Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Arenen verwandeln sich in Feldlazarette
Im Kampf gegen die Pandemie in Brasilien zeigen Verwalter und Clubs Solidarität
(SID) - Auf dem Rasen des altehrwürdigen PacaembuStadions herrscht seit Samstag Hochbetrieb. Fußbälle und Tore sind nicht zu sehen, wie noch vor rund drei Wochen beim Derby zwischen Santos und Palmeiras. Dafür richtet sich im Herzen der brasilianischen Metropole Sao Paulos Hand um Hand in Windeseile ein riesiges Feldlazarett auf.
Wo 1950 sechs WM-Partien angepfiffen wurden, stehen in knapp zehn Tagen 202 Krankenbetten. „Hier können wir eine bessere Betreuung derjenigen gewährleisten, die sich nicht in einer Hochrisikostufe befinden, aber öffentliche Sorgfalt brauchen“, sagte Bruno Covas, der sich als Bürgermeister gegen das Kollabieren des Gesundheitssystems im nationalen Epizentrum der Coronavirus-Pandemie stemmt.
Auch rund 3000 Kilometer nordwärts verschwindet das Grün im ebenfalls städtischen Estadio Presidente Vargas von Fortaleza unter der Metallkonstruktion einer sanitären Hilfsstation. Landesweit werden in Kürze weitere Arenen dem Beispiel folgen. Oder anderweitig, zum Beispiel für Blutspenden oder GrippeImpfungen vor dem kommenden Winter, von örtlichen Gesundheitsbehörden provisorisch genutzt.
Meister CR Flamengo hat als derzeitiger Verwalter schon das Maracana in Rio de Janeiro zur Verfügung gestellt. Gleiches gilt für die Arena Corinthians in Sao Paulo, das Mane Garrincha in Brasilia, die Arena da Baixada in Curitiba – alles Spielorte der WM 2014. Die Fußballclubs haben ihre Profis längst nach Hause geschickt, Stadien und Trainingsgelände sind derzeit verwaist.
Undenkbar vor mehr als acht Jahren, als Brasiliens Idol Ronaldo im Dezember 2011 ins heimische WMOK
berufen wurde, und der dreimalige Weltfußballer die damalige Kritik an den hohen Kosten für Neu- und Umbau der zwölf Spielstätten unbedacht mit einem flotten Spruch abwehrte: „Man macht keine
WM mit Krankenhäusern.“Heute verwandeln sich die Stadien genau in Lazarette.
Brasilien verzeichnete am Wochenanfang 1891 mit dem neuen Virus infizierte Personen sowie 34 Todesfälle. Sao Paulo führt die traurige Liste mit 30 Opfern und 745 Angesteckten an. Rio (4/233) und im Nordosten Ceara mit Fortaleza (0/163) folgen. Doch die Zahlen täuschen, weil für die 210 Millionen
Brasilianer derzeit nur Testkits im unteren Zehntausender-Bereich vorhanden sind, angewendet vor allem bei Patienten mit Atemproblemen. Ende des Monats soll ein Millionen-Paket aus China eintreffen. Bis dahin werden sich die Feldlazarette in den Stadien mit hustenden und niesenden Patienten füllen. Auch im Estadio Municipal Paulo Machado de Carvalho in Sao Paulos zentralem Stadtteil Pacaembu, das am 27. April 80 Jahre alt wird.
Ein Alter, in dem man als Senior zur Corona-Risikogruppe gehört. Doch der Bau im Art-deco-Stil steckt voller Leben. Mit oder ohne Ball.
„Hier können wir eine bessere Betreuung derjenigen gewährleisten, die sich nicht in einer Hochrisikostufe befinden.“
Bruno Covas