Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Unter Druck
Warum der Ölpreis verrücktspielt, welchen Anteil Spekulanten haben und was der Preisverfall für Kunden bedeutet
- Am späten Montagabend ist der Preis für amerikanisches Rohöl an den Börsen weit in den negativen Bereich gerutscht. Abnehmer von Rohöl konnten da also den Rohstoff in Empfang nehmen und dazu noch eine Prämie kassieren. Woran das liegt, wie es weitergeht und was das für Verbraucher bedeutet.
Was ist an den Ölmärkten passiert?
Die Ölpreise waren bereits in den vergangenen Wochen wegen der Corona-Krise drastisch gefallen. Zudem gab es Uneinigkeit zwischen dem Opec-Kartell und anderen Ölförderstaaten. Nun sind zu Wochenbeginn bestimmte Verträge für die Lieferung von Öl fällig geworden. Allein die Lager waren bereits voll – es gab also keine oder zu wenige physische Abnehmer. Das hat am Montagabend den Ölpreis für das amerikanische WTI-Öl in den negativen Bereich gedrückt.
Wie kommt der Preis zustande?
Ölpreise basieren vor allem auf dem Prinzip von Angebot und Nachfrage. Deswegen bleibt mit dem wirtschaftlichen Stillstand die Nachfrage durch die Pandemie weltweit aus und die Preise fallen sprichwörtlich ins Bodenlose. Denn Firmen bestellen weniger Öl, Fluggesellschaften lassen ihre Flotten am Boden und Verbraucher bleiben zu Hause und fahren weniger Auto.
Welche Ölverträge haben den Preisschock ausgelöst?
Termingeschäfte für den Monat Mai sind am 21. April ausgelaufen. Das heißt, wer an diesem Tag den Vertrag in der Hand hat, dem gehört die zugehörige Öllieferung. Die fließt in vorhandene Ölspeicher – und für deren Nutzung muss man zahlen. Nun soll im Mai geliefert werden, aber die Ölspeicher sind schon voll. Der Preis für die verbliebenen Speicher steigt. Deswegen sind Anleger aus den Verträgen geflüchtet: Sie wollten sich nicht die Finger verbrennen. Die Papiere wurden quasi augenblicklich wertlos und fielen sogar in den negativen Bereich.
Ist der Absturz das Werk von Spekulanten?
Ja und Nein. Terminverträge können für Spekulanten attraktiv sein. Einfach gesagt sind sie Wetten auf den Preisverlauf in Zukunft, bei denen man gewinnen und verlieren kann. Damit haben sich in diesem Fall involvierte Spekulanten gründlich verzockt. Viele Firmen müssen ihre Geschäfte aber am Rohstoffmarkt absichern. Dazu dienen die Warentermingeschäfte. Sie bieten grundsätzlich verlässliche und kalkulierbare Preise für die Zukunft. Nur will in dieser Situation kaum jemand das physische Öl haben, das zur Lieferung in diesen Verträgen vorgesehen ist.
Warum hat der Absturz nur das amerikanische WTI-Öl getroffen?
WTI-Öl hat die Eigenschaft, ziemlich eindimensional gespeichert zu werden. Denn die Pipelines enden in Oklahoma. Dort steht der weltgrößte Ölspeicher und dorthin wird geliefert. In der Speicherstadt Cushing aber sind die Lager schon gut gefüllt. Der verbliebene Speicher ist teuer zu bezahlen. Und vermutlich wird der Preis weiter steigen. Die europäische Nordseesorte Brent hat mehr Alternativen bei der Auslieferung.
Warum fährt man die Ölförderung nicht einfach herunter?
Grundsätzlich stehen Ölquellen mehr oder minder unter Druck. Einmal angestochen, fließt der Schmierstoff der Weltwirtschaft. Vor allem in der aus Umweltsicht umstrittenen Fracking-Technik in den USA ist ein Stopp der Produktion schwer zu bewerkstelligen. Auch deswegen werden zurzeit auch die Öltanker auf den Weltmeeren genutzt – sie dienen als schwimmende Ölspeicher.
Wie reagieren die Erdöl-Giganten Russland und Saudi-Arabien?
In Reaktion auf den Preissturz haben Russland und Saudi-Arabien gemeinsam erklärt, sie seien bereit, am Markt einzugreifen. Die Krise schweißt offenbar zusammen, denn noch vor wenigen Wochen herrschte Streit zwischen den beiden Ölnationen. Der hatte wesentlich zum Verfall der Ölpreise in den vergangenen Wochen beigetragen.
Welche Konsequenzen hat das für Mineralölkonzerne? Die geraten zunehmend in Schieflage, sollten die Preise weiter so niedrig bleiben. Das wiederum kann sich dann etwa in Form von Kreditausfällen und Arbeitslosigkeit bemerkbar machen. In den USA steht die gesamte FrackingBranche mit den Tiefpreisen am Rande des Abgrunds. Denn hier rechnen Beobachter damit, dass die Unternehmen mindestens einen Preis von 50 Dollar pro Fass brauchen, um über die Runden zu kommen.
Warum kauft Trump jetzt Öl?
Um sich in Szene zu setzen. Der US-Präsident hat angekündigt, 75 Millionen Barrel zu kaufen, um die Preise zu stützen. Nur liegt die weltweite Nachfrage pro Tag in ähnlicher Höhe. Trump’s Aktion ist also allenfalls ein Tropfen Öl auf einem heißen Stein. Wirkungsvoller ist da schon die Einigung der Opec mit anderen Ölstaaten wie Russland, die Fördermenge täglich um zehn Millionen Barrel herunterzufahren. Allerdings meinen die meisten Experten, dass das bei Weitem nicht reicht, um den Nachfrageausfall auszugleichen. Ölförderstaaten wie Saudi-Arabien und Russland jedenfalls geraten zunehmend unter Druck, weil sie aus den Öleinnahmen zum Großteil ihre Staatshaushalte finanzieren.
Was bedeutet das alles für Benzin und Heizöl-Preise?
Leider gar nicht viel. Denn hierzulande liegt der Anteil der Steuern und Abgaben am Ölpreis bei weit über der Hälfte. Zudem ist zwar auch die europäische Ölsorte Brent zu Wochenbeginn weiter drastisch gefallen, liegt aber noch bei rund 21 Dollar pro Fass. Die Preise für Heizöl und an den Tankstellen könnten mit diesen Tiefständen zumindest verzögert noch etwas nachgeben.