Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Wertpapierhandel zum Nulltarif
Wie Gratisbroker funktionieren und ob sie mit den etablierten Anbietern mithalten können
- Wenn etwas umsonst zu haben ist, wird der Schwabe skeptisch – erst recht, wenn es sich um Angebote aus der Finanzindustrie handelt. So drängen derzeit Gratisbroker auf den Markt, die Privatanlegern den Wertpapierhandel ohne Provision schmackhaft machen wollen. Das hört sich zunächst verlockend an, doch um keine Äpfel mit Birnen zu vergleichen, lohnt wie so oft ein zweiter Blick.
Entstanden ist das Geschäftsmodell in den USA, wo der 2017 gegründete Pionier Robinhood mit kostenlosem Wertpapierhandel bereits sechs Millionen Kunden für sich hat gewinnen können. In der Folge entstand ein derartiger Preisdruck, dass andere Broker gezwungen waren, ihre Gebühren auch zu senken oder ganz abzuschaffen. Der Broker fungiert übrigens als Finanzdienstleister wie die Comdirect oder die ING Diba, der für den Kunden die Durchführung von Wertpapieraufträgen erledigt.
Dem Beispiel von Robinhood folgend, sind die provisionsfreien Broker seit 2019 auch in Deutschland tätig. Sie heißen Just Trade, Trade Republic oder eben Gratisbroker, die es schaffen, den Wertpapierhandel ganz oder nahezu ganz zum Nulltarif anzubieten. Die Lösung liegt in Rückvergütungen, auch Kick-backs genannt, die die neuen Gratisbroker von ihrem Marketmaker, der die Order ausführt, kassieren. Dasselbe gilt für Zertifikateoder ETF-Emittenten, deren Produkte über die provisionsfreien Anbieter verkauft werden. Derartige Kick-backs sind zwar nichts Neues.
Auch die arrivierten Onlinebanken und -broker wie Comdirect, Consors, S-Broker, ING Diba oder Flatex erhalten Rückvergütungen von ihren Finanzpartnern. Der Unterschied liegt allerdings darin, dass die Gratisbroker „die Rückvergütungen zu einem Teil dafür verwenden, um die Orderprovision und Depotgebühr für die Kunden dauerhaft auf null Euro zu reduzieren“, erläutert Michael Bußhaus, Vorstand von Just Trade. Um im Bild zu bleiben, geben sie wie einst Robin Hood, den „kleinen Leuten“Vorteile, die sie erzielen, wieder zurück. Damit erscheinen die bisherigen Online Banken plötzlich als teuer – selbst der älteste Billiganbieter Flatex, der immerhin 5,90 Euro pro Order berechnet.
Allerdings ist das Angebot, das sämtliche Gratisbroker machen, auf mehreren Ebenen beschränkt. So bieten sie nur den Zugang zu einem, höchstens zwei Handelsplätzen an. Dies sind entweder Gettex in München, Quotrix in Düsseldorf oder LS Exchange in Hamburg, also keine der klassischen Börsen. Vielmehr sind diese
Handelsplätze an einen festen Marketmaker gebunden, ohne den das Geschäftsmodell per Kick-backs nicht funktionieren würde. Gelegenheitstrader und insbesondere ETFAnleger mag dies wenig stören. Dennoch sollte man möglichst nur während der Haupthandelszeit aktiv werden. Denn von 9:00 bis 17:30 Uhr, zu der der Referenzmarkt Xetra geöffnet ist, ist von fairen Orderausführungen, also engen „Spreads“, auszugehen. An den frühen und späten Handelsstunden aber sollte man gewahr sein, dass die Geld-/Briefspannen zum Nachteil der Anleger weit auseinanderklaffen können.
Eine weitere Einschränkung bei den Newcomern gibt es beim Produktangebot. So kann man bei Gratisbroker nur 3600 Aktien, bei Just Trade und Trade Republic rund 7.300 Aktien handeln. Reduziert ist auch bei allen Anbietern die Anzahl der handelbaren ETFs und Zertifikate. Und die gibt es auch immer nur von einem oder wenigen Emittenten. Neben diesen eingeschränkten Angeboten unterscheiden sich die Gratisbroker von den Platzhirschen weiter im Kleingedruckten. So verlangen Just Trade und Gratisbroker ein Mindestordervolumen von 500 Euro, während Trade Republic einen Euro pro Trade als fremde Spesen berechnet. Letzterer, der ganz auf SmartphoneLösungen setzt, bietet als einziger ETF-Sparpläne an. Bei Just Trade fällt dagegen ein Minuszins von 0,5 Prozent auf dem Verrechnungskonto an.
Fazit: Man kann die provisionsfreien Broker als eine Angebotsergänzung betrachten, die für eine Klientel interessant sein kann, die keinen Komplettservice benötigt und daher auch nicht geneigt ist, Handelsgebühren zu bezahlen. Im günstigsten Fall schaffen es die Gratisbroker, sich neue Zielgruppen zu erschließen und damit den Markt zu erweitern. Wer freilich Wert auf ein Komplettangebot bei Wertpapieren und Services legt, dürfte den arrivierten Online Brokern treu bleiben.