Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Gut gefülltes Festgeldkonto löst Neiddebatte aus
Der Landkreis hat mehr als 50 Millionen Euro auf der hohen Kante – Kämmerer muss sich rechtfertigen
- Mehr als 50 Millionen Euro hat der Landkreis Sigmaringen auf der hohen Kante. Der Finanzchef des Landratsamts rechtfertigt seinen Sparkurs damit, dass der Kreis Herkulesaufgaben wie den Neubau der Bertha-Benz-Schule, die Planung einer neuen Bundesstraße und die Elektrifizierung der Zollernbahn vor der Brust hat. Bürgermeister von Gemeinden, die finanziell weniger solide dastehen, sind anderer Auffassung: Arne Zwick aus Meßkirch will nicht einleuchten, dass der Landkreis seine Investitionen aus der Barkasse bezahlen kann.
Wenn der Landkreis einen Strich unter die Bilanz des vergangenen Jahres macht, leuchten die Augen von Kämmerer Franz-Josef Schnell. Ein ordentliches Ergebnis in Höhe von 16,2 Millionen Euro bleibt nach Abzug aller Aufwendungen von den Erträgen übrig. Noch nie war das Ergebnis seit Einführung der doppelten Buchführung im Jahr 2012 so gut. Buchhalterisch verfügt der Kreis über Rücklagen in Höhe von rund 75 Millionen Euro, tatsächlich befinden sich 53,6 Millionen Euro in der Kasse.
Die Ursachen für die positiven Zahlen: Durch Corona und andere Entscheidungen fielen die Zuweisungen von Land und Bund höher aus. Der boomende Immobilienmarkt schlägt sich in den Einnahmen der Grunderwerbssteuer nieder und das Landratsamt sparte beim Personal und anderen Sachkosten mehr als zwei Millionen Euro ein.
Der Kreis steht finanziell so gut da, dass er einen auslaufenden Kredit in Höhe von 2,1 Millionen Euro ablösen konnte. Abgeschlossen im Jahr 2001 hatte das Landratsamt einen Zins in Höhe von 5,05 Prozent bezahlt. Nach Ablauf der Zinsbindung löste der Kreis den Kredit nun ab. Während Kommunen landauf, landab Kredite aufnehmen müssen, sinkt die Verschuldung des Kreises auf 1,72 Millionen Euro. Die Körperschaft ist also praktisch schuldenfrei.
Große Vorhaben wie der Erweiterungsbau des Landratsamts sind damit wenige Jahre nach Fertigstellung bereits finanziert.
Auch deshalb hat Meßkirchs Bürgermeister Arne Zwick den in der jüngsten Kreistagssitzung vorgestellten Jahresabschluss als einziger Kreisrat abgelehnt. Der Grund: „Der Kreis macht seit Jahren hohe Überschüsse und den Gemeinden geht es immer schlechter.“
Zwar ist die Kreisumlage, über die die Gemeinden die Aufgaben des Kreises finanzieren, aktuell gesenkt worden, doch Arne Zwick geht diese Entscheidung nicht weit genug.
CDU-Fraktionssprecher Thomas Kugler nannte den Jahresabschluss „jenseits von gut und böse“. Die anderen Fraktionen hielten sich mit derartigen Beiträgen zurück, weshalb davon auszugehen ist, dass sie mit der Finanzpolitik des Kreises einverstanden sind.
Der Kreiskämmerer begründet seine kaufmännisch sorgfältige Art mit den anstehenden Aufgaben. In den kommenden Jahren ist ein weit über 100 Millionen Euro schweres Investitionsprogramm geplant. Größter Brocken: Der Neubau der beruflichen Schule in Sigmaringen beim Krankenhaus, der den Landkreis
zwischen 75 und 80 Millionen Euro kosten dürfte. Aktuell müsste der Landkreis hierfür lediglich einen Kredit in überschaubarer Höhe aufnehmen. „So sollte man schaffen, wenn man investieren möchte“, sagt Schnell in seiner direkten Art.
Die Millionen-Rücklagen werden zur Folge haben, dass die Gemeinden in künftigen Haushaltsberatungen weiter die Hand aufhalten werden, aber bis dahin vergeht noch einige Zeit und zumindest der Kreiskämmerer wird dieses Spiel aus der Ferne betrachten können. Bis dahin dürfte er seinen Ruhestand angetreten haben.