Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
In Krisenzeiten wächst die Spendenbereitschaft
Wegen Corona weniger Bedarf an Blut – Höhere Vorsichtsmaßnahmen bei der Abgabe
- Täglich werden in Deutschland etwa 15 000 Blutspenden gebraucht. Die Spendenbereitschaft in der Bevölkerung ist dagegen vergleichsweise niedrig – außer in ungewöhnlichen Zeiten. In der Corona-Krise kann sich das Deutsche Rote Kreuz (DRK) deshalb vor Anfragen kaum retten.
So ernst die Lage weltweit aktuell sein mag, bei einer Frage kann sich Eberhard Weck das Lachen nicht verkneifen. Es ist ein Lachen, das von Herzen kommt, weil es so etwas wie Erleichterung und Freude ausdrückt. Die Frage lautet: Spürt er bei den Menschen eine gesteigerte Angst, sich bei einer Blutspende anzustecken? Nein, sagt der lachende Leiter des Bereichs Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim DRK-Blutspendedienst Baden-Württemberg/Hessen, im Gegenteil. „Weil die Leute etwas Gutes für ihren Nächsten tun wollen, haben wir mehr Spendewillige als sonst. Auch solche, die zum ersten Mal spenden wollen“, sagt Weck. Wollen, weil das DRK momentan längst nicht alle Anfragen hin zu einem Termin führt. Vielmehr würden viele gebeten, mit einer Spende noch zu warten. Denn eventuell werden sie schon in ein paar Wochen gebraucht.
In Baden-Württemberg und Hessen würden in normalen Zeiten etwa 2600 Blutspenden pro Tag gebraucht, aktuell seien es eher 1800, sagt Weck. Das liege vor allem daran, dass nicht zwingend notwendige Operationen zurückgestellt seien, um die Krankenhäuser frei für Corona-Patienten zu halten. Da aber damit zu rechnen sei, dass in den Kliniken wieder auf so etwas wie Normalbetrieb hochgefahren wird, gehe er davon aus, dass schon bald wieder normaler Bedarf herrscht. Weil aber gespendetes Blut nicht lange haltbar sei, bringe es nichts, jetzt eine Reserve anzulegen. Sonst könnten das Ergebnis einer gesteigerten sozialen Ader im Abfalleimer landen. Als etwa nach den Attentaten am 11. September
2001 die Spendenbereitschaft emporschnellte, mussten Zehntausende Konserven weggeschmissen werden, erzählt Weck. Ähnlich war es nach der schweren Zugkatastrophe von Eschede mit etlichen Verletzten drei Jahre zuvor.
Dem DRK hilft aktuell, dass es in Corona-Zeiten die Spender dazu auffordert, einen Termin zu machen. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass im Spendezentrum kein Massenandrang herrschen soll, der wiederum den Mindestabstand schwierig machen würde. Wegen der erhöhten Sicherheitsmaßnahmen werden die Spendentermine bewusst klein gehalten. Oftmals werden sie auf mehrere Tage in einer Stadt verteilt. Wer zur Spende kommt, muss – im Unterschied zu normalen Zeiten – zunächst seine Körpertemperatur messen lassen und bekommt einen einfachen Mundschutz. Den tragen selbstverständlich auch alle Ärzte, um die Ansteckungsgefahr niedrig zu halten. Auch wegen dieser Vorkehrungen müssten die Menschen keine Angst zu haben, sich zu infizieren, sagt Weck: „Die Gefahr im Supermarkt ist wesentlich höher.“Und: „Bei einer Blutspende arbeiten Profis.“Einer dieser Profis ist der Isnyer Notarzt Wolfgang Dieing, der die vier Tage dauernde Blutspendeaktion in der Schulmensa koordinierte: „Aus der Not wurde eine ideale Situation geboren, alle schaffen mit. Die Disziplin, auch der Spender hinterher, ist phänomenal“, lobt er das Verhalten von medizinischem Personal und solchen, die ihr Blut geben, um Leben zu retten.
Im Namen dieser Profis hat Eberhard Weck noch eine große Bitte: Wer wissentlich Kontakt zu einem Corona-Infizierten hatte, soll erst gar nicht zur Spende kommen. Ebensowenig jemand, der zuletzt noch irgendwo in Skigebieten wie Ischgl unterwegs war. Denn so jemand werde sicher nicht zugelassen. Auf alle anderen Spendewilligen freut sich Weck natürlich, auch wenn er den einen oder anderen auf einen späteren Zeitpunkt vertrösten muss.