Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Großbritanniens Premier Johnson hält Brexit-Gespräche für gescheitert
EU-Spitze ignoriert die Drohung aus London – Handelsvertrag muss bis Ende des Jahres stehen
(dpa) - Im Brexit-Streit hat der britische Premierminister Boris Johnson sein Land auf einen Bruch ohne Vertrag mit der Europäischen Union am 1. Januar eingestimmt. Es war ein Auftritt mit großer Geste. Vorausgegangen war ein tagelanges Hin und Her mit der EU. „Wenn ihr nicht nachgebt, dann gehen wir eben“, lautete dann am Freitag die Botschaft des britischen Premiers. Zuvor hatte Johnson bereits ein Ultimatum für eine Einigung bis 15. Oktober gestellt, das aber zunächst sang- und klanglos abgelaufen war.
Die Frist hatte Brüssel ignoriert, und das tat die EU-Seite kurioserweise auch mit Johnsons Erklärung am Freitag wieder. „Wir verhandeln weiter“, sagten dort ungerührt EUKommissionschefin Ursula von der Leyen, Ratschef Charles Michel und Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Denn bei näherem Hinsehen war Johnsons kurzer Fernsehauftritt alles andere als eindeutig. Er ließ sich eine Hintertür offen, doch weiter mit der EU über einen Handelspakt zu sprechen. Das sei möglich, wenn die EU umsteuere, ließ Johnson erkennen: „Kommt hierher, kommt zu uns – wenn es fundamentale Änderungen an eurer Position gibt.“Ein Regierungssprecher schob nach: „Die Handelsgespräche sind vorbei.“Die EU habe sie beendet.
Doch soll EU-Unterhändler Michel Barnier nächste Woche nach London reisen und die Gespräche „intensivieren“, schrieb EU-Kommissionschefin von der Leyen flugs auf Twitter. Ratschef Michel stellte allerdings klar, dass die EU ihre gerade beim Gipfel abgestimmte Linie nicht über Bord werfen werde. Wird Barnier also bei seinem britischen Kollegen David Frost am Montag vor verschlossenen Türen stehen?
„Die Verhandlungen gehen weiter, völlig klar“, sagte Guntram Wolff vom Brüsseler Politikinstitut Bruegel nach Johnsons Auftritt. „Jetzt sind wir in einer Verhandlungsphase, wo beide Seiten sehr hoch pokern.“In Großbritannien sah das Brexit-Expertin Georgina Wright von der Denkfabrik Institute for Government ähnlich. „Das sind wirklich keine Neuigkeiten“, sagte sie zu Johnsons wortgewaltigem Auftritt. „Die nächste Woche wird entscheidend.“Auch eine Gruppe nordirischer Unternehmer sprach von „politischen Spielchen“. Was dem Ernst der Lage kaum gerecht wird: Sowohl in Großbritannien als auch in der EU wird bei einem harten Bruch mit großen Schäden für die Wirtschaft gerechnet. Denn dann kommt es zu Zöllen und anderen Handelshürden.
Der anvisierte Handelsvertrag soll dies eigentlich verhindern. Großbritannien hatte die Staatengemeinschaft Ende Januar verlassen, ist aber während einer Übergangszeit bis zum Jahresende noch Mitglied im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion. Erst danach kommt der wirtschaftliche Bruch. Die Verhandlungen hängen aber seit Monaten an Grundsatzfragen fest.
Hauptstreitpunkte bleiben der Zugang von EU-Fischern zu britischen Gewässern sowie die Forderung der EU nach gleichen Wettbewerbsbedingungen für die Wirtschaft, also gleiche Umwelt-, Sozialund Subventionsstandards. Im Gegenzug soll Großbritannien Waren ohne Zoll und Mengenbeschränkung in die EU liefern können. Dritter wichtiger Punkt für die EU sind Regeln zur Schlichtung für den Fall, dass eine Seite gegen das Abkommen verstößt.
In den drei Punkten verlangte der EU-Gipfel am Donnerstag Zugeständnisse von Großbritannien – was die britische Regierung „enttäuschend“nannte. Johnson richtete nicht zum ersten Mal die bittere Klage an Brüssel: „Sie wollen weiter die Möglichkeit, unsere Freiheit zur Gesetzgebung zu kontrollieren, unsere
Fischerei, in einer Art und Weise, die völlig inakzeptabel für ein unabhängiges Land ist.“
Bundeskanzlerin Merkel deutete an, dass längst Auswege aus der Sackgasse geprüft werden. Auch der Brüsseler Experte Wolff sagte, im Streit über Wettbewerbsbedingungen und die Schlichtungsregeln gebe es Fortschritte. Am Ende müsse sich aber wohl die EU und vor allem Frankreich bei der harten Haltung beim Thema Fischerei bewegen. „Hoffen wir, dass das Pokern aufgeht und ein guter Deal herauskommt“, sagte Wolff.
Die britischen Wähler hatten 2016 mit knapper Mehrheit für den EUAustritt gestimmt. Johnson gewann 2019 die Parlamentswahl unter anderem mit der Ansage, den Brexit tatsächlich durchzuziehen. Inzwischen gilt der Premier als schlechter Krisenmanager – nicht nur beim Brexit, sondern auch bei der Bewältigung der Corona-Krise. Großbritannien gehört zu den am stärksten von der Pandemie betroffenen Ländern in Europa. Ein harter Brexit und ein außer Kontrolle geratener CoronaAusbruch. Kritiker bezweifeln, ob das für das Vereinigte Königreich wirklich zu bewältigen ist.
Viren verändern sich durch Mutationen im Genom, das ist normal und findet je nach Virus mehr oder weniger häufig statt. Bei Viren mit einem RNA-Genom (wie SarsCoV-2) ist dies generell häufiger als bei Viren mit DNA-Genom (z. B. Herpesviren). Bei Sars-CoV-2 sind bereits mehr als 100 Mutationen beschrieben worden, aber keine hat bislang gesichert zu einer Veränderung der krank machenden Eigenschaften des Virus (Pathogenität) oder zu einer veränderten Antigenität geführt (Letzteres meint die Veränderung der Erkennungsstellen für das Immunsystem. Dies könnte die Ursache für eine Änderung der Wirksamkeit von Antikörpern oder weiteren Immunmechanismen sein, die aufgrund einer durchgemachten Infektion oder (hoffentlich) Impfung erworben wurden). Mutationen sind spannend und wir wollen uns dazu noch einiges klarmachen. Mutationen, das bedeutet zunächst kleine Veränderungen des Virusgenoms, die deshalb „einfach als Fehler“vorkommen, weil während der Virusvermehrung enorm viel RNA-Ketten (Virusgenome) in der infizierten Zelle hergestellt werden müssen. Dabei wird schon mal ein RNABaustein (Nukleotid) versehentlich ausgetauscht. Natürlich können nur Mutationen im Genom toleriert werden, die eine weitere Virusvermehrung zulassen. Mutationen sind nicht zielgerichtet. Sie sind für uns nur wichtig, wenn sich zufällig die Übertragbarkeit, die Pathogenität oder die Antigenität des mutierten Virus verändert. Ob sich ein mutiertes Virus „durchsetzt“, also schneller verbreitet, hängt sehr davon ab, ob das Virus einen „Vorteil“von der Mutation hat. (Man nennt dies Selektionsvorteil.) Von stärker krank machenden Eigenschaften hat ein Virus keinen Vorteil, denn es „will“nur vermehrt und übertragen werden, aber ein schnell getöteter Wirt ist eher ungünstig. Man hat also wenig Sorgen, dass eine solche SarsCoV-2-Mutante auftreten könnte. Einen Selektionsvorteil hätten Viren, die sich viel stärker vermehren können und leichter übertragen werden. Aber auch, wenn sie von einer bestehenden Immunität nicht mehr erfasst werden würden. Ein mutiertes Sars-CoV-2, das sich besser vermehren und möglicherweise besser verbreiten kann, ist gefunden worden, aber es unterscheidet sich nicht hinsichtlich Pathogenität und Antigenität von den anderen Sars-CoV-2. Es gibt auch eine erste Mitteilung darüber, dass es eine Sars-CoV-2-Mutante geben könnte, die weniger krank macht. Das muss aber noch bestätigt werden. Virusmutanten bieten einen diagnostischen Vorteil. Man kann durch Untersuchung auf Mutationen (Sequenzanalysen) Infektketten aufklären, was manchmal sinnvoll sein kann (molekulare Epidemiologie). Man kann so sogar eine Art „Stammbaum“von SarsCoV-2 erstellen. Jemand könnte jetzt einwenden, dass bei Influenzaviren doch gefährlichere Mutanten entstehen können. Das stimmt, liegt aber daran, dass Influenzaviren einen Mechanismus nutzen können, der Sars-CoV-2 nicht zur Verfügung steht.