Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Emotionen, Rhythmen und Herbstzeitlose
Stadtmission Mengen veranstaltet Lesung mit Ludmilla Pettke
- Unter dem Titel „Nachtigallenallerlei“hat die Stadtmission Mengen zu einem Leseabend eingeladen. Ludmilla Pettke las ihre Gedichte und Prosatexte. Es sind heitere Texte und tiefgreifende Gedichte aus dem Alltag und ihrer Gedankenwelt. Gekonnt flechtet die Schriftstellerin ambivalente Bilder und Paradoxien zu lyrischen Überraschungen. Bewegend sind ihre geistlichen Gedichte, die Interpretationen von Bibelversen sind.
Das wirkt authentisch und regt an, über die eigene Gottesbeziehung nachzudenken. Es war auf Abstand so bestuhlt, wie sich die Besucher angemeldet hatten, allein oder zu zweit. Pettke, geborene Nachtigall, stellte sich vor: Ihre Mutter ist Deutsche, ihr Vater Russe, die Familie kam 1977 nach Deutschland. Sie ist inzwischen 50 Jahre alt und schaut auf ihr Leben zurück. „Umso älter ich werde, umso stärker spüre ich die Endlichkeit des Lebens“, sagte sie und fügte hinzu: Tod und Sterben kämen in ihren Texten vor; sie gehörten zum Leben, doch für Christen habe der Tod nicht das letzte Wort. Vor allem erinnere sie sich, wie abends ihre Mutter lange Briefe geschrieben habe. Und wenn ein Brief eingetroffen sei, habe die Mutter die ganze Familie zusammengetrommelt, um den Brief vorzulesen. Dann habe man den Brief an die Nachbarn zum Lesen weitergegeben. Ein Brief sei damals ein Ereignis gewesen.
In ihren Gedichten verarbeitet Pettke alltägliche Erfahrungen. Es entsteht eine Sprache voller Wärme, Emotionen und musikalischen Rhythmen. Im Gedicht „Blühendes Herbstherz“reflektiert sie das späte Aufblühen der Herbstzeitlosen und mündet in die Erkenntnis, dass die Zeit in Gottes Hand liege. Voller Wendungen ist das Gedicht „Ein Mai“: „November ist im Mai“und „Der Nebel ist gekommen und schläft in ihren Armen“. In einem weiteren Gedicht spricht sie die anregende Wirkung der durchwachten Nacht an: Warum solle sie schlafen gehen, wenn die Seele tanze, wenn endlich alles paradiesisch still sei.
Auf der Grundlage des Bibelverses, in dem zugesagt wird, dass Gott sich des Namens erinnern werde, verdichtet sie ihre Gedanken zu Namen: Im Wind gesprochen, verwehen sie; auf Papier geschrieben, verblassen sie; in Stein gemeißelt, zersplittern sie; auf der Haut tätowiert, altern sie; im Herz geborgen, sterben sie. Namen in Gottes Hand gezeichnet, bleiben ewig, so Pettke.
Der Alltag im Kindergarten und als Mutter inspiriert Pettke zu humorvollen Prosatexten. Das Publikum musste immer wieder auflachen, weil sie so charakteristische Situationen, die jede und jeder kennt, beschreibt. Auch die Beobachtung von Menschen, wie sie voller Achtsamkeit ihre Arbeit verrichten, verrät ihre Liebe zum Nächsten. Während der Lesung verwies Pettke in ihren Gedichten und Texten immer wieder auf ihren Glauben zu Gott. Sie thematisierte Bibelverse und regte an, über Gott nachzudenken. Der Leseabend war letztlich ein bunter Genuss.