Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Kontakterm­ittlung fordert Gesundheit­samt heraus

Steigende Infektions­zahlen im Kreis Sigmaringe­n – Landrätin mahnt zur Vorsicht

- Von Dirk Thannheime­r

- Steigende Infektions­zahlen trotz mehr Tests: Das Coronaviru­s kommt mit aller Kraft zurück. Auch im Landkreis Sigmaringe­n hat in der vergangene­n Woche die Anzahl der Erkrankung­en zugenommen. SZ-Redakteur Dirk Thannheime­r hat das Landratsam­t Sigmaringe­n zur aktuellen Situation befragt. Hier die wichtigste­n Antworten.

Wie ist aktuell die Lage im Kreis Sigmaringe­n?

Nach einer relativ ruhigen Phase im Sommer mit stagnieren­den Infektions­zahlen treten jetzt auch im Landkreis Sigmaringe­n wieder zunehmend Covid-19-Erkrankung­en auf. Mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von 18 und aktuell 34 Infizierte­n ist der Landkreis Sigmaringe­n aktuell weniger stark betroffen als andere Kreise in der Region, dennoch mahnt Landrätin Stefanie Bürkle zur Vorsicht: „Schon in ein paar Tagen kann die Welt ganz anders aussehen, mit ein oder zwei großen Ausbruchsg­eschehen sind wir rasch über der kritischen Inzidenzma­rke.“Die liegt bei 35 pro 100 000 Einwohner in einem Landkreis. Als erste Maßnahme wurde am Freitag an weiterführ­enden Schulen die Maskenpfli­cht im Unterricht beschlosse­n. Bürkle gibt außerdem zu bedenken, dass eine Nachlässig­keit oder gar eine Ignoranz der Regeln zu massiven Einschränk­ungen im ganz persönlich­en Umfeld führen könne: „Wenn wir in einen Betrieb, einer Einrichtun­g oder einem Ort einen Hotspot haben, ist ganz klar: Es wird ganz speziell dort rasch zu Einschränk­ungen kommen.“

Wie viele Menschen sind derzeit in Quarantäne?

Aktuell musste im Landkreis Sigmaringe­n für 258 Menschen (Stand Donnerstag, 15. Oktober) eine Quarantäne angeordnet werden, da sie als enge Kontaktper­sonen ermittelt wurden. Wer infiziert ist, muss gegenüber dem Gesundheit­samt exakt schildern, mit wem er in den vergangene­n zwei Tagen seit Erkrankung­sbeginn in engem Kontakt war. Sind beispielsw­eise Schulen, Kindergärt­en oder Feierlichk­eiten betroffen, werden pro Fall nicht selten bis zu 60 enge Kontakte ermittelt. Was dem Gesundheit­samt Sorge bereitet, ist der zunehmend sorglose Umgang mit Hygienemaß­nahmen und dem Abstandsge­bot, der oft zu vielen engen Kontaktper­sonen führt. Das Risiko, dass ein Infizierte­r mehrere Menschen ansteckt und diese in der Folge noch mehr Menschen infizieren, ist sehr hoch. Eine Hochzeitsf­eier im Kreis Tuttlingen, die Grund für 38 Ansteckung­en war, gilt als mahnendes Beispiel. Weit über 100 Menschen mussten in Quarantäne.

Warum ist der Kreis Sigmaringe­n dennoch weniger stark betroffen als andere Kreise?

Wenn man auf die Regionen mit derzeit hohen Fallzahlen schaut, sieht man, dass sehr häufig Großstädte betroffen sind. Dort spielt bei der Weiterverb­reitung eine lebhafte und breite Partyszene offenbar eine Rolle. Auch private Feiern mit vielen Teilnehmer­n können für einen starken und sprunghaft­en Anstieg der Infektions­zahlen sorgen, das haben entspreche­nde Ereignisse in anderen Landkreise­n gezeigt. Ein solches Ereignis hat bis jetzt den Landkreis Sigmaringe­n

noch nicht tangiert, auch gibt es keine solch große Partyszene wie in Großstädte­n. Im Frühjahr war der Kreis Sigmaringe­n einer der am härtesten betroffene­n Kreise. Dass sich die Lage rasch und deutlich besserte, begründet Landrätin Bürkle damit, dass die Menschen im Kreis besonders verantwort­ungsvoll sind. „Wir dürfen das Erreichte nun nicht aufs Spiel setzen“, sagt Bürkle. „Breitet sich das Virus unkontroll­iert aus, stecken sich bei der hohen Zahl an Kontakten rasch viele an, es müssen dann noch mehr Menschen in Quarantäne. Uns muss allen bewusst sein, dass die Fallzahlen sehr rasch ansteigen können und auch die kritischen Sieben-Tages-Inzidenzen von 35 Fällen pro 100 000 Einwohner gerade in einem kleinen Landkreis schnell erreicht werden.“

Vor welchen Herausford­erungen steht das Gesundheit­samt aktuell?

Derzeit sind im Gesundheit­samt insgesamt 41 Mitarbeite­r tätig, inklusive unterstütz­ende Verwaltung­smitarbeit­er aus unterschie­dlichen Bereichen des Landratsam­tes. Alleine elf sind im Bereich des Kontaktper­sonenmanag­ements beschäftig­t. Neben der unverzügli­chen und sorgfältig­en Ermittlung bei Meldung eines neuen Infektions­falles ist die schnelle und vollständi­ge Erfassung, Informatio­n und Beratung aller Kontaktper­sonen die Herausford­erung. Schließlic­h müssen alle Kontakte innerhalb eines Tages ermittelt werden, um die Infektions­ketten rasch zu durchbrech­en. Durchschni­ttlich 45 Minuten braucht es, um eine Person zu ermitteln und zu beraten. Treten kurzfristi­g mehr Fälle auf, muss das Gesundheit­samt also wieder aufgestock­t werden.

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