Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Chefin fehlt, Bürgerbüro wird Partytempel
Mit Schülerbefreiung, Bürgermeisterverhaftung und Kinderumzug startet die Hausfasnet
Bad Saulgau - Seit dem Gompigen Donnschtig regieren in Bad Saulgau wieder die Narren. Die Schülerbefreiung, die Bürgermeisterverhaftung und der anschließende Kinderumzug hat die närrische Zeit eingeläutet. Bis es am Aschermittwoch, der den Ausnahmezustand beendet, wieder „Schee war’s“heißt, lautet das diesjährige Fasnetmotto „Weltall“. Schülerbefreiung: Die Bad G Saulgauer Schulen und Kindergärten haben am Gompigen Donnschtig die Kinder und Jugendlichen in die Fasnet entlassen. Veranlasst wurden sie dazu von den Narren der Dorauszunft, die am frühen Vormittag die Klassenzimmer stürmten. Lernende Schüler und lehrende Pädagogen hatte die Zunft in den Schulhäusern keine vorgefunden. Kinder wie Erwachsene waren bereits außer Rand und Band, in Fasnet- und Feierlaune, die sich nach der Schülerbefreiung auf dem Schulhof der Berta-Hummel-Schule fortsetzte: Musik und Tanz vor und auf der für die etwa einstündige Feier errichteten Bühne, riss alle Anwesenden mitten hinein in den Ausnahmezustand der närrischen Zeit. Das Motto der Dorauszunft orientiert sich dieses Jahr an Weltall-Themen, das mit einem einheitlichen Massentanz der Schüler als Publikum und Lehrern als Vortänzer auf der Bühne zu den Liedern „Sternenhimmel“und „Mondrakete“närrisch interpretiert wurde. Mit dem Schüler-Narrenruf „Mondrakete,
Mondrakete 1, 2, 3 - der Hotzenplotz ist auch dabei“schwenkte die Stimmung immer mehr zur Fasnet über. Bürgermeisterverhaftung: Gegen G 11 Uhr füllte sich die Innenstadt allmählich mit Publikum. Die Original Sulgamer Sauschwanzmusiker überbrückten die Wartezeit mit Fasnetklängen, bis zum Rathaussturm eine halbe Stunde nach Mittag. „Aliens haben wir hier keine, nur die Bürgermeisterin hat sich weggebeamt“, erklärte ein als Leadsänger der Rockgruppe „Kiss“verkleideter Mitarbeiter des Rathauses. Bürgermeisterin Doris Schröter sei bereits verhaftet worden, dies in Form eines grippalen Infekts, der sie am Gompigen Donnschtig zur Bettruhe gezwungen hatte. „Ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse“: In Abwesenheit der Bad Saulgauer Rathauschefin wurde das Bürgerbüro in eine 70er- und 80er-Jahre-Party umgewandelt. Kiss oder ZZ Top selbst die Jüngeren unter den Mitarbeitern hatten sich bemüht, die alte Zeit des Rocks in Kostümen wieder aufleben zu lassen. „Jetzt können sie die Sau rauslassen“, so der Kiss-Imitator, der sich wenig später als Erster Beigeordneter Richard Striegel herausstellte und daher auf die Frage, was er zu tun gedenke, wenn er außerhalb der närrischen Zeit einmal im Rathaus „die Sau herauslassen könnte“, der „Schwäbischen Zeitung“keine Antwort zu geben wusste. Mittlerweile rief vor der Tür Oberbützel Dirk Riegger Striegel stellvertretend für Doris Schröter heraus. In einer abgesperrten Sicherheitszone vor der Tür lieferten sich der Büttel und vorwiegend Männer in Anti-Viren-Schutzanzügen einen Kampf. „Auch, wenn ihr jetzt das Rathaus stürmt: Erst müsst ihr desinfiziert werden“. Aus Drucksprühern wurde Wasser zur Abwehr gegen die Stürmenden gespritzt. Nicht nur die Infektionskrankheit der Bürgermeisterin, sondern der Fasnetvirus, der das Rathaus erobert hatte, war Anlass der Aktion. Dennoch erkämpfte der Büttel sich den Rathausschlüssel, eroberte den Sitz des stellvertretenden Bürgermeisters Richard Striegel und hoffte, „angesichts dieser Maskierung tatsächlich Striegel erwischt zu haben“. Eine Rede zu halten, davon wurde Striegel abgehalten, auch die Bürgermeisterin zu verteidigen, war ihm untersagt worden: „Wenn die Bürgermeisterin krank zu Hause ist, ist das Virus ja aus dem Rathaus draußen“, rief Oberbüttel Riegger. „Die Schlafkrankheit habt ihr, sonst nichts“, so die Vorwürfe der Erobernden. „Das Rathaus ist nicht seuchenfrei. Total verstrahlt seid Ihr. Ihr seid doch alles junge ‚Soicher‘“, war aus der Menge der Stürmenden zu hören. Striegel übergab den Schlüssel an die Narren mit den Worten: „Lasst uns einfach in Ruhe, dann haben wir auch unseren Frieden“. Kinderumzug: Der Gompige G Donnschtig ist für die Kinder aus Bad Saulgauer Kindergärten und Schulen der Tag ihres Umzugs in der Innenstadt. Gemäß dem diesjährigen Motto „Weltall“der Dorauszunft, zogen zahlreiche als Astronauten und Marsmännchen kostümierte Kinder vom Rathaus zum Marktplatz. Auch das Wetter legte einen Raketenstart hin: Sonnenschein pur, als die kleinen Weltraummäuse und Raumschiffe in Begleitung erwachsener Außerirdischer zahlreiche Zuschauer in galaktische Welten entführten. Es schien, als sei an diesem Nachmittag in Bad Saulgau der Weltraum zu Gast gewesen. In Pappraketen eingehüllte Väter schoben Minimarsmännchen in Kinderwägen vor sich her, Mütter in silbernen Folienkostümen tanzten mit ihren Kindern, die Kindergärten führten in Gruppen Außerirdische, Astronauten und Wesen fremder Galaxien auf den Marktplatz. Angeführt von der Dorauszunft, traf der kreativ kostümierte Fasnetzug kurz vor dem Marktplatz auf den kleinen und großen Narrenbaum, die auf einem Wagen unterwegs zum Zielort waren. Nach Tanzeinlagen der Kindergärten auf der Tribüne, wurden beide Bäume auf dem Marktplatz gesetzt. In die Senkrechte brachten diese Fasnetsymbole die Mitglieder der Zimmermannsgilde Bad Saulgau. Dem bunten Treiben der ausgelassenen kleinen und großen Kinder schauten am Rande der Tribüne der in Fell gehüllte „Adam“und sein Nachtwächter zu. „Diese seit 1620 zur Bad Saulgauer Fasnacht zählenden neutralen Figuren gelten als die ältesten Narren unserer Fasnet und symbolisieren mit ihrer mit bunten Eiern geschmückten Birke Fruchtbarkeit und Neubeginn“, erklärte Maskenschnitzer Günther Wetzel.