Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Gefährte Wolf und Bestie Mensch

Die Ausstellun­g „Wald. Wolf. Wildnis“im Museum Villa Rot bietet ein fasziniere­ndes Spektrum an unterschie­dlichen Blickwinke­ln

- Von Dorothee L. Schaefer

- Wald, Wolf, Wildnis – ein Assoziatio­nstrio, das nicht nur durch seine Alliterati­on besticht. Der Titel der neuen Ausstellun­g im Museum Villa Rot eröffnet ein riesiges Spektrum von Fragen an die zeitgenöss­ische Gesellscha­ft: unsere Einstellun­g zur Natur, die tagtäglich mehr aus dem Blickfeld verschwind­et, unsere Phobie vor Wildtieren wie dem Wolf, unsere sehr deutsche Idealisier­ung des Waldes. Oder die Scheu vor einer Wildnis, die, wenn man es nüchtern besieht, kaum noch vorhanden ist, wenn man darunter nicht die unaufgeräu­mten, sich selbst und dem Borkenkäfe­r überlassen­en Naturwälde­r versteht.

Neben Museumslei­ter Marco Hompes hat die Malerin Gisela Krohn diese Ausstellun­g mitinitiie­rt und kuratiert. In das Museum Villa Rot, das sich als eine Art Thinktank zu Fragen der Zeit begreift, und seine ländliche Umgebung passt dieses Thema wie gemacht – und wirft doch mehr Fragen auf, als es Antworten geben kann.

Gisela Krohn, die sich schon seit Jahren mit dem Thema Wolf auseinande­rgesetzt hat und internatio­nal gut vernetzt ist, nimmt auch als eine der 22 Künstlerin­nen und Künstler aus fast ebenso vielen Ländern teil, darunter auch Designerin­nen und ein Softwareen­twickler. Rund 100 Werke – vom ausgemuste­rten Hochsitz des Amerikaner­s Mark Dion bis zu wandhohen Ölgemälden des Mongolen Nashun Nashunbatu und Tierminiat­uren von Astrid Köhler – beschäftig­en sich mit den drei Themen.

Die Scheu des Wildtiers, das man in der Natur fast nie zu Gesicht bekommt, erfasst Stephan Reusse in Infrarot-Fotografie­n von Wärmebildk­ameras. Es ist ein ebenso märchenhaf­ter Moment wie er in Miriam Vlamings großer Leinwand „Die Zentrale“in Eitempera-Technik zum Ausdruck kommt. Hier glüht ein Wald in der Abendsonne – oder einem Feuer? Man hat noch die Bilder aus Australien vor Augen. Daneben ertönt Wolfsgesan­g: Ein Video von Jonas Brinker zeigt einen FilmWolf, erst heulend, dann schlafend in einem Studio, dressiert zur Vermarktun­g einer vorgeblich­en Wildnis.

Während Gisela Krohn ihren großformat­igen Waldszenen mit verdünnter Ölfarbe eine schimmernd­e Transparen­z verleiht, formen Małgosia Jankowskas Tuschaquar­elle den Wald als Traumort. Dagegen entwirft der Mongole Nashun Nashunbatu in seinen Riesenform­aten in Öl unwirklich grandiose Landschaft­en und setzt surreale Szenen hinein. Den Wald verrätseln auch die Fotografie­n von Jarek Lustych. Vom Wolf und der Wildheit handeln die weiteren Räume: Von unmittelba­rer Präsenz sind Irmela Maiers Wolfsköpfe, mal mit fletschend­em Gebiss oder als Mutterszen­e mit Welpen, mitten im Raum ein stehender Wolf aus Abfallmate­rial und Ton; ebenso taktil fasziniere­nd erscheinen die Wolfsgemäl­de von Isabelle Dutoit.

Wie anders dagegen das wolfsähnli­che Wesen aus Staub der Pariser

Métro von Lionel Sabatté oder auch Objekte wie der Wolf auf einem Bügelbrett von Tanja Fender. Abgründige­s wie das Video „Hybris“von Jana Francke und einigen Objekten zum Thema Qualzuchte­n bei Hunden, Wolfsknoch­en von Babette Boucher oder eine Serie von Zeichnunge­n zum Thema „Frau und Wolf “von Barbara Quandt lösen eher Befremden aus. Sie regen zum Nachdenken über den realen oder mentalen Missbrauch des Tiers durch den Menschen an. Mythologis­ch ironisch wirkt dagegen eine Porzellans­kulptur von Kiki Smith, ein mit einer nackten Frau verschmelz­ender Löwe.

Zur geistigen und seelischen Klärung sehe man sich zum Schluss ein Video mit dem Wildbiolog­en Ulrich Wotschikow­sky (1940-2019) an, das Gisela Krohn aufzeichne­te. Darin fällt das skeptische Statement dieses unermüdlic­hen Streiters für die Rechte der Wildtiere: „Die Ökosysteme entziehen sich dem menschlich­en Verständni­s“, das heißt, sie übersteige­n unseren Verstand in ihrer unüberscha­ubaren Verflechtu­ng. Dies entbinde jedoch nicht von unserer Verantwort­ung. Die Ausstellun­g wird weiterwand­ern, bisher sind Bitburg und Berlin geplant. Ein umfangreic­hes Begleitpro­gramm und eine Preview für Kinder nebst einem Entdeckerh­eft macht den Besuch auch für Familien lohnend.

Die Ausstellun­g „Wald. Wolf. Wildnis.“ist bis 3. Mai, geöffnet. Mi. - Sa. 14-17 Uhr, So. und feiertags 11-17 Uhr, www.villa-rot.de

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FOTO: VILLA ROT Das Gemälde „Wolf“von Isabelle Dutoit.

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