Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Öffnungsübung mit lokalen Notbremsen
Die Corona-Einschränkungen werden gelockert – je nach Land verschieden schnell
- Angela Merkel verbreitet bei der Verkündung der CoronaWende Zuversicht: „Wir können uns ein Stück Mut leisten“, sagt die Bundeskanzlerin am Mittwochnachmittag in Berlin. Anlass sind die trotz der am 20. April verabredeten ersten Lockerungen weiter sinkenden Neuinfektionszahlen. „Wir haben es im Großen und Ganzen geschafft, die Infektionsketten nachverfolgen zu können“, sagt Merkel und lobt die disziplinierte Bevölkerung und die Gesundheitsämter. „Aber wir müssen vorsichtig bleiben“, mahnt sie nach einer Schaltkonferenz mit den Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer, bei der sie weitreichende Lockerungen der bisherigen CoronaAuflagen abgestimmt haben.
Zwar bleibt das Abstandsgebot bis zum 5. Juni bestehen und wird die Maskenpflicht teilweise noch ausgeweitet, doch in anderen Bereichen machen sich Bund und Länder lockerer: In der Öffentlichkeit sollen sich bald Menschen zweier Hausstände treffen dürfen. Bei Bewohnern von Senioren-, Pflege- und Behinderteneinrichtungen darf künftig eine feste Person zu Besuch kommen. Und Geschäfte, Schulen, Kitas, Gaststätten und Hotels sollen wieder öffnen – allerdings je nach Bundesland unterschiedlich.
Im Gegenzug vereinbarten Bund und Länder eine regionale „Notbremse“, wie sie Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nennt: Steigt die Zahl der akuten Corona-Fälle in einer Region auf mehr als 50 auf 100 000 Einwohner, soll diese Region in den Lockdown gehen. Aktuell beträfe das lediglich einen Landkreis in ganz Deutschland – Greiz in Thüringen. Alle anderen Kreise liegen derzeit weit darunter.
Im Vorfeld und in der Konferenz hatte es viel Streit um diesen Passus gegeben: Vorsichtigere Politiker hatten 35 Fälle pro 100 000 Einwohner gefordert, die Stadtstaaten hatten moniert, dass bei Absperrung einzelner Viertel die Straßenseite darüber entscheidet, ob ein Laden schließen muss. Nun sollen die Beschränkungen auch lokal ausfallen dürfen, wenn sich der Infektionsherd klar eingrenzen lässt. Entschieden werden soll – nach Absprache mit dem Robert-Koch-Institut – vor Ort.
Insgesamt lassen die Beschlüsse den Bundesländern sowieso viel regionale Beinfreiheit: Sie sollen selbst bestimmen, wann Schulen und Kitas, Gaststätten und Hotels, Theater und Kinos, Hochschulen und Clubs, Kosmetikstudios und Schwimmbäder, Sportstätten und Fitnessstudios oder Spielhallen und Bordelle wieder öffnen dürfen. Von Normalbetrieb kann aber wohl trotzdem keine Rede sein – die Hygieneregeln sollen strikt eingehalten werden. Lediglich beim Verbot der Großveranstaltungen bis zum 31. August bleibt es – wobei die Definition von Großveranstaltung wieder Ländersache ist.
„Das kann man föderale Vielfalt nennen“, sagt Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) vielsagend. Andere nennen es nämlich einen Flickenteppich, der mit diesem Mittwoch zur offiziell akzeptierten Dauereinrichtung wird.
Tatsächlich hatten zuletzt immer mehr Länder regionale Fakten geschaffen, ohne die regelmäßigen Bund-Länder-Absprachen abzuwarten: Erst am Montag preschte der nicht gerade für Heißblütigkeit bekannte niedersächsische SPD-Ministerpräsident Stephan Weil – von gebrochenen Absprachen genervt – mit einem eigenen Plan samt Öffnung der Gastronomie und Hotellerie vor und garnierte die Vorstellung mit Kollegenschelte. Andere Landespolitiker würden nur einzelne Bäume sehen, seine rot-schwarze Regierung eben den ganzen Wald. Nach diesem Aufschlag stellten die Urlaubsländer Mecklenburg-Vorpommern und Bayern ebenfalls Hotelöffnungen in Aussicht.
Söder will die nun verabredete föderale Vielfalt nicht kritisieren, sondern lobt ausdrücklich die „regionale Differenziertheit“. Angesichts höherer Fallzahlen sei der Süden etwas vorsichtiger, sagt er. Nun gebe es eben „unterschiedliche Akzente“bei der Gastronomie. Doch auch das sei nicht weiter schlimm: „Wir lernen auch als Länder voneinander“, sagt der CSU-Politiker.
Kliniken und Gesundheitsämter sollten weiter aufgerüstet werden, fordert Söder. Trotz des „leichten Aufatmens“könne sich die Situation nämlich schnell wieder ändern, so lange es weder Impfstoff noch Medikamente gebe. „Wir dürfen auf keinen Fall nachlassen in der Ausweitung und Verbesserung des Gesundheitssystems. Es wäre jetzt ein schwerer Fehler, wenn wir die begonnenen Anstrengungen auf halber Strecke einstellen“, sagt der bayerische Ministerpräsident.
Dass regionale Ämter bei drohender Notbremse bei den Zahlen tricksen oder einfach weniger testen könnten, sieht die Bundeskanzlerin nicht als Gefahr: Vertrauen sei der Grundsatz, auf dem die Bundesrepublik aufgebaut sei. „Wenn wir dieses Vertrauen nicht mehr haben, dass Landräte, Bürgermeister und Gesundheitsämter gut arbeiten, dann können wir einpacken“, sagt Angela Merkel.
In beiden Fällen sollen Antikörper zur Therapie eingesetzt werden, wobei von den beiden Antikörpern aus Israel und Braunschweig keine Einzelheiten bekannt sind. Allerdings ist am 4. Mai ein Artikel einer niederländischen Forschergruppe in „Nature“veröffentlicht worden, der Ähnliches genau beschreibt. Jeder Mensch macht nach Infektion ein Gemisch von Antikörpern gegen Sars-CoV-2. Verantwortlich sind viele verschiedene B-Lymphozyten seines Immunsystems, die sich nach Kontakt mit dem Virus, genauer Virusantigenen, heftig vermehren und differenzieren. Alle Nachkommen eines dieser B-Lymphozyten produzieren den identischen Antikörper. Die Summe aller Nachkommen der oben beschriebenen verschiedenen B-Lymphozyten führen zu dem Antikörper-Gemisch. Die Fähigkeit der verschiedenen Antikörper, das Virus zu hemmen, sind sehr unterschiedlich, von gar nicht bis sehr stark. Viele Forschergruppen suchen nun nach dem Antikörper in dem Gemisch – übrigens auch verschiedener Menschen – der das Sars-CoV-2 am besten und stärksten hemmt und möglichst die Infektion einer Zelle vollständig verhindert. Hat man den Antikörper gefunden, sucht man nach dem B-Lymphozyten, der genau diesen einen Antikörper macht. Hat man dann diesen B-Lymphozyten gefunden, so kann man heute mit aufwendigen Methoden erreichen, dass man nur noch diesen hochwirksamen Antikörper in großen Mengen produzieren kann. Im Grunde handelt es sich bei der geplanten therapeutischen Gabe solcher „monoklonaler“Antikörper um eine sogenannte passive Immunisierung, also Impfung. Dies ähnelt sehr der Therapie von Erkrankten durch Blutplasmapräparate, die von Menschen gespendet wurden, die sich von einer Sars-CoV-2Infektion erholt haben. Nur, dass man kein normales Antikörpergemisch verwendet, sondern eben nur den am besten wirksamen Antikörper in hoher Konzentration. Ich halte dies Vorgehen für sehr naheliegend, sehr sinnvoll und auch vielversprechend. Der Patient erhält zur Behandlung keine chemischen Medikamente, sondern nur menschliche Antikörper, die sehr gut verträglich sein sollten. Die Therapie mit monoklonalen Antikörpern wird derzeit auch für andere Infektionskrankheiten entwickelt.
In den USA wurde der Wirkstoff Remdesivir in einer Notzulassung für die Behandlung von Patienten erlaubt. Wie sicher ist dieser?
Remdesivir wurde zur Behandlung von am Ebolavirus Erkrankten entwickelt, und es gab daher bereits Erfahrungen bei der Anwendung am Menschen. Die ersten Ergebnisse bei der Behandlung von Covid-19 Patienten sind nicht sehr gut, aber auch nicht ganz schlecht. Bei überlebenden Patienten konnte offenbar die Krankheitsdauer verkürzt werden. Leider konnte bisher nicht gezeigt werden, dass die Anzahl der Todesfälle bei den Behandelten geringer war. Wir brauchen hier noch die Ergebnisse weiterer Behandlungsstudien.