Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Richter nicht überzeugt, dass Vater von dem Kind wusste
Wie es dazu kam, dass das Verfahren gegen den Vater des bei Rulfingen getöteten Babys eingestellt wird
- Das Verfahren gegen den Vater des Säuglings, der im Mai 2017 unmittelbar nach seiner Geburt von seiner Mutter getötet wurde, wird gegen die Zahlung einer Geldauflage im vierstelligen Bereich eingestellt. Diese Entscheidung des Amtsgerichts Bad Saulgau, die in der vergangenen Woche von der Bild-Zeitung öffentlich gemacht wurde, hat die Staatsanwaltschaft Ravensburg bestätigt. Die Tat der Mutter war vom Landgericht zunächst als Mord und in einem Revisionsverfahren als Totschlag bewertet worden. Die Frau erhielt eine Haftstrafe von acht Jahren.
Für Unbeteiligte, die das Verfahren verfolgt hatten, in dem es um die junge Frau ging, die ihr Kind bei Rulfingen zur Welt gebracht und anschließend durch das Einführen eines Stücks Küchenrolle in den Rachen erstickt hatte, erschien vor allem ein Punkt nicht nachvollziehbar: Wie hatte die damals 23-jährige Frau ihre Schwangerschaft bis zuletzt verheimlichen können? Verschiedene Zeugen hatten ausgesagt, dass sie die Schwangerschaft stets geleugnet hatte, wenn sie darauf angesprochen wurde. Im Freundeskreis hatte man das offenbar irgendwann so hingenommen. Ihrem damaligen Freund, dem Vater des Kindes, wollte sie nach eigenen Aussagen ebenfalls nichts erzählt haben - aus Angst ihn zu verlieren. Ob und wie lange der damals 21-Jährige ihr geglaubt hatte, konnte in diesem Verfahren nicht geklärt werden, da der Mann nach einer Verlobung mit der Angeklagten von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen konnte.
Am Tattag war das Paar gemeinsam mit einem befreundeten Paar in zwei Autos auf dem Heimweg von einer gemeinsamen Urlaubsfahrt an den Wörthersee. Die Autofans hatten dort das GTI-Treffen besucht. Weil es der 23-Jährigen wegen einsetzender Wehen zusehend schlechter ging, musste die Fahrt bei einem Hof außerhalb von Mengen unterbrochen werden. Die Frau entfernte sich von der Gruppe und brachte ihr Kind zwischen Strohballen zur Welt. Ihr Freund soll ihr Wasser und Papiertücher gebracht haben, später fuhren sie gemeinsam nach Hause. Aufgedeckt wurde die Tat erst, als der tote Säugling einige Tage später entdeckt und die Mutter gesucht wurde.
Nachdem das Verfahren gegen die Mutter abgeschlossen war, hat die Staatsanwaltschaft Ravensburg laut Staatsanwältin Tanja Kraemer Ende März 2019 Anklage gegen den Kindsvater beim Landgericht Ravensburg wegen eines Verbrechens des versuchten Totschlags durch Unterlassen erhoben. Dabei ging die Anklage davon aus, dass der Mann seiner neugeborenen Tochter nicht zur Hilfe gekommen sei.
Das Landgericht Ravensburg - 1. Strafkammer als Schwurgericht - habe mit Datum vom 13. Juli 2019 beschlossen, die Anklage der Staatsanwaltschaft Ravensburg nur mit der Maßgabe zur Hauptverhandlung zuzulassen, dass der Kindsvater hinreichend verdächtig sei, durch Fährlässigkeit den Tod eines Menschen (seines Kindes) verursacht und sich somit der fahrlässigen Tötung gemäß Paragraf 222 des Strafgesetzbuches strafbar gemacht zu haben.
„Einen hinreichenden Tatverdacht gegen den Kindsvater wegen eines Verbrechens des versuchten Totschlags durch Unterlassen hat das Landgericht Ravensburg nicht für gegeben erachtet“, schreibt die Staatsanwältin auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Tragend sei gewesen, dass das Landgericht Ravensburg nicht vollkommen überzeugt war, „dass der Kindsvater in der Tatnacht wusste oder zumindest damit rechnete, seine damalige Lebensgefährtin könnte schwanger sein und in der Tatnacht das Kind zur Welt bringen.“
Da das Landgericht Ravensburg damit allein einen hinreichenden
Tatverdacht wegen einer fahrlässigen Tötung für gegeben erachtet habe, sei das Verfahren gegen den Kindsvater an das Amtsgericht Bad Saulgau zur dortigen Verhandlung abgegeben worden. Dort sei nur noch der Tatvorwurf der fahrlässigen Tötung Gegenstand des Verfahrens gewesen. Gegen diesen Beschluss habe die Staatsanwaltschaft keine Beschwerde eingelegt.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Bad Saulgau vom 8. April und mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft Ravensburg sei das Verfahren gegen den Kindsvater (wegen fahrlässiger Tötung) nach Paragraf 153a, Absatz 2 der Strafprozessordnung, gegen die Zahlung eines vierstelligen Geldbetrags an gemeinnützige Einrichtungen vorläufig eingestellt worden. „Sofern der Kindsvater den ihm auferlegten Geldbetrag bezahlt, wird das gegen ihn gerichtete Verfahren endgültig eingestellt werden“, so Kraemer. Durch die so getroffene Einigung zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und dem Beschuldigten wird auf eine öffentliche Klage verzichtet, es findet also keine Verhandlung vor dem Amtsgericht Bad Saulgau mehr statt.
Die Geldauflage wird laut Strafprozessordnung an eine gemeinnützige Einrichtung oder die Staatskasse gezahlt.