Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Befreiung gelingt auch ohne Rathaus
Zum Glück passt die Ortsverwaltung in eine Tasche – Neue Wassermänner werden getauft
- Wer jahrelang das Häs eines Wassermanns trägt und lautstark verkündet, er sei eigentlich nie mit Blochinger Mühlbachwasser getauft worden, ist irgendwann einmal fällig. Am Fasnetsdonnerstag hat Oskar Graf seinen Mund ein wenig zu weit aufgerissen, denn kurze Zeit später steht er oben am Geländer und rutscht – barfuß versteht sich – unter lauten „Ossi, Ossi“-Rufen die Rutsche in den Mühlbach hinab. Endlich.
Für diese Spontanaktion bekommt er zwar nicht wie die anderen Täuflinge die obligatorische Taufurkunde ausgehändigt, aber eingedenk dessen, dass er sich kaum noch als Neumitglied bezeichnen kann, darf sich der Vorstand damit nun wohl auch etwas Zeit lassen. „Mit der Rutschpartie in den Bach werden Kinder und Erwachsene offiziell als neue Mitglieder aufgenommen“, erklärt Thomas Späth. „Sie binden sich damit an den Verein und schwören der Gemeinschaft ihre Treue.“Vor, während und nach dem Rutschen wird der Narrenruf „Ällas goad – d’r Bach na“geschmettert, der auf den Ausruf einer Blochingerin angesichts der Sintflut von 1816 zurückgehen soll. Inspiriert von dem Jahrhunderthochwasser ist auch die Maskengruppe der Wassermänner.
Allein Ortsvorsteher Heiko Emhart blickt wehmütig zum alten Rathaus hinüber. „Es ist die erste Fasnet, bei der ich nicht befreit werde“, sagt er. „Wäre ich nicht von allein die Straße hinabgelaufen, würde ich immer noch im Haus der Vereine warten.“Seine Ortsverwaltung trägt er in einer Koffertasche mit sich herum und lässt Neugierige einen Blick hineinwerfen. Neben Gummistiefeln und Süßigkeiten hat er auch etwas Eierlikör dabei, der über den Anblick seiner verlustig gegangenen Amtsstube hinweghelfen soll. Immerhin werde die Blochinger Halle noch vor der in Mengen saniert, dass freue ihn dann doch, murmelt er.
Immerhin der Platz vor dem ehemaligen Rathausgebäude ist den Narren geblieben. Dort darf weiterhin der Narrenbaum aufgestellt werden, der – nach etwas Murren und Ächzen – dann auch steht wie eine Eins. Während die Musiker noch Fasnetslieder schmettern, werden vor allem die jüngsten neuen Wassermänner neben der Rutsche nervös. Mit einer Leiter geht es über den Wassermann-Bus auf das Holzgerüst. Unter anderem geben sich Mitglieder der Familien Endres, König und Kuchelmeister die Ehre.
Der Ortsvorsteher Emhart macht mit seinen quietschgelben Gummistiefeln traditionell den Anfang. „Dann ist die Rutsche sauber und flotter“, so Späth. Und der Ortsvorsteher
kann die jüngeren Rutscher auffangen, bevor sie ausrutschen oder hinfallen. „Heute führt der Bach ja nicht so viel Wasser“, sagt Emhart. Er kann sich an Jahre erinnern, in denen ihm die Gummistiefel nicht viel gebracht haben, weil das Wasser viel zu tief war. „Wenn man dann nicht aufpasst, liegt man schnell ganz drin.“Zur Freude der Zuschauer natürlich. Für manche Wassermänner sei außerdem klar, dass nur ein Rutschen ohne Schuhe und Strümpfe die richtige Art des Rutschens sei...
Mit Wurst oder Rollmops (oder beidem) gestärkt geht es dann zur Halle. Dort steigt nämlich der Kinderball. Aber die Rathaus-Tasche nicht vergessen.