Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
1,14 Milliarden Euro zur Soforthilfe angewiesen
(sz) - Für das Soforthilfeprogramm des Landes zur Bewältigung der Corona-Krise sind seit Programmstart am 25. März mehr als 157 000 Anträge von den Kammern nach erfolgter Vorprüfung an die L-Bank übermittelt worden. Das teilte das Landeswirtschaftsministerium am Dienstag mit. Demnach wurden knapp
117 000 Anträge in einer Gesamthöhe von knapp 1,14 Milliarden Euro inzwischen zur Auszahlung angewiesen. Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut sagte: „Die Bearbeitung der Anträge geht nun zügig voran und die Mittel werden ab sofort innerhalb einer Woche nach Antragstellung bei den Solo-Selbstständigen und Unternehmen ankommen.“Auf ein Mindestmaß an Prüfung könne man allerdings nicht verzichten.
Wir kommen aus einer starken Wachstumsphase. Wir hatten zehn gute Jahre, wirtschaftlich erfolgreiche Jahre. Die Krise trifft uns also in einer Zeit, in der wir eigentlich relativ gut aufgestellt sind. Gerade der Mittelstand ist gut gerüstet und hat auch ein gewisses Polster. Das hilft uns in den ersten Wochen der Krise. Aber das Polster wird von Tag zu Tag weniger.
Kritiker bemängeln, dass bei dem historischen Hilfspaket der Mittelstand vergessen worden ist. Es gibt Direkthilfen für Kleinstbetriebe, den Stabilisierungsfonds für Großunternehmen und nur Kredite für den Mittelstand. Manche fluchen sogar über eine Mittelstandslücke. Wie sehen Sie das? Dennoch bemängeln Mittelstandsvertreter, dass eine Kreditvergabe, bei der die Hausbank involviert ist, viel zu lange dauert und dass in diesen Zeiten auch ein Risiko von zehn Prozent, das die Hausbank in ihre Bücher nehmen muss, zu viel sein kann.
Ja, diese Rückmeldung erhalte ich auch. Deshalb haben wir auch am Montag entschieden, dass beim neuen „KfW-Schnellkredit“der Staat bis zu einem Kreditvolumen von 800 000 Euro 100 Prozent der Garantie übernimmt. Hier haben wir auch die Abwicklung erheblich beschleunigt. Da die KfW hier die Garantie übernimmt, muss die Hausbank keine eigene Risikoprüfung mehr durchführen. Lassen Sie mich aber
Folgendes sagen: Grundsätzlich ist es nicht verkehrt, wenn bei einem größeren Kredit auch die Hausbank, die die Unternehmen am besten kennt, ihr Urteil abgibt. Und wir haben ja auch eine gewisse Verantwortung für das Geld des Steuerzahlers. Und das wird über die zehn Prozent gewährleistet. Wir sind trotzdem dem Ruf des Mittelstands nach Verbesserungen nachgekommen und haben nachgesteuert. Nicht nur mit dem neuen „KfW-Schnellkredit“, sondern auch bei den bestehenden KfW-Unternehmerkrediten. Hier gibt es jetzt eine längere Laufzeit und Erleichterungen bei der Besicherung. Jetzt muss es laufen und mein klarer Appell an die Hausbanken ist jetzt, schnell und ohne Hürden dafür zu sorgen, dass das Geld vor Ort ankommt.
Wenn Mittelständler in den nächsten Wochen in noch schwereres Fahrwasser kommen, die Krise das Eigenkapital aufzehrt und keine Liquidität mehr da ist, steigt dann die Gefahr von chinesischen Übernahmen, die Gefahr, dass Peking die Gunst der Stunde nutzt?
Das ist einer der Gründe, warum wir den Wirtschaftsstabilisierungsfonds mit einem entsprechend großen Finanzvolumen ausgestattet haben. Sollten Unternehmen in Schieflage geraten und der Druck zunehmen, kann der Staat nicht nur mit Bürgschaften, sondern auch mit Eigenkapital über einen gewissen Zeitraum helfen. Das haben wir in der Finanzkrise 2008 mit den Banken auch gemacht. Das ist aber ein Instrument, das wir hoffentlich nur begrenzt anwenden müssen. Aber dennoch: Wir wollen uns rüsten und gewappnet sein. Je länger die Krise dauert, desto mehr Eigenkapital der Unternehmen wird aufgefressen und desto größer wird die Gefahr.
Wie wird die Wirtschaft und vor allem der Mittelstand nach der Krise dastehen?
Natürlich werden die Unternehmen geschwächt sein. Deshalb müssen wir uns jetzt ein Programm überlegen, das die Wettbewerbsfähigkeit stärkt – damit die Unternehmen wieder voll loslegen können. Ich sehe eine große Gefahr. Die Liquiditätskrise kann für die Unternehmen schnell zur Schuldenkrise werden. Und das ist für den Mittelstand besonders gefährlich. Hier stehen gerade viele Familienunternehmen vor der Frage: „Packen wir die Zeit nach der Krise wieder und kann man die Kredite überhaupt zurückzahlen?“
Wie wollen Sie dem Mittelstand nach der Krise konkret helfen?
Zuerst muss die Botschaft lauten, keine neuen Belastungen für die Wirtschaft und Arbeitsplätze. Deshalb halte ich Forderungen seitens der SPD nach einer Vermögensabgabe für fatal. Vor allem für den Mittelstand und die vielen Familienunternehmen wäre das Gift. Gerade diese
Absolute Priorität ist, die Pandemie in den Griff zu bekommen und die Infektionsketten zu durchbrechen. Aber natürlich ist es wichtig, nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für die Menschen, dass Licht am Ende des Tunnels zu sehen ist. Die Menschen wollen wissen, wann es wieder losgeht mit dem normalen Leben. Das geht ja jedem von uns so. Ich hoffe, dass wir da eine Woche nach Ostern klarer sehen.
Wie stellen Sie es sich vor, wenn ein System wie die deutsche Volkswirtschaft nach und nach wieder hochgefahren wird? Wie kann das funktionieren?
Das Hochfahren wird sich natürlich auch an medizinischen Kriterien zum Schutz der Bevölkerung orientieren müssen. Konkret heißt das, wie viele Personen bewegen sich an einem Ort. Wir werden dann zuerst dort das wirtschaftliche Leben wieder möglich machen, wo weniger die Gefahr besteht, dass sich viele Menschen infizieren. Deshalb wird der Besuch des Bekleidungsgeschäfts viel früher wieder möglich sein, als der Besuch einer Großveranstaltung mit 10 000 Menschen.
Wie stark stürzt die Wirtschaft ab?
Die Wirtschaftswissenschaftler gehen von einem sogenannten V-Szenario aus. Das heißt, dass dem starken Absturz der Wirtschaft, die gerade praktisch zum Erliegen kommt, ein hoffentlich relativ rasches Hochfahren folgt. Die Wirtschaftsweisen prognostizieren ein Minus von etwas mehr als fünf Prozent. Wenn es so kommt, ist das für die Wirtschaft und unser Land noch verkraftbar und wir sind mit einem blauen Auge davongekommen.