Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Herzschmerz ohne Kitsch
Die Wahlberlinerin Gemma Ray spielt Tremolo-Gitarre mit dem Stahlmesser
Die Suche von Popkritikern nach Vorbildern hat Gemma Ray schon manch ehrenvollen Vergleich eingebracht. Dabei beweist die Engländerin und Wahlberlinerin auch auf ihrem achten Album große Eigenständigkeit.
Ihre Tremolo-Gitarre spielt sie auch mal mit einem Stahlmesser, unterlegt den satten Sound mit viel Hall und singt dazu mit dieser dunklen, voluminösen Stimme. Kein Zweifel: Die in Berlin lebende Britin Gemma Ray gehört zu den derzeit besonders eindrucksvollen, eigenständigen Singer-Songwriterinnen.
Vergleiche mit Lana Del Rey oder Amy Winehouse hat sie gar nicht nötig – erst recht nicht jetzt für ihr ausgereiftestes, bereits achtes Studioalbum „Psychogeology“(Bronzerat/ Soulfood). Und doch tauchen Namen von (noch) bekannteren Sängerinnen immer wieder auf, wenn es um die Musik der 38-Jährigen geht – auch Adele, Nancy Sinatra oder Dusty Springfield werden genannt. Ray nimmt es als Kompliment, zumindest aber mit Gelassenheit: „Die lustigen Vergleiche sind ja eigentlich die besten“, sagte sie vor einigen Jahren im Interview der Deutschen Presse-Agentur.
Mehr Bombast als früher
Die wieder in den „Candy Bomber Studios“im ehemaligen Flughafen Berlin-Tempelhof selbst produzierte Platte „Psychogeology“pendelt zwischen den von Ray wohlbekannten Stil-Koordinaten: Fifties-Pop, orchestraler Folk noir, Girlgroup-Chöre im Stil der 60er-Jahre („Dreaming Is Easy“), gar ABBA-Anklänge („In Colour“) – zehn tolle CinemascopeSoundgemälde, Herzschmerz ohne Kitsch.
Im Vergleich zu ebenfalls schon hervorragenden Alben wie „Island Fire“(2012) und „Milk For Your Motors“(2014) sind die neuen Lieder noch etwas prächtiger, bombastischer angelegt – ohne Gemmas große Stimme jemals zu verschütten. Am schönsten gelingt ihr der von einem wunderbar warmen Bass-Groove angetriebene Song „It’s Only Loneliness“– ein Karriere-Highlight. „Das Lied ist eine Umarmung für alle, die sich so fühlen“, sagt Gemma Ray dazu.