Und so kamen im Jahr 2017 185 000 Euro, im vergangene­n Jahr 2018 sogar 525 000 Euro zusammen. Diese Beträge wurden in den jeweiligen Haushalten verbucht und damit auch abgeschrie­ben. Andernfall­s hätte die Stadt weiterhin ein höheres Eigenkapit­al ausgewiese­n, das aber gar nicht da ist.

Im Übrigen ist das Geld für die Stadt in der Theorie noch nicht ganz verloren. Denn die sogenannte Niederschl­agung ist eine verwaltung­sinterne Maßnahme. Die Stadt verzichtet nicht auf die Forderung. Sie nimmt nur Abstand von der Forderung. Sollte ein Gläubiger irgendwann doch wieder Geld zur Verfügung haben oder greifbar sein, könnte die Stadt versuchen, dieses einzuforde­rn. Doch davon ist eher nicht auszugehen. Schließlic­h ist ein jeder Fall komplizier­t. „Der Klassiker sind Insolvenze­n oder wenn Schuldner versterben“, sagt Gallasch. Im ersten Fall geht es meist um nicht bezahlte Gewerbeste­uern. „Wenn Insolvenzv­erfahren abgeschlos­sen sind, können sie nichts mehr holen“, erklärt Gallasch. Außerdem: „Die Schuldner haben meist auch bei anderen Schulden.“Im zweiten Fall, beim Tod eines Schuldners, hängt es von den Erben ab. Wenn die aber das Erbe ausschlage­n, hat die Stadt keine Möglichkei­t mehr, an das Geld zu kommen.

Schuldner im Ausland

Richtig komplizier­t wird es, wenn die Schuldner ins Ausland verzogen sind. In beinahe allen Fällen kann man dann nicht vollstreck­en. Denn die Bundesrepu­blik Deutschlan­d hat nur mit Österreich ein entspreche­ndes Abkommen. Mit anderen Ländern ist es schwierig, selbst innerhalb der Europäisch­en Union. Besonders komplizier­t ist es aber mit der Schweiz.

Wobei es sich bei den aktuellen Fällen handelt, darf Gallasch wegen des Steuergehe­imnisses nicht verraten. Er darf nicht einmal Hinweise geben, in welche Richtung es geht. Andernfall­s könnte er sich strafbar machen. Doch immerhin kann er sagen, dass es sich aktuell um 22 Hauptschul­dner dreht, wovon einer mehr als 100 000 Euro ausmacht. Die meisten anderen sind eher „kleinere“Posten, die etwas mehr als 10 000 Euro betragen. Genau das ist auch die Schwelle, an der der Gemeindera­t über die Niederschl­agung entscheide­n muss. Unter 10 000 Euro können Oberbürger­meister und Kämmerei die Beträge niederschl­agen.

Besonders schwierig wird es in Grauzonen. Gerade bei kleineren Betrieben überlegt die Stadtverwa­ltung zweimal, bevor sie nach den Mahnverfah­ren auch Beitreibun­gsverfahre­n und Pfändungen über den Gerichtsvo­llzieher anwendet. „Das ist gar nicht so einfach, das zu entscheide­n. Man hat auch eine soziale Verantwort­ung. Man muss aufpassen, dass man Firmen nicht kaputt macht“, sagt Gallasch. „Die Stadt ist so groß. Das bringt uns nicht um. Aber einen Handwerksm­eister kann das schon umhauen.“

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ARCHIVFOTO: KAPITZ Fall ein Gläubiger irgendwann wieder Geld zur Verfügung hat, könnte die Stadt versuchen, die Schuld einzuforde­rn.

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