Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Ansturm auf Corona-Soforthilfe
Bisher allein im Südwesten und Bayern Anträge über rund 208 Millionen Euro bewilligt
- Die Corona-Soforthilfe für Soloselbständige und kleine Unternehmen in Zahlungsengpässen stößt auf riesiges Interesse. Die zuständigen Stellen für das Rettungspaket der Länder werden quasi überrannt. Allein in Bayern wurden nach Informationen der „Schwäbischen Zeitung“bis Montagmittag mehr als 200 Millionen Euro bewilligt oder ausgezahlt. Schon jetzt liege der sogenannte Zuwendungsbedarf bei über 1,5 Milliarden Euro, teilte das bayerische Wirtschaftsministerium auf Anfrage mit. Mehr als 200 000 Freiberufler, Selbstständige sowie kleine und mittlere Unternehmen haben im Freistaat Soforthilfe beantragt.
Baden-Württemberg hinkt ein paar Tage hinterher, auch weil man gleich mit einem elektronischen System gestartet ist. Jetzt gehe die Bearbeitung dafür zügig voran, sagte Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU). Für die nächsten Tage wird ein Anstieg wie in Bayern erwartet, hieß es in ihrer Pressestelle. Bis Montagnachmittag wurden im Südwesten knapp 140 000 Anträge gestellt. Etwa 800 Anträge in einer Gesamthöhe von acht Millionen Euro wurden bewilligt, rund die Hälfte ist schon ausbezahlt.
Alle zuständigen Stellen – für den Raum Lindau die Regierung von Schwaben und im Südwesten die IHK und Handwerkskammern – haben den Personaleinsatz „massiv verstärkt“. Die Hotlines waren auch am Wochenende geschaltet, um die Menschen zu beraten.
Allein bei der IHK BodenseeOberschwaben sind bislang mehr als 6000 Anträge eingegangen. Rund die Hälfte wurde bereits an die L-Bank weitergegeben, die überwältigende Mehrheit mit einer positiven Empfehlung, sagt Hauptgeschäftsführer Peter Jany. Allein für seine Geschäftsstelle rechnet er mit bis zu 30 000 Anträgen. „Das ist ein Kraftakt, aber wir kommen gut voran.“Damit die L-Bank das Geld schnell überweisen kann, sollten Antragssteller die Anträge möglichst sorgfältig und vor allem vollständig ausfüllen und bei Rückfragen die Hotline anrufen. Ein paar Tipps helfen beim Ausfüllen (siehe Kasten).
Die Corona-Soforthilfe muss weder in Bayern noch in Baden-Württemberg zurückgezahlt werden. Allerdings unterscheidet sich die Hilfe sowohl in Höhe der Zuschüsse als auch bei der Größe der Betriebe: In Baden-Württemberg können unter anderem Antragsberechtigte mit bis zu fünf Beschäftigten bis zu 9000 und bis zu 50 Beschäftigten 30 000 Euro bekommen.
In Bayern erhalten unter anderem Kleinunternehmen mit bis zu fünf Beschäftigten 5000 Euro und 15 000
Euro bei bis zu 50 Beschäftigten. Sollte das nicht reichen, könne mit Bundesmitteln aufgestockt werden, heißt es auf der Webseite des bayerischen Wirtschaftsministeriums.
Anders als im Südwesten können im Freistaat auch Unternehmen mit bis zu 250 Mitarbeitern von dem Programm profitieren. Bis zu 30 000 Euro sind vorgesehen. Der baden-württembergische Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz fordert, das Soforthilfeprogramm auch im Südwesten auf mittelständische Unternehmen auszuweiten. „Rund ein Drittel der Menschen arbeiten in Betrieben, die zwischen 50 und 249 Menschen Arbeit geben.“Denkbar seien direkte Liquiditätszuschüsse oder zinslose Darlehen.
Voraussetzung in beiden Ländern ist, dass ein Liquiditätsengpass vorliegt und laufende Verpflichtungen wie Miete, Löhne oder Kredite nicht mehr bezahlt werden können. Im Gegensatz zu Bayern muss dafür im Südwesten allerdings kein verfügbares Privatvermögen mehr eingesetzt werden. Diese Regelung wurde nach massiven Protesten im Südwesten gekippt. Die Entscheidung gilt auch rückwirkend für bereits gestellte Anträge (wir berichteten). „Stattdessen müssen Antragssteller nur nachweisen, dass die laufenden betrieblichen Einnahmen nicht ausreichen, um die laufenden betrieblichen Kosten des Unternehmens zu finanzieren“, sagte Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU).
Die Nachbesserung fand bei Parteien und Verbänden Zuspruch. Es sei gut, dass die Landesregierung reagiert habe, lobte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. Die Konstruktion der Hilfen scheine aber zu bürokratisch – man werde das Hilfsprogramm weiterhin auf seine Praxistauglichkeit prüfen.
Auch der Handelsverband BadenWürttemberg (HBW) ist erleichtert, dass das Privatvermögen nicht mehr angetastet werden muss. „Viele Einzelhändler sind ja auch Einzelkaufleute“, sagte Hauptgeschäftsführerin Sabine Hagmann. „Wenn einer von ihnen gerade seine Lebensversicherung ausgezahlt bekommen hat, müsste er seine Altersvorsorge einsetzen.“
Erleichterung auch beim Hotelerie und Gaststättenverband Dehoga in Stuttgart. Die Hilfen seien aber noch nicht ausreichend, um die Gastronomie im Land zu erhalten, sagte der Landesvorsitzende Fritz Engelhardt. Zudem würden sie nicht alle Betriebe erreichen. In einer Videobotschaft fordert der Hotelier einen nationalen Entschädigungsfonds. „Die Entschädigung muss schnell ankommen. Sie darf sich nicht nach der Anzahl der Mitarbeiter richten und auch nicht nach der Liquidität einzelner Betriebe. Sie muss sich einzig und allein am entstandenen Schaden orientieren.“Zudem appellierte Engelhard an Verpächter wie Brauereien und Hausbesitzer, die Pacht zu stunden.
Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut betonte, dass das Programm noch laufend nachgebessert wird. So sollen jetzt auch die Landwirte Soforthilfe vom Land bekommen. Bis sie den Antrag stellen können, müssen sie sich jedoch noch ein paar Tage gedulden. Baden-Württemberg warte derzeit noch auf das Antragsformular des Bundes, um die Förderkriterien abzustimmen. Auf Druck Bayerns wurde nämlich auch das Hilfsprogramm des Bundes auf Landwirtschaft und Gartenbauunternehmen ausgedehnt.