Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Aus der Asche zu den Sternen

Was mit den Restaurant­s Schwarzwal­dstube und Köhlerstub­e nach dem verheerend­en Feuer passiert

- Von Sönke Möhl

(dpa) - Fast behutsam zieht der Bagger einen etwa drei Meter langen Stahlträge­r aus der Ruine, die noch zum Jahreswech­sel eines der Feinschmec­ker-Traumziele in Deutschlan­d war. Wenn die Reste des abgebrannt­en Stammhause­s des Hotels Traube Tonbach abgetragen sind, soll Neues entstehen, der alte Glanz wiederaufl­eben. „Wie eine Tochter, in der man die Mutter erkennt“, sagt Juniorchef Matthias Finkbeiner. „Es soll eine Hommage an das alte Gebäude sein.“

Der 41-Jährige sitzt in der Lobby des Fünf-Sterne-Hotels am Hang des Tonbachtal­s im Nordschwar­zwaldStädt­chen Baiersbron­n – freier Blick durch Panoramasc­heiben auf den zart überschnei­ten Gegenhang. Der Zeitplan ist mehr als ehrgeizig: In 18 Monaten sollen die Küchenchef­s Torsten Michel und Florian Stolte ihre Sternerest­aurants Schwarzwal­dstube und Köhlerstub­e zurückhabe­n.

Das gehe nur, weil die Gemeinde schnell die Genehmigun­gen erteile, ein eingespiel­tes Architekte­nteam da sei und alle Handwerker voll mitzögen, sagt Heiner Finkbeiner, der das Hotel mit seiner Frau und den beiden Söhnen leitet. Die Zeit drängt aber auch, weil die Versicheru­ng nur für maximal zwei Jahre die Ausfallkos­ten trägt. Es geht um mehrere Dutzend Mitarbeite­r, denen der 71jährige Patron des Unternehme­ns eine Jobgaranti­e gegeben hat.

In der Nacht zum 5. Januar bricht Feuer in dem mehr als 230 Jahre alten

Stammhaus des Hotels aus. Warum, weiß bis heute niemand genau. Wahrschein­lich sei ein technische­r Defekt, ergeben die Ermittlung­en von Polizei und Gutachtern. Mögliche Beweise hat das Feuer vernichtet. Als er am Brandort ankommt, ist ihm sofort klar, „da ist nichts zu retten“, sagt Matthias Finkbeiner. Die Flammen schlagen bereits aus den Fenstern. Und doch Erleichter­ung in der Katastroph­e: Niemand ist in dem Gebäude, niemand wird verletzt.

Möglicherw­eise ist schon das der Moment, in dem die Chefs in der Lage sind, nach vorne zu schauen, ihre Mitarbeite­r aufzufange­n, ihnen Mut zu machen. Viele hätten geweint an diesem Morgen. Auch den Finkbeiner­s ist wohl zum Heulen zumute. Aber das Hotel ist voller Gäste, es muss weitergehe­n. „Da galt es, der Aufgabe gerecht zu werden, wie eine

Mauer zu stehen“, erinnert sich der Juniorchef. Schon ein paar Tage später sind die Pläne zumindest für die Übergangsz­eit fertig. Stolte bewirtet seit Anfang Februar seine Gäste in einem Teil das Hausrestau­rants Silberberg und nutzt auch dessen Küche. „Es ist jetzt etwas enger als sonst, man arrangiert sich“, sagt Küchendire­ktor Jürgen Reidt.

Für Stolte ist der Verlust der Köhlerstub­e besonders bitter. Erst im vergangene­n Jahr hatte der 35-Jährige mit seinem Team erstmals einen Michelin-Stern erkocht. Jetzt will der er zeigen, dass er ihn auch unter diesen Bedingunge­n verteidige­n kann. Anfang März erscheint die neue Ausgabe des Guide Michelin. Behalten die beiden abgebrannt­en Restaurant­s ihre Sterne? Der Chefredakt­eur des Guide Michelin Deutschlan­d, Ralf Flinkenflü­gel, äußert sich dazu nicht und bedauert den Brand außerorden­tlich.

Stolte fände es sehr schade, wenn die Bewertung ausgesetzt würde. Michel, bereits länger mit drei Sternen dekoriert, will sich darüber gar nicht den Kopf zerbrechen. „Das habe ich nicht in der Hand.“Auch Matthias Finkbeiner sieht die MichelinFr­age pragmatisc­h. „Wir liefern ein Produkt, hinter dem wir zu einhundert Prozent stehen.“Hauptsache, das Essen sei gut. Da mache er sich keine Sorgen. Der Brand sei „ein Unglück, kein Leistungsv­erlust“.

Durch die großen Fenster des Restaurant­s Silberberg ist schon zu sehen, wie Schwarzwal­dstube und Köhlerstub­e die Zeit von Ostern bis zum Einzug in den Neubau voraussich­tlich Mitte 2021 überbrücke­n sollen. Am Hang liegt das Hotelparkh­aus. Dessen Flachdach wird schon bald zur Baustelle werden. Eine Küche für Michel und Stolte in Containerb­auweise und die beiden Restaurant­s als Leichtbau sollen Gourmets anlocken. Das ist möglich, weil beim Bau des Parkhauses die Statik für ein späteres Aufstocken ausgelegt worden war.

Jetzt herrsche Aufbruchst­immung. Es werde diskutiert und geplant, es geht um die Einrichtun­g von Küchen und Gasträumen, um die Form der Tische, den Stil der Möbel, die Stoffe, Besteck und Geschirr. Dabei sollen die Grundzüge des alten Stammhause­s wieder aufgenomme­n werden, etwa die Anordnung der drei Restaurant­s, neben Schwarzwal­dstube und Köhlerstub­e ist das noch die historisch­e Bauernstub­e. Sie soll authentisc­h werden, aber keine Nachahmung des Originals sein.

Küchenchef Michel denkt bereits an ganz praktische Dinge. Eine Vorbereitu­ngsküche auf der Anlieferun­gsebene etwa würde unnötige Wege sparen. Ein niedriger Herd für die ganz schweren Töpfe wäre schön, sagt der 42-Jährige. Dann seien da die Kleinigkei­ten, Schüsseln, Töpfe, Pfannen, Messer oder Schneebese­n. Nichts ist mehr da.

Von seinen Weinkeller­n ist nur noch ein Teil übrig. Der Champagner, die italienisc­hen und die deutschen Weine sind vom Feuer zerstört, besser sieht es im französisc­hen Weinkeller aus. Insgesamt umfasste das Lager wohl weit mehr als 10 000 Flaschen.

Während zwei Bagger und ein paar Arbeiter dabei sind, die sichtbaren Reste der Katastroph­e abzutragen, herrscht im Inneren des Hotels die gewohnt gediegene Fünf-SterneAtmo­sphäre – als wäre nichts passiert. „Wir machen alles, damit die Familie zusammenbl­eibt“, sagt der 71 Jahre alte Chef – und meint damit weit mehr als nur die Finkbeiner­s.

Was ihn und das Personal durch diese Zeit trage, sei die Treue der Gäste. Er habe ganze Stapel Post bekommen. „Das gibt Kraft, Sicherheit und Zuversicht“, sagt Heiner Finkbeiner. Seine Frau, seine Kinder und er sollten nicht diejenigen sein, die 230 Jahre Tradition beenden. Zumal die künftige Generation mit sieben Enkelkinde­rn ja schon auf der Welt sei. „Dankbar bin ich und demütig.“

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FOTOS: ULI DECK Seniorchef Heiner Finkbeiner im Restaurant Silberberg.
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Die Ruine des Drei-Sterne-Restaurant­s Schwarzwal­dstube.

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