Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Länderspiele sind derzeit eine Zumutung – dank Löw
Die Kernbotschaft von Joachim Löw lautete: Ich weiß, wann ich was tue. Ich sehe das große Ganze. Ich sehe nicht immer nur ein einzelnes Testspiel. Ich sehe den Weg zur
EM. Sein Problem ist: Die Menschen vor den Fernsehern sehen leider – oder sollen begeistert – auch die Spiele bis zum Ziel verfolgen. Doch was die Nationalmannschaft dort abliefert, gleicht derzeit eher einer munteren Abschreckungsstrategie: einem hanebüchenen Debütanten-Ball folgt ein RumpelAuftritt gegen ein (Pardon) Mittelklasse-Team. Man will sich gar nicht vorstellen, was gegen Hochkaräter abgehen würde. Die Frage lautet: Schaltet gegen die Schweiz überhaupt noch jemand ein? Dabei ist Löws Ansatz legitim – natürlich muss es um eine Entwicklung gehen. Nicht nur eine Mannschaft, auch ein Bundestrainer wird an großen Turnieren gemessen. Dass Löw nach der Russland-Blamage vorerst zu Abstrichen bereit ist – solange am Ende etwas Positives steht – ist in Ansätzen in Ordnung. Doch ist das ja nicht gewiss. Zudem werden auf dem Weg in diesen ohnehin ungewöhnlichen Zeiten Fans dauerhaft vergrault. Die Personaldebatten (Stichwort Thomas Müller) und Löws Sturheit sind zudem nicht förderlich. Am Dienstag sollte das Team ein anderes Gesicht zeigen. Ansonsten heißt es unter Fußballfans bald öfter: War Länderspiel? Hab ich gar nicht mitbekommen!
Felix Alex
Keine Frage: Die jüngsten Auftritte der deutschen Nationalmannschaft waren schwere Kost. Die Nebenschauplätze – Stichwort Steuerfahndung – waren ebenfalls wenig förderlich, um Fans zurückzugewinnen. Aber angesichts der komischen Zeiten, angesichts der spät beendeten Bundesligasaison, angesichts der vielen Spiele in kurzer Zeit ist es doch vollkommen legitim, wenn Joachim Löw zuletzt viel rotiert hat. Dass Fans und Experten nach den schwachen Spielen Kritik üben, ist natürlich legitim. Aber Löw hat recht, wenn er von „unserem Plan“spricht. Für ihn zählt die verschobene Europameisterschaft im kommenden Jahr. Und nicht die eh umstrittene Nations League. Im Grunde kann Löw derzeit nichts richtig machen. Stellt er immer den Bayern-Block auf, heißt es: Wo bleibt die Schonung für die Stars? Bringt er Nico Schulz, Florian Neuhaus, Mahmoud Dahoud oder Benjamin Henrichs, heißt es: Was wollen die Spieler denn in der Nationalmannschaft? Früher gab es dafür lauter Testspiele, heute halt mehr oder weniger wichtige Nations-League-Partien. Ihren Reiz haben die Länderspiele aber noch nicht verloren. Und nach dem ersten richtig guten Spiel sind auch ganz sicher die Kritiker wieder verstummt. Löw wird schon wissen, was er tut. Lassen wir ihm die Zeit, es zu beweisen.
„Schaltet gegen die Schweiz noch jemand ein?“
„Die Kritiker sind schnell verstummt.“
Thorsten Kern