Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Streit um Kita-Gebühren
Grüne wollen Beiträge staffeln, die SPD sie abschaffen – Kritik von CDU und Verbänden
- Für einen Kita-Platz zahlen Eltern im Südwesten unterschiedlich viel, je nachdem, wo sie wohnen. Die SPD im Land kämpft dafür, die Gebühren für Kindergartenkinder komplett abzuschaffen, doch die grün-schwarze Landesregierung ist dagegen. Die Grünen hatten ein anderes Modell vorgeschlagen – doch bei der Umsetzung hakt es.
Seit einem Jahr sammelt die SPD in Baden-Württemberg Unterschriften für kostenlose Kita-Plätze. CDU und Grüne warnten vor allem vor den zusätzlichen Kosten für das Land. CDU-Kultusministerin Susanne Eisenmann rechnet mit rund 730 Millionen Euro pro Jahr, die Sozialdemokraten halten 530 Millionen Euro für realistisch.
Grünen-Landeschefin Sandra Detzer brachte Anfang 2019 eine andere Idee ins Spiel. Statt die Gebühren für alle zu streichen, sollten sich diese am Einkommen der Eltern orientieren. „Uns Grünen geht es um Qualität und Gerechtigkeit. Wir wollen jedem Kind einen hochwertigen Kita-Platz anbieten und gleichzeitig gezielt Familien mit geringem Einkommen entlasten.“
Man brauche jeden Cent, etwa für längere Öffnungszeiten, Sprachförderung oder die bessere Bezahlung des Personals. Außerdem müsse weiter Geld fließen, um mehr KitaPlätze zu schaffen. „Darum lehnen wir die SPD-Forderung nach kompletter Gebührenfreiheit ab“, heißt es in einem Papier, das die Landespartei beschloss.
Für die Umsetzung der Idee benötigen die Grünen die Kommunen. Jede Gemeinde kann selbst entscheiden, wie viel Geld sie verlangt. Eine landesweite Empfehlung gibt es: rund 115 Euro pro Monat für über Dreijährige bei sechs Stunden Betreuung, rund 335 Euro für jüngere Kinder. Daran müssen sich die Städte und Dörfer jedoch nicht halten. Sie sind aber verpflichtet, rund 65 Prozent der Kita-Betriebskosten zu zahlen. Die Elternbeiträge kommen dazu und decken je nach Kommunen zwischen zehn und 20 Prozent der Kosten. Den Rest teilen sich in der Regel die Städte und die Kita-Betreiber – also etwa die Kirchen. Bei städtischen Kindergärten zahlen die Gemeinden alles, was die Eltern mit ihren Gebühren nicht decken. Das Land überweist ihnen 2020 dafür etwa 1,9 Milliarden Euro.
Deswegen wollten die Grünen Anfang 2019 Gespräche mit den Kommunen führen: Es sollte eine Mustersatzung entstehen, die die Gemeinden anwenden können. Doch daraus wurde nicht viel. Die Interessenvertretungen der Kommunen lehnen die Idee rundweg ab. Sowohl der Städte- als auch der Gemeindetag haben deswegen nach einem Termin zum Thema nicht mehr offiziell mit den Grünen darüber verhandelt.
Die Verbände führen mehrere Gründe an. Zum einen gebe es bereits Modelle für gerechte Beiträge. Mal orientieren sich Ermäßigungen an der Kinderzahl einer Familie, mal gibt es Gutscheine für weniger wohlhabende Familien.
Wer Sozialhilfe oder Wohngeld bezieht, bekommt die Kita-Gebühren vom Jugendamt erstattet. Wer keine sozialen Leistungen bekommt, aber nur knapp mehr verdient als Berechtigte, erhält die Kita-Beiträge anteilig zurück.
Zum anderen beklagen Kommunen den hohen Verwaltungsaufwand des Grünen-Modells. Die Gemeinden müssten sich von den Eltern die Einkommensnachweise vorlegen lassen und die Angaben prüfen. Die Stadt Ravensburg hat das Modell durchgerechnet – und müsste nach eigenen Angaben zwei zusätzliche Mitarbeiter einstellen.
Grünen-Chefin Detzer überzeugen diese Argumente nicht. Sie wünscht sich weiter gestaffelte Elternbeiträge in möglichst vielen Kommunen. „Eine hochwertige frühkindliche Bildung und die Entlastung von Familien sind im Interesse von Land und Kommunen. Zahlreiche Beispiele wie Karlsruhe zeigen: Eine Einkommens-Staffelung der KitaBeiträge ist mit vertretbarem Aufwand machbar. Sollte bis zum Ende der Legislatur keine befriedigende Lösung erreicht sein, werden wir die Forderung nach sozial verträglichen Gebühren mit ins grüne Landtagswahlprogramm
nehmen“, sagte Detzer jetzt der „Schwäbischen Zeitung“.
SPD-Chef Andreas Stoch kritisiert: „Der Vorschlag der Grünen ist kein echter Lösungsvorschlag, aber er soll das wohl auch nicht sein. Seit seiner Vorstellung hat man nichts mehr davon gehört. Für mich sieht das wie ein reines Feigenblatt aus.“Die Betreuung der Kinder müsse kostenlos sein. Das Volksbegehren, das die Sozialdemokarten dazu angestoßen haben, liegt auf Eis. Denn das CDU-geführte Innenministerium hält es für nicht verfassungsgemäß – man dürfe die Bürger nicht über Dinge abstimmen lassen, die mit Gebührenfragen zu tun hätten. Dagegen hat die SPD geklagt, der Prozess läuft noch.
„Eine Staffelung bewirkt weniger, als man denkt. Es gibt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung, die aufzeigt, dass auch mit einer Staffelung der Gebühren Familien mit kleinen und mittleren Einkommen relativ weit stärker belastet werden als Familien mit höheren Einkommen“, begründet SPD-Mann Stoch seine Haltung. Bildung müsse grundsätzlich gebührenfrei angeboten werden, dafür zahlten die Bürger Steuern. Die Grünen müssten sich klar positionieren zu den Kernfragen: „Darf man für Bildung überhaupt Gebühren verlangen? Schulen kosten keine Gebühren, warum dann Kitas? Und würden die Grünen denn ein wie auch immer gestaffeltes Schuldgeld einführen?“