Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Was den Bauern blüht
Bund und Länder einigen sich auf Agrarreform – Südwest-Agrarminister Hauk nennt Lösung zukunftsweisend
- Einen Kompromiss, aber keinen faulen Kompromiss, so nannte Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) die nach drei Nächten und vielen weiteren Stunden gefundene Lösung. Die Lösung, auf die sich die Agrarminister von Bund und Ländern am Freitag einigten und die aufzeigt, wie die Reform der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) für Deutschland aussehen kann. „Es ist eine Abkehr von der reinen Einkommensunterstützung, eine Abkehr von der nackten Flächenprämie hin zu einer Zuwendung zu einer Zahlung, die an Bedingungen geknüpft ist“, sagte Hauk bei der Vorstellung der Einzelheiten. „Was wir vereinbart haben, ist zukunftsweisend.“
Nach dem Kompromiss sollen 25 Prozent der EU-Direktzahlungen an deutsche Landwirte an Klima- und Umweltmaßnahmen geknüpft sein. Bislang war ausschließlich die Fläche eines Betriebs das entscheidende Auszahlungskriterium. Zusätzlich sollen ab 2023 zehn Prozent der Direktzahlungen in einen zweiten Topf fließen und unter anderem nachhaltiger Landwirtschaft, Tierwohl und Ökolandbau zugutekommen. Im Jahr 2026 soll der Prozentsatz für die Umschichtung des Geldes in diese zweite Säule dann bei 15 Prozent liegen.
Die EU-Agrarpolitik ist ein komplexes Konstrukt und im Grunde in zwei Bereiche aufgeteilt. Zum einen werden jährlich Gelder ausgezahlt, die in den Direktzahlungen, der sogenannten ersten Säule, zusammengefasst werden. Sie machen den Großteil des Geldes aus und werden zumeist anhand der Fläche eines Betriebs ausgezahlt. Gekoppelt sind diese Zahlungen künftig allein an das Greening, also die Pflicht, ökologische Vorrangflächen auszuweisen, Grünland zu schützen und Feldfruchtarten zu diversifizieren.
Zum anderen gibt es Finanzmittel für die Entwicklung des ländlichen Raums, die sogenannte zweite Säule. Das sind Beträge, die für meist siebenjährige Programme zur Verfügung stehen und etwa für langfristige Umweltmaßnahmen genutzt werden können. Das Geld für die GAP hängt auch vom langfristigen EU-Haushalt ab, der im Dezember für 2021 bis 2027 beschlossen wurde. Für 2021 und 2022 gilt eine Übergangszeit, bevor von 2023 an die neue Förderperiode beginnt. Die GAP gehört zu den größten Posten im EU-Haushalt, der Anteil der Mittel für die zweite Säule steigt künftig auf 35 Prozent.
Das jährliche Budget für Deutschland, aus dem sich nach dem Kompromiss die 25 Prozent für sogenannte Ökoregelungen speisen sollen, beträgt für die deutschen Landwirte jährlich 4,9 Milliarden Euro. Wenn ein Betrieb künftig einen Teil dieses Geldes als Förderung erhalten möchte, muss er gewisse Ökokriterien erfüllen. Insgesamt stehen Deutschland in beiden Säulen jährlich sechs Milliarden Euro aus Brüssel zur Verfügung. „Wir haben den Einstieg in den Umstieg beschlossen“, sagte
Sachsens Landwirtschaftsminister Wolfram Günther (Grüne), der der Agrarministerkonferenz vorsitzt. Nach Günthers Berechnung werden von 2026 an insgesamt 47 Prozent der deutschen GAP-Mittel an Gemeinwohlleistungen geknüpft sein.
„Wir haben jetzt einen Systemwechsel eingeführt“, betonte Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU), die beratend an den Verhandlungen teilnahm. „Nicht die Fläche ist entscheidend, sondern die Bewirtschaftung auf der Fläche.“Wie genau diese Ökokriterien aussehen können, steht noch nicht endgültig fest. Landwirte können etwa einen Teil ihrer Flächen als Brachen oder Blühstreifen anlegen oder auch Moorböden schützen. Umweltverbände fordern, nur Maßnahmen zu berücksichtigen, die auch einen wirksamen Klima- und Umweltschutz mit sich bringen.
Eine zunächst angedachte Deckelung der Zahlungen ab einer bestimmten Betriebsgröße ist vom Tisch – auch ein Teil des hart errungenen Kompromisses, den vor allem auch Peter Hauk bedauerte, der gefordert hatte, Betrieb von einer Größe von 300 Hektar an nicht mehr zu fördern. Das hatten aber vor allem die Minister aus den Bundesländern im Osten abgelehnt. „Das ist bedauerlich, weil wir die politische Diskussion um die Förderung solch großer Betriebe nun weiter haben“, sagte Hauk. Der CDU-Minister hob allerdings hervor, dass die Konferenz sich auf eine besondere Förderung kleiner Betriebe verständigt habe. Zwölf Prozent der Mittel für die Direktzahlungen werden auf die ersten 60 Hektare gestaffelt umverteilt. Laut Hauk ergibt das eine Prämie von etwa 70 Euro für die ersten 40 Hektar und 40 Euro für die darauffolgenden 20 Hektar.
Zudem führt Deutschland eine gekoppelte Weidetierprämie ein. Dafür werden zwei Prozent der Direktzahlungen bereitgestellt. Die Zielgröße lautet 30 Euro pro Mutterschaf und Ziege sowie 60 Euro pro Mutterkuh, wenn der Betrieb kein Milchvieh hält.
Der Deutsche Bauernverband sieht trotzdem „schmerzhafte Einschnitte“auf die Landwirte zukommen. Die zusätzlichen Einkünfte der Bauern könnten sich um 40 Prozent verringern, befürchtet der Verband. Die Direktzahlungen seien eine wichtige Einkommensstütze. Umweltverbände wie der Nabu oder der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) halten die Beschlüsse dagegen für nicht weitgehend genug, loben aber den Fortschritt zu den ursprünglichen Vorschlägen aus dem Bundesagrarministerium. Das hatte zunächst eine 20-Prozent-Quote für die Ökoregelungen und einen AchtProzent-Anteil für die Umschichtung in die zweite Säule vorgeschlagen.
Nun kommt es darauf an, ob sich Julia Klöckner auf Basis der Beschlüsse mit Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) einig wird, damit das Kabinett das nationale GAP-Paket verabschieden kann. Die Agrarminister appellierten an Schulze, den Kompromiss anzunehmen. Die Umweltministerin begrüßte die Einigung in einer ersten Stellungnahme und kündigte an, die Positionierung des Agrarressorts „sorgfältig prüfen“zu wollen. Bis Ende des Jahres muss Deutschland der EU-Kommission seinen Nationalen Strategieplan für die Umsetzung der Agrarreform vorgelegt haben.
Damit wären die deutschen Minister weiter als ihre Kollegen in Brüssel. Auf EU-Ebene liegen die Agrarministerien der Mitgliedsländer schon seit Längerem mit dem EU-Parlament im Clinch und stritten auch an diesem Freitag über den Rahmen der Agrarreform. Dass bei diesem groß angekündigten „Super“Trilog – also den Verhandlungen zwischen EU-Kommission, EU-Parlament und den Vertretern der EUStaaten ein weitreichender Kompromiss erreicht wird – ist zu bezweifeln. Die Verhandlungen dauerten am Abend noch an.