Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Darum klagen Schüler gegen Maskenpflicht
Mutter und Anwältin der Geschwister spricht über das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs
- Seit einer Woche gilt die Maskenpflicht im Schulunterricht ab Klasse fünf. Dagegen haben Geschwister aus dem Landkreis Ravensburg einen Eilantrag an den baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshof gestellt. Vergangenen Freitag haben die Richter in Mannheim die Klage abgewiesen. Laut Entscheidung sind die Argumente der Antragsteller zwar gerechtfertigt – wichtiger ist es allerdings, die Weiterverbreitung von Covid-19 einzudämmen. Die Mutter und zugleich Anwältin der Antragsteller hat im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“ihre Beweggründe erklärt.
Ihre Kinder hätten die Maskenpflicht relativ kritisch gesehen, berichtet Christina Schmauch, Mutter und zugleich Anwältin der beiden Geschwister. Durch das Tragen einer Alltagsmaske fühlten sich ihre Kinder im Unterricht eingeschränkt, sagt sie. Der zwölfjährige Sohn, Schüler am Gymnasium in Altshausen, habe an Kopfschmerzen gelitten und sei deswegen einen Tag krankgeschrieben gewesen. Die 17-jährige Tochter geht in Aulendorf zur Schule, macht nächstes Jahr ihr Abitur. Die Schülerin beschäftige sich schon seit mehreren Wochen mit der Frage, was die aktuelle Lage mit der Demokratie sowie Politik mache, sagt Schmauch. Die Rechtsanwältin aus Ebenweiler hat ihre Kinder bei dem Eilantrag unterstützt. „Sie waren beide nicht dagegen“, sagt sie.
Gleich nachdem das Kultusministerium die Maskenpflicht im Unterricht bekannt gegeben hatte, schickte die Anwältin den Eilantrag an den Verwaltungsgerichtshof. Aufgrund der steigenden Infektionszahlen und politischen Andeutungen sei die Familie schon auf das Szenario vorbereitet gewesen. „Die Eingangsmitteilung kam dann am Montagvormittag“, sagt Schmauch.
Die Anwältin bezieht sich in ihrer Klage auf Artikel zwei und drei des Grundgesetzes. Zum einen bedeute die Maskenpflicht einen „erheblichen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte“, sagt sie im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Mit dem Tragen einer Maske gingen Einschränkungen in der Kommunikation zwischen Schüler und Lehrer einher, das körperliche Wohlbefinden würde darunter leiden und das Recht auf ein selbstbestimmtes Erscheinungsbild sei damit beschränkt. Weil die Maskenpflicht landesweit gilt, plädiert die Anwältin zudem auf Ungleichbehandlung. „Altshausen und Aulendorf haben niedrigere Inzidenzwerte als andere Landkreise und Städte“, sagt Schmauch. „Laut Artikel drei des Grundgesetz dürfen gleiche Sachverhalte nicht unterschiedlich behandelt werden.“Daraus
schließt sie im umgekehrten Kontext, dass ungleiche Sachverhalte – wie die unterschiedlich hohen Inzidenzwerte in verschiedenen Landkreisen – nicht gleich bewertet werden sollen.
Ferner kritisiert die Anwältin eine Unverhältnismäßigkeit der Vorgaben. „Die Maskenpflicht ist im Unterricht nicht zielführend, da nicht bewiesen ist, dass Schüler maßgeblich zur Verbreitung des Coronavirus beitragen – jedenfalls nicht in den Klassenräumen.“Ihrer Meinung nach müssen Schüler zu viel Verantwortung übernehmen, während Kultusministerium, Schulleiter und Lehrkräfte aber „unvorbereitet und kurzfristig gehandelt“hätten. Die Verhältnismäßigkeit müsse stimmen. „Wenn von Schülern keine Gefahr ausgeht, wieso sollten sie weiterhin die Maßnahmen umsetzen, nur weil das jemand verordnet hat?“Eine Klasse sei eine homogene Gruppe, die nicht vergleichbar mit Partygängern oder sogenannten Superspreadern sei. Wäre dies vergleichbar, würde die Maskenpflicht im Unterricht
Sinn ergeben, sagt sie. „Die Schüler wissen, worauf sie achten müssen“, fährt sie fort.
Der Verwaltungsgerichtshof traf hingegen eine andere Entscheidung: Tatsächlich werde das Recht der Schüler beeinträchtigt, das eigene Erscheinungsbild selbstverantwortlich zu bestimmen, so das Gericht. Damit gingen unter anderem auch Einschränkungen der Kommunikation sowie unter Umständen des Wohlbefindens einher. Demgegenüber stünden jedoch die „gravierenden Folgen für Leib und Leben einer Vielzahl vom Coronavirus Betroffener“und die Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems. Mehrere wissenschaftliche Institutionen hätten sich übereinstimmend für das Tragen der Alltagsmaske im Unterricht ausgesprochen. Es sei auch gerechtfertigt, eine solche Maßnahme für das ganze Bundesland zu erlassen – unabhängig vom Infektionsgeschehen im jeweiligen Landkreis.
Es geht also nicht nur um die eigene Freiheit, sondern auch um den Schutz der Mitmenschen. Dazu sagt
Christina Schmauch: „Ethisches Handeln steht bei mir ziemlich weit oben, aber das kann nicht nur einseitig sein.“Es gehe ihr nicht um Egoismus, „aber man muss einen Mittelweg finden, um Verantwortung für sich selbst und andere zu übernehmen.“In ihrem persönlichen Umfeld habe sie bereits erfahren, dass es Risikogruppen gibt, „die teilweise schon selbst versuchen, sich zu schützen“.
Der Gerichtshof habe „schnell und kurzfristig entschieden“, beurteilt Schmauch das Ergebnis. „Ich habe die Entscheidung zur Kenntnis genommen, durch andere Richter hätte die Entscheidung jedoch anders ausgehen können.“Sie fordert eine Überprüfung der Alternativen zur jetzigen Maßnahme. „Das Robert-Koch-Institut empfiehlt beispielsweise Luftfilter“, sagt sie.
Im Übrigen ist Christina Schmauch nicht grundsätzlich gegen die Maskenpflicht. Beim Einkaufen oder im öffentlichen Nahverkehr beispielsweise sei das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung sinnvoll, sagt sie.