Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
SAP-Aktie stürzt ab
Softwarekonzern senkt seine Geschäftsprognosen ein weiteres Mal
- Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr hat Europas größter Softwarehersteller SAP seine Geschäftsprognosen gesenkt. Im Frühjahr fielen die eingetrübten Aussichten in Zeiten des allgemeinen Lockdown noch in den allgemeinen Trend fallender Aktienkurse. Am Montag dagegen fielen die Reaktionen auf die zweite Senkung der Prognose heftig aus: Zeitweise verloren die Aktien des Unternehmens aus Walldorf rund 20 Prozent an Wert; damit lösten sich auf einen Schlag rund 30 Milliarden Euro Börsenwert in Luft auf.
Investoren derart zu enttäuschen ist für die Führungsriege des Konzerns Neuland. „Das ist ja überhaupt das erste Mal in meiner Zeit als Finanzvorstand der SAP, dass wir einen Ausblick korrigieren mussten“, sagte Finanzchef Luka Mucic. „Wenn man das dann ein zweites Mal macht, dann können Sie mir glauben, dass ich wirklich sicherstellen wollte, dass es zu keiner weiteren Verschlechterung mehr kommt.“Sprich: Die neuen Prognosen von SAP sind nun eher konservativ, um in naher Zukunft möglichst keine weiteren Enttäuschungen mehr zu produzieren.
SAP rechnet nun in diesem Jahr mit einem Gesamtumsatz von 27,2 bis 27,8 Milliarden Euro. Vor April dieses Jahres lag das Ziel noch bei 29 Milliarden Euro auf Basis konstanter Wechselkurse. Hier allerdings schlummern noch Risiken für die zusammengestutzten Ziele. Denn im abgelaufenen dritten Quartal schrumpfte der Gesamtumsatz deutlich, auch bedingt durch den starken Euro, mit einem Minus von vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern lag in den vergangenen drei Monaten mit knapp 1,5 Milliarden Euro um zwölf Prozent unter dem Vorjahreswert.
SAP leidet vor allem aber unter der Zurückhaltung von Unternehmen, was Investitionen in ihre IT angeht. Durch die Pandemie und die unsicheren Aussichten drücken Unternehmen
landauf, landab auf die Kostenbremse. So wappnen sie sich für coronabedingte Ausfälle. Fast drei Viertel aller befragten Firmen im Verband DSAG (Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe) klagten über zurückgehende Umsätze. In dem einflussreichen Anwenderverband haben sich Tausende SAP-Kunden zusammengeschlossen. Der Umsatzschwund drückt bei vielen von ihnen auf die IT-Budgets. „Es gibt einen großen Anteil, der sagt: Wir forcieren jetzt unsere IT-Projekte. Aber es gibt fast einen genauso großen Teil, der sagt: Wir bremsen unsere Projekte jetzt ein bisschen ein, verzögern sie“, sagte DSAGChef Jens Hungershausen.
Hinzu kommt, dass SAP auch unter der Reiseflaute leidet. In Walldorf rechnet man nun nicht mehr damit, dass sich die Verkäufe der Reisemanagement-Software Concur in diesem Jahr noch erholen. „Die braucht einfach kaum jemand mehr“, sagt Stefan Riße, Kapitalmarktstratege beim
Vermögensverwalter Acatis. „Das heißt unter dem Strich: SAP ist eben nicht der große Krisengewinner, wie etwa Amazon oder Facebook“. Sondern im Gegenteil: Bei SAP schreibt sich die allgemeine Rezession mit dicken roten Vorzeichen in die Bilanz hinein. Und Besserung ist aufgrund der aktuellen Entwicklung der Pandemie erst einmal nicht in Sicht. „Wir denken, dass Corona mit Sicherheit die wirtschaftliche Umgebung noch bis Mitte des kommenden Jahres negativ beeinträchtigen wird, und dass wir dann erst ab der zweiten Jahreshälfte 2021 Erleichterung sehen werden“, was dann auch wieder zu steigenden IT-Ausgaben in Unternehmen führen könnte, meint Finanzvorstand Mucic.
Diese anhaltende Durststrecke jedenfalls will SAP nutzen, um seine Geschäfte weiter in Richtung von Cloud-Angeboten umzustellen. Die Nutzung von Software über das Internet setzt sich im Vergleich zu einmal gekaufter Software immer stärker durch. Dabei verdienen die Anbieter das Geld allerdings in Form von Nutzungsgebühren über längere Zeiträume hinweg – zunächst sinken also die Gewinnmargen. „Wir steuern das Unternehmen nicht auf eine kurzfristige Optimierung der Marge, sondern auf unsere langfristigen Wachstumspotenziale.“In der Cloud sehe man hohes Wachstumspotenzial – und das soll sich dann in Zukunft auszahlen.
Dagegen werde es bis 2023 kaum Fortschritte bei der Profitabilität geben, kündigte SAP-Chef Christian Klein an. Denn der schnellere Umbau in Richtung Cloud sorgt für neue Kosten, die die Gewinnspanne drücken. Auf den allgemeinen Gegenwind schließlich reagiert SAP ähnlich wie die meisten seiner Unternehmenskunden: Der Konzern fährt Ausgaben und Investitionen herunter und setzt seinen Sparkurs fort. So spart SAP etwa an Reisekosten, bremst aber auch stark bei Neueinstellungen.