Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Mahnmal erinnert an bedrohte Insekten
Das zehnte Werk am Kunstweg im Pfrunger Ried macht auf Artensterben aufmerksam
- Eigentlich stand auf diesem Platz am Ried-Kunstweg ein offener Kubus aus ungehobelten Dachlatten des Künstlers Robert L. Steward. Dieses Werk ist aber zerfallen. Nun hat ein Denkmal aus Sandstein und Beton den Platz eingenommen – ein länger haltbares Objekt, das an die ständige, für alles Leben existenziell notwendige Arbeit der Insekten erinnern soll. Erschaffen hat es der aus Fridingen stammende Bildhauer Hans-Jürgen Kossack.
Seit Jahren gibt es ein dramatisches Insektensterben, einen Rückgang der Vögel, das Aussterben der Arten, weil keine Nahrung mehr zu finden ist auf ausgeräumten Feldern mit verdichteten Böden und ohne Nistplätze in Hecken oder Rainen. Im Ried mit seinen renaturierten Feuchtwiesen, seinen Naturbiotopen, Mooren und Wasserflächen mag das an einem sonnendurchleuchteten Herbsttag noch nicht so augenscheinlich sein, aber auch hier hört man kaum noch Feldlerchen, sieht man keine Kiebitze mehr, weil die Frühjahrsmahd ihren Lebensraum kleinhäckselt.
Deshalb ein Denkmal „der gefallenen Insekten“, auch dieses für Helden, in diesem Fall Helden der Natur? Christiane Lehmann, Künstlerin und Initiatorin des Kunstweges „parallele Landschaft“im Pfrunger Ried, ging in ihrer reflektierten Einführung auf die dramatischen Entwicklungen ein, wie zum Beispiel dem Verschwinden von fast 75 Prozent der Fluginsekten in den vergangenen 20 Jahren und dem jüngst weiter fortgeschriebenen Verlust der Biodiversität in der EU.
Mehr und mehr wird verschwinden vom natürlichen Lebensraum, was in Zeiten von Klimawandel und Pandemien besonders bedrohlich wirkt. Dazu Christiane Lehmanns Schlusssatz: „Wir müssen weg von der Vorstellung einer von der Natur abgegrenzten menschlichen Lebenswelt, hin zu einer fürsorglichen Beobachtung des Netzwerks des Lebens, in das die Zivilisation eingebettet ist.“Hans-Jürgen Kossack hat nach einer Schreinerlehre in Karlsruhe an der Kunsthochschule studiert und dann eine Bildhauerlehre bei dem Fridinger Bildhauer Willi Bucher absolviert. Er arbeitet in Stein und Holz, gestaltet auch auf Wunsch individuelle Grabsteine und hat zahlreiche Skulpturen für den öffentlichen Raum geschaffen. Hier verband er zwei Buntsandsteinblöcke aus Seedorfer Sandstein auf einer sechseckigen Betonplatte mit einer drei Meter hohen Stele, auf der ein skulptierter Vogelschädel – die Vergrößerung eines Rotkehlchens – sitzt. Der rechte der beiden findlingsgroßen Blöcke trägt ein skulptiertes Bienenwabenmuster, auf dem linken, der natürlichen Tafoni-Verwitterung von Sandstein nachempfunden, hockt eine riesige Heuschrecke. Figurativ und abstrahiert zugleich wirken der raue Sandstein und der die Spuren der OSB-Verschalung zeigende helle Beton, und im wechselnden Licht sehr taktil. Und das Denkmal regt nicht nur zum Nachdenken, sondern mahnt auch das Gewissen an.