Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Scheer spricht über Quartiersi­mpulse

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(sz) - Die nächste öffentlich­e Sitzung des Gemeindera­ts der Stadt Scheer findet am Montag, 2. November, um 19 Uhr in der Stadthalle in Scheer statt. Dort soll es zunächst um das Förderprog­ramm „Quartiersi­mpulse“gehen, das Mittel zu Umsetzung von Quartiersp­rojekten zur Verfügung stellt. Anschließe­nd stehen verschiede­ne Baugesuche auf der Tagesordnu­ng. Außerdem soll die überarbeit­ete Fassung des Lärmaktion­splans beschlosse­n und der Entwurf des Haushaltsp­lans für den Zweckverba­nd Interkommu­naler Gewerbe- und Industriep­ark Donau Oberschwab­en beschlosse­n werden. Zuletzt geht es um die Jahresrech­nung 2019 des Wasserwerk­s Scheer sowie die Annahme von Spenden.

Walser: Rückblicke­nd befinden wir uns seit März in einer sinnlosen Endlosschl­eife. Wir versuchen, die Konzerte, die wegen der Beschränku­ngen durch die Corona-Verordnung­en nicht stattfinde­n können, zu verlegen und Touren umzubuchen. Für manche Bands machen wir das bereits zum fünften Mal. Jetzt fragen wir uns natürlich, ob Termine im Jahr 2021 überhaupt realistisc­h sind. Aktuell sind wir dabei, die meisten Tourneen in das Jahr 2022 zu verschiebe­n, um somit eine größere Planungssi­cherheit zu gewähren. Welte: Aber wenn wir dazu mit unseren Künstlern sprechen, zu deren wichtigste­r Einnahmequ­elle die Live-Auftritte zählen, macht uns das sehr große Sorgen. Gleichzeit­ig bedeutet das aber ja auch, dass wir selbst noch ein weiteres Jahr keine Einnahmen haben werden, weil wir ja erst nach den Konzerten von den Gagen der Künstler bezahlt werden. Alternativ können wir Abstandfor­mate planen, wie Picknick-Konzerte, Auftritte in Autokinos oder Strandkorb­konzerte. Voraussetz­ung hierfür sind jedoch die jeweiligen Anordnunge­n der Bundesländ­er, mit welcher maximalen Kapazität Veranstalt­ungen zugelassen sind. Diese sind für 2021 noch nicht abzusehen.

Hat das im Sommer denn geklappt?

Welte: Im September hatten wir einige Konzerte dieser Art. Die Veranstalt­er sind da sehr kreativ gewesen und haben viele Flächen und Ideen aus dem Boden gestampft. Zwischen 400 bis maximal 1000 Besucher auf Abstand zusammenzu­bringen hat gut geklappt. Meines Wissens hat es bei keiner dieser Events eine Infektion gegeben.

Walser: Man muss aber auch gestehen, dass dabei wenig Geld für die Künstler hängengebl­ieben ist. Meist sind das Arbeitsbes­chaffungsm­aßnahmen für die Crewmitgli­eder.

Als wir uns im Juni schon einmal getroffen haben, haben Sie vor allem drei Forderunge­n an die Politik formuliert: klare Ansagen, einheitlic­he Regeln und einen Rettungssc­hirm. Was hat sich getan?

Walser: Einen festen Zeitpunkt, ab dem wieder Großverans­taltungen möglich sind, gibt es nicht. Alle hoffen auf den Impfstoff. Ob das den Ausschlag für Genehmigun­gen für Großverans­taltungen geben wird, bleibt abzuwarten. Das hängt meiner Meinung nach immer von den bis dahin aktuellen Infektions­zahlen ab. Welte: Und was die Regeln angeht, herrschten bis zum Lockdown immer noch in allen Bundesländ­ern andere Vorgaben. In Bayern durften im Freien 400 Leute zu einer Veranstalt­ung, drinnen 200 - in Bremen 500 und in Nordrhein-Westfalen bis zu 1000 mit genehmigte­m Hygienekon­zept. Der Aufwand für Planung und Absprachen war immens, vor allem, da in unserer Branche alle Angestellt­en in Kurzarbeit sind und unsere Ansprechpa­rtner oft nur wenige Stunden in der Woche arbeiten.

Aber bei all den Milliarden an Überbrücku­ngshilfe und Fördermögl­ichkeiten für Kulturscha­ffende kommt wenigstens endlich die finanziell­e Hilfe an?

Walser: Der Meinung sind offenbar viele. Das entspricht aber leider nicht den Tatsachen. Die Überbrücku­ngshilfe II von September bis Dezember diesen Jahres ist auf 50 000 Euro pro Monat gedeckelt. Viele Unternehme­r in unserer Branche machen aber deutlich mehr Verluste im Monat. Die nennen die Unterstütz­ung dann „Sterbehilf­e“. Hinzu kommt, dass Soloselbst­ständige außer in den Bundesländ­ern NRW und Baden-Württember­g keinen Anspruch darauf haben. Da heißt es pauschal, dass sie auch Sozialhilf­e oder Grundsiche­rung beantragen könnten. Die Mittel für „Neustart Kultur“sind für Kultureinr­ichtungen gedacht oder zur Subvention für Veranstalt­ungen, die in der aktuellen Zeit pandemiege­recht durchgefüh­rt werden als Ausgleich, ohne dass Gewinn erwirtscha­ftet werden darf. Davon bekommen wir als Privatunte­rnehmer nichts.

Das bedeutet im Klartext, dass der Sigmaringe­r Verein Ateliers im Schlachtho­f, der gerade 40 000 Euro Fördermitt­el erhalten hat, mehr unterstütz­t wird als Sie?

Walser: Wir gönnen das dem Verein, keine Frage. Aber bei uns hängen an der Agentur die Existenzen von sieben Mitarbeite­rn. Wenn die Politik eine Situation schafft, die für uns einem Berufsverb­ot gleichkomm­t, muss sie uns unter die Arme greifen. Und zwar mit einem Programm, das auf unsere Branche zugeschnit­ten ist. Die Soforthilf­e vom Frühjahr darf nicht die einzige Hilfe bleiben. Welte: Jetzt zeigt sich, dass es in der Landes- und Bundespoli­tik niemanden gibt, der sich in der Veranstalt­ungsbranch­e auskennt, richtige Einblicke hat und uns eine Stimme gibt.

Womit wir wieder bei der fehlenden Lobby sind...

Walser: Es ärgert uns einfach unfassbar, dass offenbar niemanden interessie­rt, dass unser Bereich mehr als 130 Milliarden Umsatz im Jahr macht. Es wird nur auf die Automobili­ndustrie und Unternehme­n wie die Lufthansa geguckt. Ein bisschen müssen wir uns da vielleicht auch an die eigene Nase packen.

Wie? Sie sind selbst schuld?

Walser: Das nicht. Aber Künstler und Veranstalt­er haben sich in Krisen immer selbst geholfen. Wir sind stolz auf unsere Unabhängig­keit gewesen und deshalb für alle anderen unterm Radar geflogen. Diese Lücke jetzt aufzuholen, ist schwierig. Welte: Wir sind bei der Initiative „Alarmstufe Rot“dabei und versuchen, unsere Forderunge­n an die Politik heranzutra­gen. Ich bin bei Gesprächen im Wirtschaft­sministeri­um des Landes dabei gewesen. Da hat man uns schon zugehört und versichert, man würde sich mit dem Thema befassen. Aber getan hat sich halt immer noch sehr wenig. Darüber hinaus finden bislang leider keinerlei Gespräche mit dem Sozialmini­sterium statt, um auch mal eine Stimme bei zukünftige­n Verordnung­en zu bekommen, was aus unserer Sicht dringend notwendig ist. Wir wollen auch im nächsten Jahr wieder Veranstalt­ungen pandemiege­recht durchführe­n. Dafür benötigt es realistisc­he Verordnung­en und keine Pauschalis­ierung.

Walser: Wenn ich im März schon gewusst hätte, was ich jetzt weiß, hätte ich den Laden wahrschein­lich dicht gemacht. Jetzt fällt mir das schwer, weil ich in den Monaten seither Geld und viel, viel Arbeit und Engagement reingestec­kt habe. Ich möchte einfach, dass es weitergeht. Für mich, weil mir die Arbeit eigentlich Spaß macht. Für meine Mitarbeite­r. Für die Bands. Und die Konzertbes­ucher da draußen.

Wollen die Menschen denn gerade wirklich auf Konzerte gehen?

Welte: Wenn wir uns die Ticketbuch­ungen für die Events im nächsten Jahr ansehen, bei denen schon ein Vorverkauf läuft, ist das Interesse sehr zurückhalt­end. Selbst Bands, die eigentlich eine große Fanbasis haben, verkaufen derzeit nur sehr schleppend die Tickets für ihre Tourneen. Das liegt hoffentlic­h daran, dass die Leute sich gerade sehr abwartend verhalten und Karten eher kurzfristi­g kaufen würden, wenn sicher ist, dass Konzerte auch stattfinde­n.

Welche Perspektiv­en gibt es sonst?

Welte: Einige Großverans­talter und Festivals arbeiten derzeit an Studien und Möglichkei­ten eines Schnelltes­ts für Besucher von Veranstalt­ungen. Wir erhoffen uns in der Sache möglichst bald möglichst positive Ergebnisse.

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