Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Reaktionen nach Hanau
Politiker haben am Donnerstag mit Entsetzen auf die mutmaßlich rechtsextremen Morde von Hanau reagiert. Benjamin Strasser, FDP-Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Ravensburg und Innenexperte, fordert eine detaillierte Aufarbeitung. „Wie konnte es zu dieser Tat kommen? In welchem Umfeld haben sich der/die Täter bewegt?“, fragte er in der „Schwäbischen Zeitung“. Rechtsterror in Deutschland sei kein neues Phänomen. „Umso mehr würde es sich für alle gehören, sich nicht mit Forderungen zu überbieten, sondern heute an die Opfer zu denken.“CDU-Chefin Annegret KrampKarrenbauer sagte, sie fühle sich darin bestärkt, dass es keine Kooperation geben dürfe mit der AfD, die „Rechtsextreme, ja, ich sage auch ganz bewusst
Nazis, in ihren eigenen
Reihen duldet und die eine Grundlage legt, auch in der politischen Diskussion, für genau dieses Gedankengut“, sagte KrampKarrenbauer in Paris. Auch SPDGeneralsekretär Lars Klingbeil bezeichnete die AfD als „politischen Arm der extremen Rechten“. Die Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck forderten: „Es gilt, Rechtsextremismus und Rassismus jeden Tag die Stirn zu bieten, auf allen Ebenen: im Alltag und in der Gesellschaft.“Die Parteichefs beklagten „den Hass, der da gewirkt hat, der sich seit Jahren durch unser Land frisst: Er breitet sich im Netz aus und wird zu brutaler Wirklichkeit.“(sz/dpa/AFP)
Auf rein sachlicher Ebene, nach aktuellem Stand: nein. Es liegen bislang keine Hinweise vor, dass es Bezüge zwischen dem harten Schlag des Rechtsstaats gegen den Rechtsextremismus, gegen Rechtsterrorismus, in der vergangenen Woche und der Tat in Hanau geben könnte. Auf einer höheren Ebene: selbstverständlich ja. Die schreckliche Tat von Hanau und die Terrorzelle sind zwei Symptome derselben Krankheit. Als Lukas Bärfuss im letzten Jahr den Georg-Büchner-Preis erhielt, hat er in seiner klugen Rede gesagt, die Nazis seien nicht wieder da, sondern sie seien nie weg gewesen.
Wie lassen sich weitere Taten wie in Hanau verhindern?
Die traurige Wahrheit, die mich schmerzt, die ich Ihnen aber sagen muss, lautet: Es wird nicht gelingen, jedes schlimme Verbrechen zu verhindern, besonders wenn es sich um Einzeltäter handelt, die wenig kommunizieren. Wir müssen aber alles, alles dafür tun, dass die Sicherheitsbehörden in der Lage sind, Verbrechen nicht nur aufzuklären, sondern bestmöglich zu verhindern. Ich bin daher dem Landtag sehr dankbar, dass er im vergangenen Jahr meinem Vorschlag für ein Sonderprogramm Rechtsextremismus gefolgt ist und das Geld dafür bewilligt hat.
Nach NSU und Lübcke-Mord: Unterschätzen Polizei und Verfassungsschutz die Gefahr von rechts?
Rechter Terror – ich spreche vom Nationalsozialistischen Untergrund – hat eine grausam-bestialische Blutspur durch Deutschland gezogen. Da kann man nichts unterschätzen. Ich warne seit Jahren vor den Gefahren des Rechtsextremismus. Deshalb stärken wir die Polizei und den Verfassungsschutz, auch und gerade im Kampf gegen Rechtsextremismus. Mir läuft es eiskalt den Rücken herunter, wenn im politischen Diskurs diejenigen, die Polizei und Verfassungsschutz ständig misstrauen, zugleich diejenigen sind, die ein härteres Vorgehen gegen den Rechtsterror fordern. Es gibt im Kampf gegen Rechtsextremismus keinen entschiedeneren Kämpfer als mich – doch ich weiß auch: Wir müssen unseren Sicherheitsbehörden dafür die notwendigen Instrumente geben!
Müssen Einrichtungen, in denen sich Muslime treffen, analog zu Synagogen und anderen Gebetshäusern besser geschützt werden?
Wir müssen alles dafür tun, dass die Menschen – unabhängig von Alter, von Geschlecht, von Religionszugehörigkeit, von was auch immer – so sicher wie nur irgend möglich leben können. Schon vor den jüngsten Vorfällen standen Moscheen in Baden-Württemberg
Unsere Demokratie ist nicht die Weimarer Republik. Doch ich hätte noch vor einigen Jahren nicht erwartet, dass in Deutschland flächendeckend Rassisten, Antisemiten und Nazis in Parlamente gewählt werden. Das ist nun geschehen. Deshalb gilt, wahrscheinlich mehr als je zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, dass wir unsere Freiheit, unsere Demokratie, unseren Rechtsstaat nicht für selbstverständlich nehmen dürfen, immer wieder dafür kämpfen müssen und keinen Fußbreit weichen. Die größte Gefahr für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung ist vielleicht nicht, dass sie zu viele Gegner haben könnte, sondern zu wenige Verbündete, die sie aktiv unterstützen. Das ist schon eine erschreckende Parallele zu den Roaring Twenties im 20. Jahrhundert. Es ist und bleibt halt wahr: Die schlimmsten Fehler macht man, wenn es einem zu gut geht.