Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Erste Fasnet mit den neuen Häsern wird abgesagt
Stattdessen unternehmen die Blochinger Narren im Jahr 1991 Wanderungen und Schlittenfahrten
- Vor genau 30 Jahren, am 9. Mai 1990, ist der Narrenverein Blochingen gegründet worden. Die Wassermänner und Bloigeweible wollten dieses Ereignis mit einem Generationen-Treffen feiern. Gründungsmitglieder, alle Zunfträte und der aktuelle Vorstand wollten sich treffen, um sich über die Geschichte des Narrenvereins auszutauschen. „Ich war 1990 noch gar nicht geboren und bin heute Zunftmeister. Mich interessieren die Anfänge des Vereins“, sagt Dominik Nussbaum. Das Wissen und die Erinnerungen der Gründungsmitglieder zu erhalten, ist ihm ein Anliegen. Doch wegen der Corona-Pandemie und der Einschränkungen muss diese Veranstaltung auf später verschoben werden.
Der Gründungszunftmeister Peter Eberhardt erinnert sich gern an die Zeit der Gründung. Eine Art Euphorie hatte viele ergriffen, als die Idee, einen Narrenverein zu gründen, lanciert wurde. „Es gab eine gewachsene Hausfasnet mit Bürgerball und Hemedglonkerball. 1989 entstand die Idee, einen Verein zu gründen; wir wollten etwas Neues aufbauen“, sagt Eberhardt. Einen Narrenverein habe es unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg gegeben, doch war er nicht eingetragen. Am 9. Mai 1990 haben sich also 38 Gründungswillige in der Halle getroffen. „Wir wussten nicht, was für ein Häs wir haben wollten, aber es sollte etwas Besonderes sein, das auch mit der Dorfgeschichte zu tun hatte“, so
Eberhardt. Eine Gruppe forschte in der Dorfgeschichte. Die Erinnerung an die Sintflut vom 18. Mai 1816, als der Damm oberhalb Blochingens brach und zu einer Katastrophe führte, sitzt tief im Gedächtnis der Bewohner. „Daraus wollten wir etwas machen. So sind die Wassermänner geboren und der Spruch Ällas goad – d’r Bach na“, sagt Eberhardt.
Doch wie sollten die Wassermänner aussehen? Damit habe sich wieder eine Gruppe befasst und ein Häs gestaltet. Die Beratung von Fachleuten wurde genutzt. Die verschiedenen Grün-Töne haben jeweils eine Bedeutung: die unsichtbare Kraft des
Wassers, das Unheimliche und das Lebendige. Die Maske ist aus Lindenholz. Die Haare sind vom tibetischen Yak. „Der Wassermann ist etwas Wildes. Wir brauchten eine zweite Figur, die ruhiger, freundlicher ist“, so Eberhardt. So kam es zum Bloigeweible. Das Bloigeweible hat es wirklich gegeben: Im 19. Jahrhundert lebte eine arme Frau am Ortsrand, die im Waldstück „Bloige“Holz, Pilze und Kräuter sammelte. Es wurden unheimliche Geschichten über sie verbreitet, obwohl sie niemandem etwas getan hatte. Diese Frau wurde in der freundlichen Maske des Bloigeweible verewigt.
Am 11.11. 1990 wurden die neu kreierten Häser in einer großen Veranstaltung in der Halle der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Begeisterung war groß: Es begann das große Nähen, um bis zur nächsten Fasnet als stattliche Gruppe bei den Umzügen mitlaufen zu können. „1991 wäre der erste Umzug in Bingen gewesen. Doch wurde die Fasnet abgesagt, der Golfkrieg hatte gerade begonnen“, erinnert sich Eberhardt. Das sei ein Schock gewesen. Die Enttäuschung sei nach diesen intensiven Vorbereitungen natürlich entsprechend groß gewesen. Doch haben sich die Mitglieder des Narrenvereins entschieden, Wanderungen und Schlittenfahrten zu machen. Mit den Kindern ging es bei Nacht in den Wald zum Bloigeweible hinaus. „Diese Aktivitäten haben uns erst recht zusammengeschweißt“, findet Eberhardt.
Es freut ihn, dass die Kinder – der Narrensamen – von damals sich heute im Vorstand aktiv für die Fasnet einsetzen. Zunftmeister Dominik Nussbaum wurde 1995 als vierjähriger Bub in den Narrenverein aufgenommen. Er sei immer gern auf die Fasnet gegangen. Sobald man die Maske an habe, seien alle gleich; da gebe es die Unterschiede, die es im Alltag an der Schule oder im Beruf gibt, nicht mehr. Die Gemeinschaft und der Stolz, die Wassermänner und Bloigeweible auf Umzügen zu präsentieren, verbinden die Mitglieder. „Viele gehen als Familie auf die Umzüge; die Kleinsten dürfen schon mit“, erklärt Nussbaum begeistert.
„Der Narrenverein trägt zum Zusammenhalt im Dorf bei“, berichtet Eberhardt. Der Verein hat aktuell 430 Mitglieder. „Das ist eine schöne Bestätigung, dass die Euphorie, mit der wir den Narrenverein gegründet haben, so nachhaltig wirkt“, freut sich der Gründungszunftmeister, der bis 2006 das Amt innehatte. Sein Nachfolger Markus Schmid übergab 2014 an Dominik Nussbaum.
Diese Kontinuität zeige, dass der Verein stabil ist und immer vorausschauend gearbeitet habe, zieht Eberhardt sein Fazit zu diesen 30 Jahren Narrenverein.