Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Bislang mehr als 500 kranke und tote Blaumeisen wegen unbekannter Krankheit
(lsw) - Naturschützer registrieren derzeit ungewöhnlich viele tote Blaumeisen in BadenWürttemberg und mehreren anderen Bundesländern. Allein im Südwesten seien bislang mehr als 500 erkrankte oder tote Vögel gemeldet worden, bundesweit seien es mehr als 8200 Exemplare, teilte der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) am Dienstag mit. Vereinzelt fallen sie den Angaben zufolge dadurch auf, dass sie apathisch und aufgeplustert auf dem Boden sitzen und vor Menschen nicht mehr fliehen. Oft wirke es, als hätten die Vögel Atemprobleme, Augen, Schnabel und Teile des Federkleids seien verklebt, sagt Nabu-Experte Stefan Bosch. Dieses Bild passe zu keiner bekannten Vogelkrankheit. Bosch geht von einer hohen Dunkelziffer aus: „Ich erwarte, dass die Zahl der Fälle rasch ansteigt.“
Da die meisten der kranken oder toten Tiere in der Nähe von Vogelfütterungen gefunden worden seien, rät der Nabu, kein Futter und Wasser mehr anzubieten, wenn mehr als ein kranker Vogel an einer solchen Stelle beobachtet werde. Um herauszufinden, ob sich eine neue Vogelkrankheit in Deutschland ausbreitet, sollten tote und krank wirkende Vögel zudem zum Beispiel unter www.NABU.de/meisensterben gemeldet und auch Fotos eingeschickt werden.
Gerade Kinder sind in ihrer Entwicklung auf Gleichaltrige angewiesen. Diese gemeinsame Lernerfahrung fällt jetzt weg. Wir machen uns Sorgen um Kinder, die sowieso eher schulfern sind. Derzeit geht viel Struktur und Autorität verloren. Wenn diese Maßnahmen nach den Osterferien fortgesetzt werden, erleben viele Kinder eine Art von Stillstand, den wir nicht wieder gut machen können.
Wie wirkt sich das aus?
Vielen Kindern fehlt eine verlässliche und stabile Tagesstruktur. Eltern haben auch Aufgaben und Bedürfnisse. Da müssen Kinder zurücktreten und werden auch mal vor den Fernseher gesetzt. Ihnen fehlt die Anregung durch die Schule, die emotionale Ausgeglichenheit geht verloren. Vor allem kleine Kinder können ihre Gefühle noch nicht kommunizieren. Sie fühlen sich unwohl. Das führt zu psychischen und auch zu körperlichen Belastungen, die sich zum Beispiel in Übelkeit oder Bauchweh ausdrücken. In der Schule können wir Schulpsychologen dem nachgehen. Jetzt sind die Kinder und Eltern auf sich gestellt.
Tun die Eltern zu wenig?
Nein, aber manche Eltern haben gar nicht die Kraft oder die Fähigkeit, den Bedürfnissen ihrer Kinder gerecht zu werden. Dafür gibt es gesellschaftliche Angebote, die hier einspringen, und die fallen jetzt weg. Kinder aus bildungsferneren Elternhäusern werden jetzt weiter abgehängt. Wir dürfen bei der ganzen Krise nicht übersehen, dass die Rettung von Leben auch Leben zerstört.
Die wissenschaftliche Akademie Leopoldina hat Vorschläge zu einem stufenweisen Schulstart vorgelegt. Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann unterstützt die Idee, zunächst für Viertklässler und solche Schüler wieder Unterricht anzubieten, die
vor Abschlussprüfungen stehen. Ist das richtig?
Ich bin keine Virologin. Aus schulpsychologischer Perspektive ist ein ganz normaler Schulbeginn wünschenswert, wie nach den großen Ferien. Die Osterferien sind eine natürliche Grenze. Für die Kinder wäre ganz wichtig, dass es danach wieder losgeht – und zwar für alle. Darüber könnten sie ihren Alltag zurückgewinnen. Es braucht die ganze Klasse, um wieder ein Sicherheitsgefühl herzustellen – nicht nur 15 Schüler pro Raum, wie von der Leopoldina vorgeschlagen. Die Durchmischung ist besonders für die sozial schwachen Kinder wichtig.
Und sollten die Lehrer beim Schulstart dort weitermachen, wo sie zuletzt aufgehört haben?
Nein. Die vergangenen Wochen müssen behandelt werden wie eine schulische Krise. Das ist eine Ausnahmesituation, in der etwas passiert, das die Kinder und Lehrkräfte emotional stark in Anspruch nimmt – zum Beispiel ein Todesfall einer Lehrkraft, ein Unfall auf dem Schulweg, oder Amok-Fehlalarme, bei denen alle Türen verriegelt werden und die Polizei in Ausrüstung und mit Waffen in die Schule kommt. Wie nach solchen Ereignissen müssen wir damit rechnen, dass einige Kinder auch jetzt traumatisiert sind. Da gibt es Gesprächsbedarf.
Was sollten Schulen konkret tun?
Sich im Klassenverband auszutauschen und gehört werden ist wichtig. An jeder Schule gibt es zudem ein Krisenteam, das von uns trainiert wurde. Dieses sollte die besonders belasteten Kinder genau im Blick haben und ihnen zusätzliche Gespräche anbieten. Nach einer Krise wie dem Tod eines Lehrers oder Schülers wird häufig ein Gesprächsraum eingerichtet.
Ich hoffe auf gute Ideen, wie die Schulen diese Krise gemeinsam aufarbeiten und bewältigen. Und falls es zu einer stufenweisen Rückkehr kommen sollte, hoffe ich, dass die Perspektive der Frauen und Mütter einbezogen werden, die von der Krise besonders belastet sind. Wenn die Kitas und niedrigen Klassen der Grundschule nicht gleich wieder starten, frage ich mich etwa, wer die ganzen Kinder der vornehmlich weiblichen Lehrer betreuen soll.