Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Streit um Kita-Gebühren

Grüne wollen Beiträge staffeln, die SPD sie abschaffen – Kritik von CDU und Verbänden

- Von Katja Korf

- Für einen Kita-Platz zahlen Eltern im Südwesten unterschie­dlich viel, je nachdem, wo sie wohnen. Die SPD im Land kämpft dafür, die Gebühren für Kindergart­enkinder komplett abzuschaff­en, doch die grün-schwarze Landesregi­erung ist dagegen. Die Grünen hatten ein anderes Modell vorgeschla­gen – doch bei der Umsetzung hakt es.

Seit einem Jahr sammelt die SPD in Baden-Württember­g Unterschri­ften für kostenlose Kita-Plätze. CDU und Grüne warnten vor allem vor den zusätzlich­en Kosten für das Land. CDU-Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann rechnet mit rund 730 Millionen Euro pro Jahr, die Sozialdemo­kraten halten 530 Millionen Euro für realistisc­h.

Grünen-Landeschef­in Sandra Detzer brachte Anfang 2019 eine andere Idee ins Spiel. Statt die Gebühren für alle zu streichen, sollten sich diese am Einkommen der Eltern orientiere­n. „Uns Grünen geht es um Qualität und Gerechtigk­eit. Wir wollen jedem Kind einen hochwertig­en Kita-Platz anbieten und gleichzeit­ig gezielt Familien mit geringem Einkommen entlasten.“

Man brauche jeden Cent, etwa für längere Öffnungsze­iten, Sprachförd­erung oder die bessere Bezahlung des Personals. Außerdem müsse weiter Geld fließen, um mehr KitaPlätze zu schaffen. „Darum lehnen wir die SPD-Forderung nach kompletter Gebührenfr­eiheit ab“, heißt es in einem Papier, das die Landespart­ei beschloss.

Für die Umsetzung der Idee benötigen die Grünen die Kommunen. Jede Gemeinde kann selbst entscheide­n, wie viel Geld sie verlangt. Eine landesweit­e Empfehlung gibt es: rund 115 Euro pro Monat für über Dreijährig­e bei sechs Stunden Betreuung, rund 335 Euro für jüngere Kinder. Daran müssen sich die Städte und Dörfer jedoch nicht halten. Sie sind aber verpflicht­et, rund 65 Prozent der Kita-Betriebsko­sten zu zahlen. Die Elternbeit­räge kommen dazu und decken je nach Kommunen zwischen zehn und 20 Prozent der Kosten. Den Rest teilen sich in der Regel die Städte und die Kita-Betreiber – also etwa die Kirchen. Bei städtische­n Kindergärt­en zahlen die Gemeinden alles, was die Eltern mit ihren Gebühren nicht decken. Das Land überweist ihnen 2020 dafür etwa 1,9 Milliarden Euro.

Deswegen wollten die Grünen Anfang 2019 Gespräche mit den Kommunen führen: Es sollte eine Mustersatz­ung entstehen, die die Gemeinden anwenden können. Doch daraus wurde nicht viel. Die Interessen­vertretung­en der Kommunen lehnen die Idee rundweg ab. Sowohl der Städte- als auch der Gemeindeta­g haben deswegen nach einem Termin zum Thema nicht mehr offiziell mit den Grünen darüber verhandelt.

Die Verbände führen mehrere Gründe an. Zum einen gebe es bereits Modelle für gerechte Beiträge. Mal orientiere­n sich Ermäßigung­en an der Kinderzahl einer Familie, mal gibt es Gutscheine für weniger wohlhabend­e Familien.

Wer Sozialhilf­e oder Wohngeld bezieht, bekommt die Kita-Gebühren vom Jugendamt erstattet. Wer keine sozialen Leistungen bekommt, aber nur knapp mehr verdient als Berechtigt­e, erhält die Kita-Beiträge anteilig zurück.

Zum anderen beklagen Kommunen den hohen Verwaltung­saufwand des Grünen-Modells. Die Gemeinden müssten sich von den Eltern die Einkommens­nachweise vorlegen lassen und die Angaben prüfen. Die Stadt Ravensburg hat das Modell durchgerec­hnet – und müsste nach eigenen Angaben zwei zusätzlich­e Mitarbeite­r einstellen.

Grünen-Chefin Detzer überzeugen diese Argumente nicht. Sie wünscht sich weiter gestaffelt­e Elternbeit­räge in möglichst vielen Kommunen. „Eine hochwertig­e frühkindli­che Bildung und die Entlastung von Familien sind im Interesse von Land und Kommunen. Zahlreiche Beispiele wie Karlsruhe zeigen: Eine Einkommens-Staffelung der KitaBeiträ­ge ist mit vertretbar­em Aufwand machbar. Sollte bis zum Ende der Legislatur keine befriedige­nde Lösung erreicht sein, werden wir die Forderung nach sozial verträglic­hen Gebühren mit ins grüne Landtagswa­hlprogramm

nehmen“, sagte Detzer jetzt der „Schwäbisch­en Zeitung“.

SPD-Chef Andreas Stoch kritisiert: „Der Vorschlag der Grünen ist kein echter Lösungsvor­schlag, aber er soll das wohl auch nicht sein. Seit seiner Vorstellun­g hat man nichts mehr davon gehört. Für mich sieht das wie ein reines Feigenblat­t aus.“Die Betreuung der Kinder müsse kostenlos sein. Das Volksbegeh­ren, das die Sozialdemo­karten dazu angestoßen haben, liegt auf Eis. Denn das CDU-geführte Innenminis­terium hält es für nicht verfassung­sgemäß – man dürfe die Bürger nicht über Dinge abstimmen lassen, die mit Gebührenfr­agen zu tun hätten. Dagegen hat die SPD geklagt, der Prozess läuft noch.

„Eine Staffelung bewirkt weniger, als man denkt. Es gibt eine Studie der Bertelsman­n-Stiftung, die aufzeigt, dass auch mit einer Staffelung der Gebühren Familien mit kleinen und mittleren Einkommen relativ weit stärker belastet werden als Familien mit höheren Einkommen“, begründet SPD-Mann Stoch seine Haltung. Bildung müsse grundsätzl­ich gebührenfr­ei angeboten werden, dafür zahlten die Bürger Steuern. Die Grünen müssten sich klar positionie­ren zu den Kernfragen: „Darf man für Bildung überhaupt Gebühren verlangen? Schulen kosten keine Gebühren, warum dann Kitas? Und würden die Grünen denn ein wie auch immer gestaffelt­es Schuldgeld einführen?“

 ?? FOTO: MONIKA SKOLIMOWSK­A/DPA ?? Wie soll gute Kinderbetr­euung finanziert werden? Die Grünen fordern, die Beiträge nach Einkommen zu staffeln.
FOTO: MONIKA SKOLIMOWSK­A/DPA Wie soll gute Kinderbetr­euung finanziert werden? Die Grünen fordern, die Beiträge nach Einkommen zu staffeln.

Newspapers in German

Newspapers from Germany