Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Staatlicher Lohnscheck für Selbstständige
Bundeswirtschaftsministerium plant finanzielle Hilfen für Unternehmer, um sie durch die Pandemie zu bringen
- Unternehmer erwirtschaften ihren Lebensunterhalt normalerweise mittels der Unternehmen, die ihnen selbst gehören – einen Lohn erhalten sie eigentlich nicht. Und doch wird nun in der CoronaKrise darüber gesprochen, dass auch manche Eigentümer einen Lohn erhalten sollten – und zwar vom Staat.
Aus dem Haus von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) war am Mittwoch zu hören, dass neue „spezifische Hilfen für Unternehmen vorbereitet“würden. Diese könnten „Elemente eines Unternehmerlohns“enthalten. Zu den Adressaten sollen das Hotel- und Gaststättengewerbe, die Veranstaltungs-, Messe- und Ausstellungsbranche gehören. Nach der für Mittwoch geplanten Verhandlung zwischen Bund und Länder im Kanzleramt, wird es um die Details gehen.
Selbstständige und Einzelunternehmer würden ausnahmsweise einen minimalen Lebensunterhalt zwischen 1000 und 1500 Euro monatlich aus öffentlichen Kassen überwiesen bekommen – damit sie ihre privaten Grundbedürfnisse decken können. Einzelne Bundesländer machen das schon, etwa NordrheinWestfalen und Baden-Württemberg. Auch Berlin zahlte vielen Unternehmen im Frühjahr vorübergehend solche Zuschüsse. Bisher sind das jedoch Ausnahmen. Generell gilt die Regel, dass Betriebe direkte staatliche Zuschüsse nur für ihre Betriebskosten wie Mieten und Versicherungen verwenden dürfen.
Normalerweise erhalten nur abhängige Arbeitnehmer einen Lohn, die in einem Unternehmen beschäftigt sind. Die unabhängigen Unternehmer dagegen müssen selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen, indem sie ihre Produkte am Markt verkaufen und damit Gewinne erzielen. „Sie entscheiden grundsätzlich selbst, wie viel Geld sie aus dem jeweiligen Betrieb herausnehmen und für ihre privaten Ausgaben verwenden“, erklärt Klaus-Heiner Röhl vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln.
Corona verändert allerdings vieles. „Entscheidend ist, dass der Staat zur Eindämmung der Pandemie in den Markt eingreift und zahlreichen Unternehmen verbietet, Umsätze und Gewinne in bisherigem Umfang zu erwirtschaften“, sagt Röhl. Neuerdings müssen Bars, Restaurants und Kioske in vielen Großstädten um 22 oder 23 Uhr schließen, wodurch ihnen Einnahmen verlorengehen. Tanzclubs sind komplett zu, Konzerte finden kaum statt, Messen ebenso wenig. Viele Unernehmen sehen die Pleite kommen, je länger die Einschränkungen dauern. Die Besitzer haben nichts mehr auf den Konten.
„Vor diesem Hintergrund lässt es sich gut begründen, dass die öffentliche Hand den Unternehmern einen Teil des Lebensunterhalts finanziert, der durch die staatlichen CoronaMaßnahmen wegfällt“, erläutert Röhl. Eine bemerkenswerte Position für ein Institut, welches sich normalerweise für den freien Markt einsetzt. Aber auch beim arbeitnehmerfreundlichen Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin sieht man es ähnlich. Deren Ökonom Alexander Kritikos rät, ein Verfahren aus Großbritannien zu kopieren: Dort überweisen die Finanzämter den Kleinfirmen einen Teil ihrer Umsatzausfälle. So halten sie die Besitzer über Wasser.
Finanziell überfordern würde den Staat ein solches Programm nicht. Erhielten 500 000 Firmen jeweils 1500 Euro, machte das 750 Millionen Euro monatlich oder rund 4,5 Milliarden in einem halben Jahr aus – nur ein Bruchteil dessen, was Altmaier und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) im Frühjahr zur Unterstützung der Wirtschaft auslobten. Unterbliebe die Hilfe dagegen, könnten zehntausende Firmen in die Insolvenz rutschen. Die gesamtgesellschaftlichen Kosten wären möglicherweise immens.
Die Idee des Unternehmerlohns ist Teil eines Vorstoßes von Peter Altmaier, der am Mittwoch bekannt gab, die Corona-Hilfen für kleine Unternehmen nachbessern zu wollen. So sollen die bis zum Jahresende laufenden Überbrückungshilfen um ein halbes Jahr bis zum 30. Juni 2021 verlängert werden. Zudem soll es bessere Abschreibungsmöglichkeiten und eben den Unternehmerlohn geben. Wirtschaftsverbände wie der Deutsche Industrie- und Handelskammertag hatten zuvor von der Politik gefordert, die Maßnahmen zielgerichteter anzuwenden.
Problematisch sei vor allem die Investitionszurückhaltung der Unternehmen, außerdem kämen viele Hilfen bei Selbstständigen gar nicht erst an. Für die Überbrückungshilfen hatte der Bund 25 Milliarden Euro eingeplant. Davon sind aber erst 1,1 Milliarden Euro bewilligt worden.