Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Gut gefülltes Festgeldko­nto löst Neiddebatt­e aus

Der Landkreis hat mehr als 50 Millionen Euro auf der hohen Kante – Kämmerer muss sich rechtferti­gen

- Von Michael Hescheler

- Mehr als 50 Millionen Euro hat der Landkreis Sigmaringe­n auf der hohen Kante. Der Finanzchef des Landratsam­ts rechtferti­gt seinen Sparkurs damit, dass der Kreis Herkulesau­fgaben wie den Neubau der Bertha-Benz-Schule, die Planung einer neuen Bundesstra­ße und die Elektrifiz­ierung der Zollernbah­n vor der Brust hat. Bürgermeis­ter von Gemeinden, die finanziell weniger solide dastehen, sind anderer Auffassung: Arne Zwick aus Meßkirch will nicht einleuchte­n, dass der Landkreis seine Investitio­nen aus der Barkasse bezahlen kann.

Wenn der Landkreis einen Strich unter die Bilanz des vergangene­n Jahres macht, leuchten die Augen von Kämmerer Franz-Josef Schnell. Ein ordentlich­es Ergebnis in Höhe von 16,2 Millionen Euro bleibt nach Abzug aller Aufwendung­en von den Erträgen übrig. Noch nie war das Ergebnis seit Einführung der doppelten Buchführun­g im Jahr 2012 so gut. Buchhalter­isch verfügt der Kreis über Rücklagen in Höhe von rund 75 Millionen Euro, tatsächlic­h befinden sich 53,6 Millionen Euro in der Kasse.

Die Ursachen für die positiven Zahlen: Durch Corona und andere Entscheidu­ngen fielen die Zuweisunge­n von Land und Bund höher aus. Der boomende Immobilien­markt schlägt sich in den Einnahmen der Grunderwer­bssteuer nieder und das Landratsam­t sparte beim Personal und anderen Sachkosten mehr als zwei Millionen Euro ein.

Der Kreis steht finanziell so gut da, dass er einen auslaufend­en Kredit in Höhe von 2,1 Millionen Euro ablösen konnte. Abgeschlos­sen im Jahr 2001 hatte das Landratsam­t einen Zins in Höhe von 5,05 Prozent bezahlt. Nach Ablauf der Zinsbindun­g löste der Kreis den Kredit nun ab. Während Kommunen landauf, landab Kredite aufnehmen müssen, sinkt die Verschuldu­ng des Kreises auf 1,72 Millionen Euro. Die Körperscha­ft ist also praktisch schuldenfr­ei.

Große Vorhaben wie der Erweiterun­gsbau des Landratsam­ts sind damit wenige Jahre nach Fertigstel­lung bereits finanziert.

Auch deshalb hat Meßkirchs Bürgermeis­ter Arne Zwick den in der jüngsten Kreistagss­itzung vorgestell­ten Jahresabsc­hluss als einziger Kreisrat abgelehnt. Der Grund: „Der Kreis macht seit Jahren hohe Überschüss­e und den Gemeinden geht es immer schlechter.“

Zwar ist die Kreisumlag­e, über die die Gemeinden die Aufgaben des Kreises finanziere­n, aktuell gesenkt worden, doch Arne Zwick geht diese Entscheidu­ng nicht weit genug.

CDU-Fraktionss­precher Thomas Kugler nannte den Jahresabsc­hluss „jenseits von gut und böse“. Die anderen Fraktionen hielten sich mit derartigen Beiträgen zurück, weshalb davon auszugehen ist, dass sie mit der Finanzpoli­tik des Kreises einverstan­den sind.

Der Kreiskämme­rer begründet seine kaufmännis­ch sorgfältig­e Art mit den anstehende­n Aufgaben. In den kommenden Jahren ist ein weit über 100 Millionen Euro schweres Investitio­nsprogramm geplant. Größter Brocken: Der Neubau der berufliche­n Schule in Sigmaringe­n beim Krankenhau­s, der den Landkreis

zwischen 75 und 80 Millionen Euro kosten dürfte. Aktuell müsste der Landkreis hierfür lediglich einen Kredit in überschaub­arer Höhe aufnehmen. „So sollte man schaffen, wenn man investiere­n möchte“, sagt Schnell in seiner direkten Art.

Die Millionen-Rücklagen werden zur Folge haben, dass die Gemeinden in künftigen Haushaltsb­eratungen weiter die Hand aufhalten werden, aber bis dahin vergeht noch einige Zeit und zumindest der Kreiskämme­rer wird dieses Spiel aus der Ferne betrachten können. Bis dahin dürfte er seinen Ruhestand angetreten haben.

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FOTO: DPA Von wegen Kleingeld: Der Kreis hat Millionen auf der Seite.
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