Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Südwesten lockert Notbremse über Ostern
Baden-Württemberg reagiert trotz Appell von Gesundheitsminister Spahn – Söder mahnt
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat für die kommenden Wochen vor Infektionszahlen „wie im Winter“gewarnt. „Wir laufen Gefahr, dass das Gesundheitssystem im April an seine Grenzen kommt“, sagte er am Freitag in Berlin. Es gehe darum, dass die zwischen Bund und Ländern vereinbarte Notbremse zur Senkung der Ansteckungsraten mit dem Coronavirus „konsequent umgesetzt“werde. Er habe zwar Verständnis für Wünsche nach mehr Lockerungen, dennoch müsse man jetzt alles tun, um die gefährliche britische Variante in den Griff zu bekommen. Er bat die Bürger, sich über Ostern mit privaten Treffen zurückzuhalten.
Dem zuwider läuft eine Entscheidung der Landesregierung BadenWürttembergs
für Gebiete mit höherer Inzidenz. Dort sollen über Ostern die Regeln für private Zusammenkünfte gelockert werden. Treffen von zwei Haushalten mit bis zu fünf Personen sollen dann auch in Gegenden mit mehr als 100 Neuinfektionen auf 100 000 Einwohner erlaubt sein, wie ein Regierungssprecher am Freitag mitteilte. Kinder bis 14 Jahre würden nicht mitgezählt. Die Anpassung der Corona-Verordnung soll an diesem Samstag verkündet werden. Es handle sich um ein Entgegenkommen gegenüber den Bürgern.
Die verschärften Kontaktregeln der Notbremse würden damit über die Feiertage in diesen Gebieten nicht gelten. Sie schreiben eigentlich vor, dass sich in Kreisen mit mehr als 100 Neuinfektionen in einer Woche nur ein Haushalt mit einer weiteren Person treffen darf. Derzeit liegt die
Sieben-Tage-Inzidenz landesweit bei über 100. Bundesweit stieg der Wert nach Angaben des Robert-Koch-Instituts am Freitag auf mehr als 119,1, gegenüber 113,3 am Tag zuvor.
Derzeit gibt es mehr als zwei Drittel aller Stadt- und Landkreise BadenWürttembergs mehr als 100 Neuinfektionen auf 100 000 Einwohner in einer Woche. Bleiben die Werte drei Tage lang über diesem Grenzwert, müssen die Kreise Öffnungen etwa von Geschäften wieder rückgängig machen. Die sonstigen Regeln der Notbremse würden weiter greifen, hieß es aus Stuttgart.
Im Gegensatz dazu hat Bremen die Notbremse bereits gezogen. Das sogenannte Terminshopping werde ausgesetzt, und die erst vor Kurzem geöffneten Museen müssten wieder schließen, sagte Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD). In Bremen
war der Wert zuvor auf mehr als 103 gestiegen. Nordrhein-Westfalen mit seinem Inzidenzwert von aktuell 121,6 will zwar ebenfalls zur Notbremse greifen, diese soll laut Landesregierung jedoch nicht landesweit gelten, sondern nur für Kommunen, die jenseits der 100 liegen.
In Bayern, wo die Inzidenz aktuell bei 122,1 liegt, sind keine Lockerungen zu erwarten. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) rief am Freitag zum Durchhalten auf. Alle Bundesländer müssten die Notbremse in Hotspots konsequent ziehen. Wo die Notbremse ausgesetzt werde, drohe die Gefahr einer Verharmlosung der Pandemie, sagte er. Söder mahnte, es dürfe keinen „Ermüdungsbruch“geben. „Viele scheinen die Nerven auch zu verlieren“, sagte der CSU-Chef und mahnte: „Wer Nerven verliert, verliert ganz sicher auch Wahlen.“