Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Duell um die Zukunft
Beim Topspiel Leipzig gegen Bayern geht es nicht nur um den Titel, sondern auch um die Trainer
- Lediglich fünf Jahre ist es her, da posierte Hansi Flick neben Julian Nagelsmann auf der DFB-Trainergala 2016 in Frankfurt. Nagelsmann, seit Mitte Februar jenen Jahres neuer Trainer des Bundesligisten 1899 Hoffenheim, erhielt bei diesem Festakt seine Urkunde zum Abschluss des Fußball-Lehrer-Lehrgangs 2015/16 – und das aus den Händen des designierten DFB-Präsidenten Reinhard Grindel. Kinder, wie die Zeit vergeht.
Sieht man auch an Nagelsmann, damals von einigen Medien „Baby Face“getauft. Mit der Ehrung, auf der Flick als DFB-Sportdirektor auftrat, endete die Doppelbelastung des damals 28-Jährigen. Noch während seiner Ausbildung wurde er zum jüngsten Bundesliga-Chefcoach aller Zeiten und rettete die Kraichgauer vor dem Abstieg.
An diesem Samstag (18.30 Uhr, Sky) fordert der Bayer, ein gebürtiger Landsberger, mit RB Leipzig den FC Bayern mit Trainer Flick, dem gebürtigen Heidelberger, heraus. Es ist das Duell um die Meisterschaft, Zweiter gegen Erster, Herausforderer gegen Abo-Meister. An den Seitenlinien stehen sich die zwei begehrtesten Trainer des Landes gegenüber. „Der Kribbelfaktor
ist hoch“, verriet der mittlerweile 33-jährige Nagelsmann, der am Karfreitag schon um 9.30 Uhr auf dem Rasen war, um das Abschlusstraining vorzubereiten. Beginn: 14.30 Uhr.
Vor dem Titel-Showdown am 27. Spieltag sagte Nagelsmann angesichts von vier Punkten Rückstand: „Wenn wir nicht gewinnen oder unentschieden spielen, ist die Saison zwar nicht vorbei, aber der Meisterkampf.“So will er seine Spieler heiß machen. Flick (56) dagegen bediente sich einer Botschaft aus der Mia-san-MiaSchublade: „Wir haben jetzt den Endspurt. Jeder Spieler weiß, dass jetzt im April und Mai die Wochen sind, wo sich vieles entscheidet. Wir müssen jetzt noch einen Tick enger zusammenstehen und in jedem Spiel alles reinlegen. Es ist eine Qualität von unseren Spielern, dass sie auf den Punkt da sind und wissen, worum es geht.“Vor allem gegen die neue zweite Kraft im deutschen Fußball. Die letzten vier Vergleiche endeten alle Remis, in der Hinrunde gab es ein sehenswertes 3:3 mit wechselnden Führungen, das den Bayern alles abverlangte.
Auch, weil sich die Trainer so gut kennen. Als Flick vom 1. Juli 2017 an acht Monate lang als Geschäftsführer in Hoffenheim arbeitete, war Nagelsmann dort bereits in seiner zweiten Saison Cheftrainer. Oft trafen sich die beiden in Flicks Heimatort Bammental bei Heidelberg in einem Café. Im Sommer 2019 wechselte Nagelsmann zu RB Leipzig. Zur selben Zeit heuerte Flick als Co-Trainer unter Niko Kovac an der Säbener Straße an. Hätte Leipzig letzten August nicht das Champions-League-Halbfinale gegen Paris St.Germain verloren, hätten sich beide um die Krone im europäischen Fußball duelliert. Schließlich wurde Flick Sextuple-Champion. Nagelsmann dagegen, mit Hoffenheim A-Jugend-Meister 2014, wartet noch auf seinen ersten Titel im Profibereich.
Flick gegen Nagelsmann – es ist nicht nur das wohl vorentscheidende Spiel ihrer Teams um die Meisterschaft, sondern auch: das Duell um ihre Zukunft. Flick, der die deutsche Nationalelf als Assistent von Joachim Löw 2014 in Brasilien zum WM-Titel führte, gilt als heißer Kandidat für Löws Nachfolge in diesem Sommer – trotz Vertrag bis 2023. Beerbt Flick Löw auf eigenen, dringenden Wunsch (den die Bayern dann kaum ausschlagen könnten) beim DFB, käme Nagelsmann aus dem Radar der Münchner ins zentrale Visier.
Sportvorstand Hasan Salihamidzic, der mit Flick einige Sträuße ausgefochten hat, soll schon mal vorgefühlt haben in Sachsen. Nagelsmann hat wie Flick keine Ausstiegsklausel und vermied zuletzt ein klares Bekenntnis zu RB. Angesprochen auf eine vorzeitige Vertragsverlängerung sagte er: „Ich habe einen Vertrag bis 2023, das sind die Parameter, die gelten. Alles andere brauchen wir nicht zu besprechen.“RB-Boss Oliver Mintzlaff sagte zu einer möglichen Ablöseforderung für Nagelsmann: „Julian hat kein Preisschild.“Aber Ziele und Träume.
Eine nahezu 100-prozentige Torgarantie hat Weltfußballer Robert Lewandowski eingebaut. Doch nun kommen Bayerns kritische Wochen ohne ihn. Wegen einer Bänderdehnung im rechten Knie fällt der Toptorjäger nach Vereinsangaben rund vier Wochen aus. „Ich lasse mir offen, wie wir agieren“, sagte Flick. Entweder gibt Thomas Müller die Sturmspitze oder Serge Gnabry, der diese Position als falsche Neun auch in der Nationalelf spielte. Es ist die wahrscheinlichste Variante. Oder rückt der als Backup für Lewandowski verpflichtete Eric Maxim Choupo-Moting in die Startelf? „Choupo hat seine Qualitäten gezeigt, er ist durchaus eine Option“, meinte Flick ausweichend und erklärte: „Wir müssen schauen, wie wir es lösen. Es ist eine Herausforderung für uns alle, der wir uns stellen.“Spiel eins ohne Lewandowski wird zum echten Härtetest.