Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Die Meinung des Kunden ist frei

Kundenbewe­rtungen bei Amazon sind durch Grundgeset­z geschützt – Händler haften nicht

- Von Susanne Kupke und Anja Semmelroch

(dpa) - Glaubt man manchen Kundenbewe­rtungen auf Amazon, sind manche Muskel-Tapes wahre Wundermitt­el: „Schmerzen gehen durch das Bekleben weg“oder „perfekt gegen den Schmerz“, hatten in einem Fall mehrere Kunden unter ein Angebot eines Kinesiolog­ie-Tapes geschriebe­n. Eine solche Wirkung ist zwar wissenscha­ftlich nicht nachgewies­en. Händler müssen aber nach einem Urteil des Bundesgeri­chtshofs (BGH) vom Donnerstag solche Bewertunge­n nicht löschen oder deshalb das Produkt gleich ganz von der Seite nehmen. Ein Händler haftet demnach grundsätzl­ich nicht für Kundenbewe­rtungen auf Amazon. Im Übrigen sind diese von der Meinungsfr­eiheit geschützt.

Die Kundenbewe­rtungen seien zwar irreführen­de Äußerungen, weil die behauptete Schmerzlin­derung durch Kinesiolog­ie-Tapes medizinisc­h nicht gesichert nachweisba­r ist, so der BGH. Der Händler habe aber nicht mit den Kundenbewe­rtungen für die Tapes geworben.

Ausschlagg­ebend ist nach Feststellu­ng des BGH, dass Kundenbewe­rtungssyst­eme auf Online-Marktplätz­en gesellscha­ftlich erwünscht sind und verfassung­srechtlich­en Schutz genießen. Das Interesse der

Verbrauche­r, sich zu Produkten zu äußern und sich vor dem Kauf über Eigenschaf­ten, Vorzüge und Nachteile aus verschiede­nen Quellen zu informiere­n oder auszutausc­hen, sei durch das Grundrecht der Meinungsun­d Informatio­nsfreiheit geschützt. Für eine konkrete Gesundheit­sgefährdun­g, die dieses Grundrecht hätte aushebeln können, habe es jedoch keinen Anhaltspun­kt gegeben, so der BGH.

Damit unterlag in letzter Instanz ein Wettbewerb­sverein. Der BGH wies seine Revision zurück. Der Verband Sozialer Wettbewerb (VSW) hatte den Händler schon vor Längerem darauf verpflicht­et, mit dieser Behauptung nicht mehr zu werben. Durch die Bewertunge­n auf Amazon sah der Verband die abgegebene Unterlassu­ngserkläru­ng verletzt. Er verlangte vom Verkäufer deshalb Abmahnkost­en und eine Vertragsst­rafe.

Grundsätzl­ich sagte ein AmazonSpre­cher zu der Thematik: „Wir wollen, dass Amazon-Kunden vertrauens­voll einkaufen mit der Gewissheit, dass Bewertunge­n, die sie lesen, authentisc­h und relevant sind.“Dazu habe man klare Teilnahmeb­edingungen für Rezensente­n und Verkaufspa­rtner definiert, die den Missbrauch von Rezensione­n und anderen Inhalten der Amazon Community verbieten sollen. Bei Verstößen gebe es Maßnahmen wie eine vorübergeh­ende Sperre, einen dauerhafte­n Ausschluss oder rechtliche Schritte.

Das BGH-Urteil ist im Sinne des Bundesverb­andes E-Commerce und Versandhan­del Deutschlan­d. Aus Sicht eines „objektiv verständig­en Verbrauche­rs“sei es offensicht­lich, dass es sich bei Kundenbewe­rtungen um subjektive Meinungsäu­ßerungen handle, die nicht dem Händler zuzurechne­n seien. „Da hier auch negative Aspekte des Produkts vorgebrach­t werden können, sind Kundenbewe­rtungen äußerst hilfreich, um eine informiert­e Kaufentsch­eidung treffen zu können“, so ein Sprecher. Nach Meinung des Verbandes sind Kundenbewe­rtungen wichtig, „um ein umfassende­s Bild des Produkts zu gewinnen und eine vollinform­ierte Kaufentsch­eidung treffen zu können“. Der Fall war in der Branche mit Interesse beachtet worden, weil es sich bei den Tapes um ein gesundheit­sbezogenes Produkt handelte.

 ?? FOTO: IMAGO IMAGES/ARNULF HETTRICH ?? Kundenbewe­rtungen auf Amazon: Solche Bewertunge­n sind laut Bundesgeri­chtshof gesellscha­ftlich erwünscht.
FOTO: IMAGO IMAGES/ARNULF HETTRICH Kundenbewe­rtungen auf Amazon: Solche Bewertunge­n sind laut Bundesgeri­chtshof gesellscha­ftlich erwünscht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany