Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Nach der Windkrise droht die Solarkrise
Das Gezerre um den Förderdeckel für Solarprojekte treibt die Branche auf die Barrikaden
- In der Debatte um den weiteren Ökostromausbau warnt der Bundesverband Solarenergie (BSW) vor einem Stellenabbau in der Branche. „Es geht um die künftige Energieversorgung, es geht aber auch um Tausende Arbeitsplätze“, sagte Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig dieser Zeitung. Körnig geht von 30 000 Beschäftigten allein in der Solarbranche aus.
Hintergrund ist der bald erreichte Förderdeckel der Regierung für Solarprojekte. Derzeit ist laut Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) nur eine Förderung bis zu einer Obergrenze von 52 Gigawatt installierter Gesamtleistung möglich. Diese könnte bereits im Laufe des Monats März erreicht sein. „Aus der Branche hören wir, dass bereits jetzt erste Projekte aufgrund der Unsicherheit nicht mehr umgesetzt werden“, berichtet Körnig. Ihm sind rund ein Dutzend Projekte bekannt, die aufgrund dieser Unsicherheit schon jetzt keine Finanzierung durch Banken mehr erhalten. „Noch dieses Frühjahr droht ein faktischer Ausbaustopp der Photovoltaikanlagen auf Gebäuden.“
In der Großen Koalition herrscht eigentlich Einigkeit darüber, den Solardeckel abzuschaffen. Dieser ist jedoch zur Verhandlungsmasse im Streit um pauschale Abstandsregelungen von Windkraftanlagen zu Wohnsiedlungen geworden. Die Union macht hier eine Zustimmung der SPD für ein Aus des Solardeckels zur Bedingung. Die Verhandlungen darüber finden momentan vor allem auf Fraktionsebene statt. „Wir hoffen auf eine zügige Einigung“, sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums dieser Zeitung. Minister Peter Altmaier (CDU) äußerte sich zuletzt optimistisch, dass eine Einigung bis zu einem Bund-Länder-Treffen Mitte März gelingen werde.
Der Druck auf die Akteure ist groß: Angesichts von Kohle- und Atomausstieg müssen Erneuerbare Energien einen Anteil von 65 Prozent bis 2030 erreichen. Aufgrund der Unsicherheiten im Bereich der Windenergie ist der Neubau von Windrädern allerdings nahezu zum Erliegen gekommen. Nun dürfe es nicht auch noch „zu einem fahrlässig herbeigeführten Ausbaustopp für Photovoltaik kommen“, warnt auch die Chefin des Bundesverbands der Energieund Wasserwirtschaft (BDEW), Kerstin Andreae.
Ähnlich argumentiert auch der Forschungsverbund Erneuerbare Energien (FVEE). Um die Klimaschutzziele der Bundesregierung zu erreichen und den Energiebedarf in den unterschiedlichen Sektoren bis 2050 überwiegend aus erneuerbaren Energieträgern zu decken, seien bis zu 500 Gigawatt installierter Photovoltaikleistung
nötig, heißt es in einer Stellungnahme des Verbands, dem eine Reihe namhafter Forschungsinstitute, darunter die Fraunhofer Insititute, das Karlsruher Institut für Technologie und das Helmholtz Zentrum für Umweltforschung angehören.
Auch aus ökonomischer Sicht sei eine Deckelung nicht mehr notwendig, so die FVEE-Forscher. Durch das monatliche Absinken der Einspeisevergütung werde die Vergütung von neu installierten Anlagen ab den 2020er-Jahren die Strompreise kaum noch beeinflussen. In den vergangenen zehn Jahren seien die Systempreise für schlüsselfertige Photovoltaikanlagen um 75 Prozent gesunken. Bei einer Lernrate von 15 Prozent würden die Stromgestehungskosten ab 2030 für Dachanlagen unter 4,7 und für Freiflächenanlagen sogar unter 2,4 Cent pro Kilowattstunde fallen. Selbst kleine Dachanlagen, so der FVEE, würden Strom dann günstiger erzeugen als neu errichtete Steinkohleoder Gas- und Dampf-Kraftwerke.
Christoph Ostermann, Chef des Energieunternehmens Sonnen aus Wildpoldsried im Allgäu, drängt darauf, schnell Rechtssicherheit für die gesamte Branche zu schaffen. „Ein Engpass im Zubau sind jetzt schon die Kapazitäten der Handwerksbetriebe. Mit einer solchen Unsicherheit wie aktuell können es sich kleine Handwerksbetriebe nicht leisten, Investitionen zu tätigen und Personal einzustellen“, sagt Ostermann. Im schlimmsten Fall würde der Förderdeckel erreicht, bevor sich die Koalition auf eine rechtskräftige Aufhebung einigt. „Die Folge wäre ein völlig vermeidbarer Rückschlag für den Zubau der erneuerbaren Energien und das in einer Zeit, in der immer mehr Haushalte auf selbst erzeugten Solarstrom umsteigen wollen.“
Im Handwerk blickt man zwiespältig auf die Verhandlungen der Großen Koalition über die Abschaffung des Förderdeckels. „Daraus entstehen freilich Aufträge für die Handwerksbetriebe“, sagt Tobias Mehlich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Ulm. „Aber: Jedes Mal, wenn eine Photovoltaikanlage verbaut wird, finanziert der Handwerksbetrieb über die EEGUmlage die Förderung dieser gerade montierten Anlage mit.“
Die meisten Handwerksbetriebe bezahlten überproportional viel EEG-Umlage, auch aufgrund der Ausnahmeregelungen der großen Unternehmen, die subventioniert werden und allein von günstigen Strompreisen an der Strombörse profitierten. Diese Lastenverteilung sei einseitig, so Mehlich, und beschädige die Wirtschaftsleistung der Handwerksbetriebe in der Fläche. „Wir wünschen uns, dass die Finanzierungsstruktur endlich angepasst wird. Die EEG-Umlage muss weg, wenn die CO2-Bepreisung da ist.“