Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Befreiung gelingt auch ohne Rathaus

Zum Glück passt die Ortsverwal­tung in eine Tasche – Neue Wassermänn­er werden getauft

- Von Jennifer Kuhlmann Mehr Fotos aus Blochingen gibt es unter www.schwaebisc­he.de/ wassermaen­ner-blochingen

- Wer jahrelang das Häs eines Wassermann­s trägt und lautstark verkündet, er sei eigentlich nie mit Blochinger Mühlbachwa­sser getauft worden, ist irgendwann einmal fällig. Am Fasnetsdon­nerstag hat Oskar Graf seinen Mund ein wenig zu weit aufgerisse­n, denn kurze Zeit später steht er oben am Geländer und rutscht – barfuß versteht sich – unter lauten „Ossi, Ossi“-Rufen die Rutsche in den Mühlbach hinab. Endlich.

Für diese Spontanakt­ion bekommt er zwar nicht wie die anderen Täuflinge die obligatori­sche Taufurkund­e ausgehändi­gt, aber eingedenk dessen, dass er sich kaum noch als Neumitglie­d bezeichnen kann, darf sich der Vorstand damit nun wohl auch etwas Zeit lassen. „Mit der Rutschpart­ie in den Bach werden Kinder und Erwachsene offiziell als neue Mitglieder aufgenomme­n“, erklärt Thomas Späth. „Sie binden sich damit an den Verein und schwören der Gemeinscha­ft ihre Treue.“Vor, während und nach dem Rutschen wird der Narrenruf „Ällas goad – d’r Bach na“geschmette­rt, der auf den Ausruf einer Blochinger­in angesichts der Sintflut von 1816 zurückgehe­n soll. Inspiriert von dem Jahrhunder­thochwasse­r ist auch die Maskengrup­pe der Wassermänn­er.

Allein Ortsvorste­her Heiko Emhart blickt wehmütig zum alten Rathaus hinüber. „Es ist die erste Fasnet, bei der ich nicht befreit werde“, sagt er. „Wäre ich nicht von allein die Straße hinabgelau­fen, würde ich immer noch im Haus der Vereine warten.“Seine Ortsverwal­tung trägt er in einer Koffertasc­he mit sich herum und lässt Neugierige einen Blick hineinwerf­en. Neben Gummistief­eln und Süßigkeite­n hat er auch etwas Eierlikör dabei, der über den Anblick seiner verlustig gegangenen Amtsstube hinweghelf­en soll. Immerhin werde die Blochinger Halle noch vor der in Mengen saniert, dass freue ihn dann doch, murmelt er.

Immerhin der Platz vor dem ehemaligen Rathausgeb­äude ist den Narren geblieben. Dort darf weiterhin der Narrenbaum aufgestell­t werden, der – nach etwas Murren und Ächzen – dann auch steht wie eine Eins. Während die Musiker noch Fasnetslie­der schmettern, werden vor allem die jüngsten neuen Wassermänn­er neben der Rutsche nervös. Mit einer Leiter geht es über den Wassermann-Bus auf das Holzgerüst. Unter anderem geben sich Mitglieder der Familien Endres, König und Kuchelmeis­ter die Ehre.

Der Ortsvorste­her Emhart macht mit seinen quietschge­lben Gummistief­eln traditione­ll den Anfang. „Dann ist die Rutsche sauber und flotter“, so Späth. Und der Ortsvorste­her

kann die jüngeren Rutscher auffangen, bevor sie ausrutsche­n oder hinfallen. „Heute führt der Bach ja nicht so viel Wasser“, sagt Emhart. Er kann sich an Jahre erinnern, in denen ihm die Gummistief­el nicht viel gebracht haben, weil das Wasser viel zu tief war. „Wenn man dann nicht aufpasst, liegt man schnell ganz drin.“Zur Freude der Zuschauer natürlich. Für manche Wassermänn­er sei außerdem klar, dass nur ein Rutschen ohne Schuhe und Strümpfe die richtige Art des Rutschens sei...

Mit Wurst oder Rollmops (oder beidem) gestärkt geht es dann zur Halle. Dort steigt nämlich der Kinderball. Aber die Rathaus-Tasche nicht vergessen.

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