Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Die zwei Säulen der Stollhofs
Organist Lukas Stollhof spielt auf der Klaisorgel, sein Onkel Paul rezitiert Gedichte in St. Johannes
- Seit 40 Jahren steht die Klaisorgel in der St. Johanneskirche Bad Saulgau. Ein Glücksfall für die Kirchengemeinde, die Stadt und die Orgelszene, errungen vom damaligen Kirchengemeinderat. Das ist der Anlass, eine Konzertreihe aufzulegen, in der Organisten des Jahrgangs 1980 – dem Baujahr der Orgel– zu hören sind. Einer davon ist Lukas Stollhof. Der Regionalkantor aus Oberwesel hat kürzlich seine Kunstfertigkeit leuchten lassen – und wie!
Das Thema „Herr, komm und lade uns ein zu dem fröhlichen Ball deiner Liebe“forderte anspruchsvolle Musik und ebenso anspruchsvolle Texte, die der Onkel des Organisten, Paul Stollhof, zusammen mit seinem Neffen ausgewählt hatte und vortrug. Das Programm spannte den Bogen von Musik aus dem 16. und 17. Jahrhundert bis zur klassischen Moderne des 20. Jahrhunderts.
Im Mittelpunkt des Programms standen die „Triosonate Es Dur“von Johann Sebastian Bach sowie Sweelincks „Allein Gott in der Höh sei Ehr“und Dietrich Buxtehudes „Passacaglia d-moll“.
Die Triosonaten sind Kompositionen für zwei Hände auf verschiedenen Manualen und selbstständig geführtes Pedal, es musizieren gleichsam drei verschiedene Instrumente gleichberechtigt. Bachs Triosonaten sind Prüfsteine für Organisten. Lukas Stollhof interpretierte mit makelloser Spieltechnik, aber nicht nur das. Spürbar strömte langer, ruhiger Atem durch die Spannbögen der Musik, er garantierte ausgeglichene Tempi, stimmige Proportionen. Man mochte an den „Lebensatem“denken, der die Schöpfung lebendig erhält. Solches „Atmen“ist der tiefste Ursprung gelungener Interpretation. Chapeau!
Kundig stilistischer Eigenarten der jeweiligen Komponisten, spielte der Künstler „Davids Tanz vor der Bundeslade“von Petr Eben und die „Hochzeit zu Kana“. Die Titel ließen erwarten, was dann auch wirklich zu hören war: Rhythmische, klanglich farbenfrohe Delikatessen, orientalisches Flair, Klangpracht. Körperlich fühlbar pulsierende Musik erzählt Aspekte des Lebens. Nicht weniger anschaulich interpretierte Lukas Stollhof das Evangelium von der Hochzeit zu Kana in der Tonsprache Ebens.
Jehan Alain erklang – der große moderne Klassiker. Seine „Deux Danses“zeigten sich tanzend in seiner herben Sprache und doch überlegen leichtfüßig. Kräftig, virtuos, so klingt der Personalstil seiner Klangrede, bis heute unverbraucht. Früh, mit 29 Jahren, ist diese Größe der Orgelkunst im Zweiten Weltkrieg 1939 gefallen.
Und ganz zum Schluss konnte der Zuhörer entspannt den Ohrwurm genießen: Aus der Nussknackersuite
von Tschaikowsky gab es vier Sätze: Ouverture miniature, Marche, Danse chinoise und Valse des fleurs. In der Tat, da tanzte der Nussknacker trotz der Spannungen und Brüche seiner Märchenexistenz. Farbenprächtig registriert, virtuos, heiter, mit einem Lächeln: So endete das Konzert.
Das war aber nur der eine Pfeiler des Konzerts. Paul Stollhof rezitierte Texte dichter literarischer Qualität. Zuerst kam Davids Tanz vor der Bundeslade aus dem Buch Samuel mit kurzer Betrachtung. Es folgten Kurt Marti: „Die Liebe wandelt in immer frischem Grün durch den Wald“, so das Kernzitat des Gedichtes, das die Beziehungsvielfalt der Liebe betrachtet. Mechthild von Magdeburg kam zu Wort, der bewegende Text (1949) von Madeleine Delbrel. Die Literatur als zweite Säule des Abends, der Musik vornehm den Vortritt lassend, spann mit der Welt der Töne ein sensibles, wunderbar feinsinniges Netz von Literatur und Musik. Paul Stollhof rezitierte die literarischen Texte im Rhythmus der Sprache, im Klang der Worte und in der Spannung des Satzbaus. Sein Vortrag war einfühlsame Deutung.
Das Konzert wurde zum Gesamtkunstwerk: Kostbare Instrumente, Orgelkunst, Vortragskunst wirkten im ehrwürdigen Kirchenraum vor dem Osterbild des Hochaltars als positive lebensbejahende Verkündigung: Ein fröhlicher Ball der Liebe Gottes.